Tannenduft breitet sich im Wohnzimmer aus, die Weihnachtskugeln glänzen im Kerzenlicht, und unter dem Baum stapeln sich die Geschenke: Dieser romantische Anblick bietet sich am kommenden Samstag am Heiligen Abend in Millionen Haushalten. Vom Weihnachtsfest ist der Christbaum nicht wegzudenken, in nahezu jedem Haus ist eine geschmückte Tanne zu finden. Nach den Feiertagen verwandelt sich der Baum allerdings langsam vom heilvollen Boten der Weihnachtsfreude zu einem lästigen Hindernis im Wohnzimmer.

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Fängt die Tanne zu nadeln an, landet sie schnell im Müll. Um den 6. Jänner entsorgen die meisten ihren Christbaum.
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Die Nadeln werden trocken, die Kugeln sacken ab, das Grün verblasst. Streift man einen Ast, ist der Boden mit Nadeln übersät. Meist ist es dann um das Bäumchen geschehen: Der Schmuck wird abgeräumt, spätestens dann landet er auf der Straße, damit er von der Stadtverwaltung entsorgt wird. Meist überlebt der Baum keine drei Wochen im Haus.

Kurze Lebensdauer

So ergeht es vielen der rund 2,5 Millionen Christbäume in Österreich, die jährlich aufgestellt werden. Die Überlebensdauer des Baumes hängt oft von den Terminen der Sammelstellen ab, an denen Gemeinden das Totholz abholen und entsorgen. Bereits ab 26. Dezember werden die ersten abgeräumten Bäume auf der Straße gesichtet, meist noch mit einem Hauch von Lametta. Eine goldene Regel, bis wann die Tanne im Haus bleibt, gibt es laut Nora Witzmann vom Volkskundemuseum Wien nicht. Aber: "Es hat sich eingebürgert, dass um die Heiligen Drei Könige entsorgt wird." Somit erlebt der Baum meist nur die ersten Tage des neuen Jahres im warmen Wohnzimmer.

Dass die geschmückte Tanne weit darüber hinaus, bis in den Februar, stehen bleibt, ist eher unüblich. Der Fasching verdrängt Weihnachten, und in den Geschäften beziehen schon die ersten Schoko-Osterhasen Position. Feiert man das christliche Weihnachtsfest traditionell, ist die lange Zweisamkeit mit der Tanne aber gar nicht so abwegig, erklärt Witzmann: "Am 2. Februar endet nach christlichem Glauben zu Mariä Lichtmess die Weihnachtszeit. Erst dann wird traditionell der Baum abgeräumt."

Wandel mit der Zeit

Früher blieb der Christbaum generell länger stehen, die Tradition habe sich laut Witzmann verändert. Die Adventzeit war früher auch Fastenzeit, das anschließende Weihnachtsfest wurde dadurch länger und ausgiebiger gefeiert. Heute sind das Kekserlessen und das Punschtrinken vor Weihnachten kaum mehr wegzudenken. Damit habe sich das Feiern in die Vorweihnachtszeit verlagert, die Lust auf das Fest nehme dadurch im Jänner schneller ab, sagt Witzmann: "Nach den Feiertagen hat man sich langsam an Weihnachten sattgesehen. Dadurch kommt auch der Baum früher aus der Wohnung und bleibt nicht wochenlang stehen."

Ob nun zu Neujahr oder erst im Februar: Ein Christbaum, der nach Meinung vieler gar nicht früh genug entsorgt werden kann, ist jener auf dem Wiener Rathausplatz. Sein Aussehen führte zu hitzigen Debatten. Zur Beruhigung der Baumkritiker wird der Christbaum in der Innenstadt – so wie viele andere auch – in der ersten Jännerwoche gefällt. Die Tanne muss dem Eistraum weichen. Nach der Rodung wird der Baum verwertet, aus dem Holz werden in den Entsorgungsbetrieben Strom und Fernwärme gewonnen.

Am meisten profitieren die Elefanten im Schönbrunner Zoo von der Entsorgung der Tannen. Der Christbaum beim Schloss Schönbrunn wird kommendes Jahr am 10. Jänner gefällt und den Dickhäutern als Gabelfrühstück im Gehege serviert. (Max Stepan, 22.12.2022)