Tolkiens Universum

Roland Lehoucq, Jean-Sébastien Steyer, Loïc Mangin, "Die Wissenschaft von Mittelerde". € 51,40 / 384 Seiten. WBG Theiss, Darmstadt 2022
Cover: wbg Theiss

Der britische Schriftsteller J. R. R. Tolkien (1892–1973) gilt als Vater der modernen Fantasy-Literatur und legte mit "Der Hobbit" und "Der Herr der Ringe" zwei der erfolgreichsten Romane des 20. Jahrhunderts vor. Tolkien, Professor für Sprachwissenschaft in Oxford, erschuf in seinem umfangreichen Werk eine komplexe Welt mit eigens konstruierten Sprachen und Mythen. Doch nicht nur Tolkiens philologische Expertise prägte die Fantasiewelt Mittelerde – auch sein großes naturwissenschaftliches Interesse.

Wie viel Astrophysik, Botanik oder Vulkanologie steckt in Tolkiens Geschichten? Ein unterhaltsames neues Buch legt die wissenschaftlichen Wurzeln von Mittelerde frei. Beiträge von mehr als 30 Wissenschafterinnen und Wissenschaftern beleuchten etwa Fragen rund um die Anatomie von Hobbits, die Geologie von Mittelerde oder astronomische Einflüsse und klimatologische Überlegungen des Autors, der einmal das "Fundament von Mittelerde" so charakterisierte: "Das Staunen und die Freude, welche mir die Erde so, wie sie ist, vermittelt – und ganz besonders die Natur." Zum Staunen gibt es auch in "Die Wissenschaft von Mittelerde" zahlreiche Gelegenheiten.

Ein sich verändernder Blick auf die Welt

James Cheshire, Oliver Uberti, "Atlas des Unsichtbaren". € 26,80 / 216 Seiten. Hanser, München 2022
Cover: Hanser

Daten sind die Währung unserer Zeit und sind in ihrer Komplexität doch oft schwer zu begreifen. Hinter Zahlen und Statistiken verbirgt sich allerdings jede Menge Information, etwa darüber, wie Menschen kommunizieren, wie sie wandern und reisen oder auch, was das beste Alter für kreative Höchstleistungen ist. Um die Welt der wissenschaftlichen Daten fassbar zu machen, haben James Cheshire und Oliver Uberti einen anschaulichen wie informativen Atlas der Welt geschaffen.

In zahlreichen Infografiken arbeiten die Autoren allerlei Themen auf, die meist höchste Aktualität besitzen. Auf kreative Weise widmen sie sich dem Klimawandel und der Migrationsgeschichte der Menschheit ebenso wie den Turbulenzen im internationalen Flugverkehr, der (ungleichen) Verteilung der Arbeitslast zwischen den Geschlechtern und der Seelenlage der Menschen rund um den Globus. Dabei zeigen die Autoren auf eindrucksvolle Weise, dass hinter Datenreihen aufschlussreiche Einblicke in die Welt und den Alltag stecken. Passend illustriert, werden diese nicht nur verständlich, sondern auch zu einem optischen Vergnügen.

Klub der Philosophinnen

Rachael Wiseman, Clare Mac Cumhaill, "The Quartet: Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten". € 27,80 / 504 Seiten. C. H. Beck, München 2022
Cover: C. H. Beck

Die beiden Weltkriege hatten neben vielen katastrophalen Auswirkungen auch tiefgreifende Folgen für den Wissenschaftsbetrieb. Für Frauen entpuppten sich die Kriegsjahre aber mitunter paradoxerweise sogar als Chance: Während des Ersten Weltkriegs erlangten etliche Frauen ihre ersten bezahlten akademischen Stellen – da der Großteil der Männer im Krieg war, kamen gut ausgebildete Forscherinnen wie Lise Meitner in Berlin endlich an die Reihe, wissenschaftliche Spitzenpositionen zu besetzen.

Wie sich eine Gruppe weiblicher Philosophinnen während des Zweiten Weltkriegs an der Universität Oxford zusammentat und eigene Wege ergründete, Philosophie zu betreiben, wird in dem Buch "The Quartet" aufgerollt. Elizabeth Amscombe, Philippa Foot, Mary Midgley und Iris Murdoch setzten sich der männlich geprägten Tradition der westlichen Philosophie entgegen und entwickelten ihre eigenen philosophischen Ideen zum Leben, zur Liebe und zur Schönheit.

Das Buch der britischen Philosophinnen Rachael Wiseman und Clare Mac Cumhaill wurde erst kürzlich auf die Shortlist des Österreichischen Wissenschaftsbuches des Jahres des Wissenschaftsministeriums gesetzt.

Welt unter den Wellen

Jess French, Claire McElfatrick, "Die verborgene Welt der Ozeane". € 15,40 / 80 Seiten. DK-Verlag, München 2022
Cover: DK Verlag

Ohne Ozeane gäbe es kein Leben auf unserer Erde. Sie produzieren Sauerstoff, sorgen dafür, dass die Erde nicht zu heiß wird und bieten unzähligen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Unter der Oberfläche tummeln sich faszinierende Wesen – von leuchtenden Tiefseequallen bis hin zu riesigen Blauwalen.

In diesem liebevoll illustrierten Sachbuch für Kinder ab sieben Jahren lernen junge Entdeckerinnen und Entdecker allerlei Meeresbewohner kennen. Kreativ veranschaulicht wird da etwa der Lebenszyklus von Quallen oder die Art und Weise, wie sich verschiedene Tiere durch ihren aquatischen Lebensraum bewegen. Spannende Informationen gibt es darüber hinaus über Kindergärten für Fische und gigantischen Seegras-Wiesen, die man sogar vom Weltraum aus sehen kann.

