Christkind oder Santa Claus? Stille Nacht oder Jingle Bells? Krippe oder Rentierschlitten? Oder einfach nur Punsch und Geschenke? Mit jedem Jahr wird die Frage akuter, wie man das christliche Weihnachtsfest in einer nicht oder kaum noch christlichen Gesellschaft angemessen feiern soll. In einer Wiener Schule, in der die meisten Kinder einen islamischen, orthodoxen oder konfessionslosen Hintergrund haben, hat man die Lösung gewählt: alles feiern, was gefeiert werden kann.

Feste anderer Religionen

Kommt Weihnachten von Wein, fragte einmal eine Deutschkurs-Teilnehmerin in aller Unschuld. Sie hatte die vielen Punschstände auf den Straßen gesehen und daraus gefolgert, dass das größte Fest hierzulande darin besteht, dass man sich einen ordentlichen Rausch antrinkt und möglichst viel Geld ausgibt. Die anschließende lebhafte Diskussion kreiste dann um den Sinn des Weihnachtsfestes, der alle interessierte, aber auch um die Feste anderer Religionen. Für Einheimische war das eine nützliche Erinnerung daran, dass Weihnachten nicht das einzige religiöse Fest auf der Welt ist. Die meisten Österreicher wissen zwar, dass orthodoxe Christen das Weihnachtsfest erst am 6. Jänner, dem hiesigen Dreikönigstag, feiern, und viele haben auch vom jüdischen Pessach gehört, dem Gedenken an den Auszug der Kinder Israels aus Ägypten, und vom Lichterfest Chanukka, dem Gedenken an den glaubensbedingten Aufstand der Makkabäer. Das islamische feierliche Fastenbrechen nach dem Fastenmonat Ramadan und das Opferfest, auch Zuckerfest genannt, das an das auch aus der Bibel bekannte Opfer Abrahams erinnert, sind schon weniger geläufig.

In Österreich findet man in den Feiertagen vor allem viele Besucher und Besucherinnen bei den Punschständen der zahlreichen Weihnachtsmärkte.
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Höflichkeit und Allgemeinbildung

Alle Kulturen kennen Feste und Feiertage. Meistens erinnern sie an Ereignisse in der Vergangenheit, über die man sich freuen oder auf die man stolz sein kann. Immer geht es dabei auch um Familienzusammenkünfte, um das Miteinander von Alt und Jung, um Gastlichkeit, gutes Essen, Geschenke und Süßigkeiten für die Kinder und auch darum, wie man anderen eine Freude machen kann. In einer zunehmend gemischten Gesellschaft sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass man um diese Feste der anderen Mitbürger weiß und ihnen dazu auch gratuliert. Das ist nicht nur ein Gebot der Höflichkeit, sondern auch eine Frage der Allgemeinbildung.

Inzwischen ist Weihnachten auch für geborene Österreicher nicht mehr unbedingt nur ein christliches Fest mit Krippe und Mitternachtsmesse, sondern auch die Zeit der Christkindlmärkte, der Lichterketten auf den Einkaufsstraßen, der allgegenwärtigen Vanillekipferln und der Schlussverkäufe. Manche bedauern das, andere finden es gut. Aber alle, Einheimische wie Zuwanderer, wünschen einander in diesen Tagen "Schöne Feiertage". (Barbara Coudenhove-Kalergi, 22.12.2022)