Die Unternehmerinnen und Unternehmer sind über den künftigen Kurs Netanjahus nicht erfreut.

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Jerusalem – Dass er jener Hälfte der Israelis, die ihn nicht gewählt hat, verhasst ist, weiß Benjamin Netanjahu sehr gut. Es kann ihm aber egal sein, solange er genügend Stimmen hat, um eine Regierung zu bilden. Dass ihm das gelang, bewies der 73-Jährige am Mittwoch: Er übermittelte dem Staatspräsidenten die Botschaft "Habemus Regierung".

Nächste Woche will Netanjahu seine Koalition mit ultrarechten und streng religiösen Parteien dem Parlament präsentieren, bis 2. Jänner muss sie vereidigt werden. Es besteht kein Zweifel, dass er die Vertrauensabstimmung übersteht, hatte sich der 73-Jährige doch schon vor der Wahl geschickt abgesichert, dass sein Lager geschlossen bleibt.

So unbesorgt Netanjahu diesbezüglich sein kann, so unangenehm sind die neuen Fronten, die sich in diesen Tagen gegen ihn eröffnen. Ausgerechnet der in Israel so bedeutende Hightech-Sektor bezieht nun gegen die neue Regierung Stellung. Rund 100 Prominente aus der Branche haben sich in einem offenen Brief deutlich gegen die Rechtsaußen-Regierung ausgesprochen.

"Schneeballeffekt stoppen"

Die von der Regierung geplanten Demokratieeinschnitte, so befürchten sie, schaden der Wirtschaft, hemmen Investitionen und bremsen die florierende Innovationstätigkeit in dem oft als "Start-up-Nation" bezeichneten Mittelmeerstaat. Nach der Veröffentlichung haben sich rund 100 weitere teils prominente Manager und Ex-Manager dem Appell angeschlossen.

Die Unterzeichnenden appellieren an Netanjahu, "den Schneeballeffekt zu stoppen". Mehr als 50 Prozent der Exporte Israels stammen aus dem Hightech-Sektor. Elf Prozent der Erwerbstätigen sind in der Branche tätig – in keinem Land der Welt ist der Anteil so hoch.

Weniger Rechtssicherheit

Gemessen an der Wirtschaftsleistung fließt in Israel mehr Geld in Forschung und Entwicklung als in allen anderen OECD-Staaten. Doch hier liegt der Haken: Ein hoher Anteil dieser Investitionen stammt aus privater Hand. Die Unterzeichner des Protestbriefs fürchten, dass der Demokratieabbau viele dieser Investoren abschreckt. Die Hightech-Vertreter nennen die geplanten Justizreformen als Beispiel: Die neue Regierung will die Macht des Höchstgerichtes beschneiden. Für Investoren würde das weniger Rechtssicherheit bedeuten.

Der eskalierende Kurs der Rechtsextremen macht zudem eine neuerliche militärische Eskalation wahrscheinlicher. Dazu kommt, dass die neue Regierung zur Hälfte aus Parteien besteht, die einen radikalen antiqueeren Kurs fahren. Auch das könnte Fachkräfte und Financiers aus dem Ausland abhalten, sich niederzulassen. Außerdem gehören der künftigen Regierung mehrere Politiker an, die wegen Korruption oder Steuerhinterziehung angeklagt oder verurteilt sind – kein beruhigendes Signal für Investoren und Unternehmensgründer, die sich einen fairen Wettbewerb erwarten. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 21.12.2022)