Anschaulich erklärt werden auch die vielen Funktionen, die unsere Ozeane erfüllen und die sie für uns Menschen unverzichtbar machen. Dabei wird auch erklärt, welche Veränderungen der Klimawandel in den Ozeanen auslöst. Auch der Schutz der Weltmeere wird nicht vergessen, und so gibt es als Abschluss eine Bastelanleitung: Aus einer leeren Plastikflasche entsteht ein hübscher Blumentopf mit Bewässerung. So landet der Müll bestimmt nicht im Meer.

Was Bäume alles können

Elisabeth Etz, Nini Spagl, "Ein Baum kommt selten allein". € 22,– / 152 Seiten. Leykam, Graz/Wien 2022
Cover: Leykam

Bäume sind langweilig und stehen einfach nur im Wald herum? Von wegen! Dieses Lese- und Mitmachbuch, das schon die Kleinsten begeistert, entführt in die aufregende Welt der ältesten Wesen auf unserem Planeten. Obwohl wir ihnen fast überall begegnen, wissen wir erstaunlich wenig über ihr außergewöhnliches Leben. Deshalb stellen die Autorinnen in ihrem Werk ganz besondere Fragen: Worüber reden Bäume, wenn sie alleine sind? Wer tummelt sich auf ihren Stämmen oder im Geäst, und was ist ein Wurzel-Telefon?

Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen werden mithilfe bunter und lustiger Illustrationen anschaulich dargestellt. So erhalten junge Naturfreundinnen und -freunde Einblicke in das ereignisreiche Leben unserer Bäume, die weit mehr sind als bloße Schattenspender. Die Autorinnen zeigen, dass Bäume soziale Wesen sind, die sich um ihren Nachwuchs und um ihre Nachbarn kümmern.

Erklärt werden zudem unterschiedliche Baumarten, die Photosynthese und wie wichtig Bäume in Städten sind. Zwischen den einzelnen Kapiteln bleibt immer wieder Platz zum Malen, Kritzeln und Einkleben von Bildern. Gemeinsam mit weiteren Büchern steht das Werk noch bis 9. Jänner 2023 in der Kategorie "Junior" bei der Wahl zum Wissenschaftsbuch 2023 des Wissenschaftsministeriums zur Auswahl. Die Abstimmung läuft über wissenschaftsbuch.at.

Leben vor unserer Zeit

Thomas Halliday, "Urwelten. Eine Reise durch die ausgestorbenen Ökosysteme der Erdgeschichte". € 28,80 / 512 Seiten. Hanser, München 2022
Cover: Hanser

Es ist eine faszinierende Reise, die man zwar auch auf der Couch sitzend unternehmen kann, die aber dennoch unglaublich weit führt: über alle sieben Kontinente und durch 500 Millionen Jahre Erdgeschichte. Der Paläontologe und Evolutionsbiologe Thomas Halliday veranschaulicht detailreich, dass sich das Antlitz unseres Planeten im Lauf der Zeit unaufhörlich veränderte und mit ihm auch das Leben. "Urwelten" steht auch auf der Longlist des Wissenschaftsbuchs des Jahres des Wissenschaftsministeriums.

Bei der Lektüre reist man zurück in Zeiten, als es kein Mittelmeer gab, als die Antarktis eher den heutigen Tropen denn einer Eislandschaft glich und als die nun so mächtigen Anden kaum 1.000 Meter hoch waren. Doch der Autor beschreibt nicht nur den Wandel von Landschaften, sondern legt anhand vieler Vertreter aus Flora und Fauna dar, wie Arten seit Jahrmillionen wandern, sich behaupten oder verschwinden; wie Ökosysteme entstehen und vergehen. Trotz des immensen zeitlichen und inhaltlichen Bogens, der in dem Buch geschlagen wird, besticht es durch sprachliche Finesse und lässt die längst vergangenen Welten vor dem geistigen Auge neu aufleben. Nicht zuletzt kommt Halliday auch auf die Veränderungen zu sprechen, mit denen wir heute auf der Erde konfrontiert sind.

Die Natur als Vorbild

Melanie Laibl, Lukas Vogl, "Schau wie schlau. Bionik: wenn Natur die Technik beflügelt". € 21,95 / 48 Seiten. Tyrolia, Innsbruck, zweite Auflage 2022
Cover: Tyrolia

Schon immer hat die Natur die Menschen inspiriert und ihnen gute Ideen geliefert. Von Vögeln hat man sich zum Beispiel vieles für den Bau von Flugzeugen abgeschaut. Doch auch Bienen, Glühwürmchen, Haie und sogar Blätter und Blüten haben als Vorbilder für so manche Erfindung gedient. Mit kreativen und oft witzigen Illustrationen können junge Leserinnen und Leser ab neun Jahren die spannende Welt der Bionik kennenlernen.

Sie erfahren, aufgelockert durch die optisch ansprechende grafische Untermalung, welche Tricks und Kniffe aus der Welt der Tiere, der Pflanzen und der Mineralien stammen. Erklärt wird allerdings auch, dass Erfinderinnen und Erfinder nicht nur bei der Natur abkupfern, sondern viele geniale Vorgänge in der Natur als Vorbild nehmen und diese weiterentwicklen.

Dabei zeigt sich auch, dass Entwicklungen keine Einzelleistung sind, sondern dass meist viele kluge Köpfe zusammenarbeiten, um neue Erfindungen auf den Weg zu bringen, sei es in der Medizin, der Architektur oder im Maschinenbau. Der Mensch selbst taucht schließlich auch als bionisches Vorbild auf, etwa bei Prothesen, die bestimmte Körperteile ersetzen können. (Marlene Erhart, David Rennert, Tanja Traxler, 22.12.2022)