Was Schwangere für sich und die Gesundheit ihres Babys tun können? Unendlich viel Geld ausgeben, so viel steht fest – die Sinnhaftigkeit von Vitaminen und Bachblüten allerdings nicht.

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Sarah sitzt mit geschlossenen Augen auf einer Matte, unter ihrem angewinkelten Arm wölbt sich ihr nackter Babybauch. Die Einrichtung des Hotelzimmers ist in sanften Erdtönen gehalten, sie wirkt wie abgestimmt auf Sarahs Yogakleidung. Sie lächelt. #Babymoon steht unter ihrem Posting, ein Hashtag, mit dem auf Instagram über eine Million Beiträge zu finden sind. Eine letzte Auszeit genießen, bevor die Geburt des Kindes den Alltag auf den Kopf stellt – so das Marketingkonzept des "Babymoons", den Wellnesshotels auch hierzulande als Packages anbieten. Wer auf einer komfortablen Massageliege für Schwangere entspannen möchte, muss allerdings tief in die Tasche greifen.

"Von solchen Dingen erzählen mir Schwangere in unseren Kursen regelmäßig", sagt Kerstin Pirker. Die Familienplanungsberaterin leitet im Frauengesundheitszentrum kostenlose Kurse für Schwangere. "Was ist Pränataldiagnostik?", "Wie ist das mit dem Kinderbetreuungsgeld?", "Was kann ich gegen Übelkeit tun?", "Schwanger und Sex – passt das zusammen?" sind Fragen, die dort gemeinsam mit anderen Kursteilnehmer:innen geklärt werden sollen. Schönheitsbehandlungen oder Fitness speziell für Schwangere, luxuriöse "Babyshowers", die die werdende Mutter feiern – die Angebotspalette wird immer größer, erzählt Kerstin Pirker. Doch abseits einer Eventkultur, die Ereignisse wie eine Schwangerschaft aufwendig und kostspielig zelebriert, gibt es auch Angebote, die Schwangere durchaus verunsichern.

"Gut gemeinte Ernährungsberatung verunsichert zum Beispiel oft. Viele Schwangere trauen sich nicht mehr, eine Pizza essen zu gehen, weil da möglicherweise ein Rohschinken drauf sein könnte", sagt Pirker.

Überflüssige Vitamine

So wie der Markt der Nahrungsergänzungsmittel insgesamt boomt, werden viele Produkte auch gezielt an Schwangere vermarktet. Besonders präsent ist die Marke Femibion des Procter-&-Gamble-Konzerns, auch Gynäkolog:innen würden Schwangeren das Produkt häufig empfehlen, sagt Pirker. Doch müssen Schwangere zu Vitaminpräparaten greifen, um sich und ihr Baby gesund zu halten? "Gesicherte Daten gibt es nur zur Folsäure", sagt Valeria Colleselli-Türtscher, Fachärztin an der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Innsbruck. Folsäure spiele vor allem im frühen Stadium der Schwangerschaft eine entscheidende Rolle. Frauen sollten mit der Einnahme schon dann beginnen, wenn sie versuchen, schwanger zu werden, so Colleselli-Türtscher. Auf Mangelerscheinungen während der Schwangerschaft müssten besonders Menschen achten, die sich vegan ernähren oder gezielt auf bestimmte Lebensmittel verzichten, der Eisenwert wiederum werde regelmäßig im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bestimmt. Sichere Daten, dass darüber hinaus Vitaminpräparate notwendig seien, gebe es aktuell nicht.

Kräuterzigarren und Wehenöle

"Im Laufe der Schwangerschaft kann man sehr viel Geld ausgeben", sagt Susanna Steger, die vor zwei Jahren Mutter wurde. Schon der erste Besuch bei der Gynäkologin überraschte die 35-jährige Wienerin. "Sie meinte, dass ich mich sofort um einen Platz in einem Krankenhaus kümmern muss", erzählt Steger. Zur Auswahl stehen auch teure Privatspitäler, die mit "Wohlfühlambiente" werben und nur wenigen zugänglich sind. Steger belegte einen Yogakurs für Schwangere, nahm ein kostspieliges Vitaminpräparat ein. "Und dann hört man immer wieder von anderen, was sie alles machen, das kann schon verunsichern", sagt Steger. So richten sich inzwischen zahlreiche Onlineshops an Schwangere und junge Mütter, "Belly-Binder", die den Bauch nach der Geburt reduzieren sollen, werden dort ebenso verkauft wie schicke Schwangerenmode und Öle, die Wehen anregen oder aber hemmen sollen.

"Schwangere sind leicht zu verunsichern, sie wollen gerne alles richtig machen", sagt Kerstin Pirker. Als sich Susanna Stegers Baby kurz vor der Geburt noch in der Beckenendlage befand, fühlte sie sich im Krankenhaus und von einer Hebamme dazu gedrängt, möglichst alles zu probieren, um eine vaginale Geburt zu ermöglichen. Denn Babys, die sich vor der Geburt nicht mehr mitdrehen und somit mit dem Kopf nach unten liegen, werden meist mit einem Kaiserschnitt entbunden. Steger nahm eine sogenannte Moxibustion in Anspruch, ein Heilverfahren aus der traditionellen chinesischen Medizin, das Akupunktur mit einer Wärmeanwendung kombiniert. "Sie hat mir eine Kräuterzigarre an den Fuß gehalten, eine zweite hat sie mir mitgegeben", erzählt Steger. Zu Hause behandelte sie ihr Partner weiter, der Erfolg blieb jedoch aus. "Irgendwann habe ich mir gedacht: Was machen wir da eigentlich!", so Steger.

Evidenzbasierte Medizin

Tatsächlich ist das "Moxen" eine weitverbreitete Behandlungsmethode. Eine wissenschaftliche Evidenz dafür fehle jedoch, so Gynäkologin Colleselli-Türtscher. Abseits der Moxibustion finden sich bei einer schnellen Suche im Netz unzählige alternativmedizinische und auch esoterische Behandlungen für Schwangere, die Fehlgeburten verhindern oder schlicht für seelisches Wohlbefinden sorgen sollen. Für Konsument:innen sei es durchaus schwierig, evidenzbasierte Behandlungen von jenen zu unterscheiden, für die es keinerlei wissenschaftliche Belege einer Wirkung gebe, sagt Harald Sitte, Professor für Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien.

Bachblüten-Produkte würden schließlich auch in Apotheken verkauft, Ärzt:innen bieten selbst homöopathische Beratung an. "Wenn mir jemand Engelessenzen verkaufen will, dann kann ich recht einfach verstehen, dass das nicht seriös ist. Bei Vitaminpräparaten schaut es da schon anders aus: Vitamine sind per se lebensnotwendig", sagt Sitte. So spiele gerade die sogenannte orthomolekulare Medizin, die auf Vitamine und Mineralstoffe setzt, in Hinblick auf Schwangere eine große Rolle.

Im wissenschaftsskeptischen Österreich hat Sitte an der Medizinischen Universität ein Wahlfach initiiert, um Studierende gegenüber Esoterik in der Medizin zu sensibilisieren.

Über- und unterversorgt

"Im Grunde sprechen wir hier von der überversorgten Gruppe", sagt indes Kerstin Pirker. Gerade schwangere Migrantinnen wüssten oft nicht ausreichend über die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen Bescheid und würden so Ansprüche auf das Kinderbetreuungsgeld verlieren. Pirker fordert in Österreich eine durchgehende Betreuung durch Hebammen nach deutschem Vorbild. Aber auch Themen wie Karenz, Einkommenseinbußen und Pensionsarmut sollten im Rahme des Mutter-Kind-Passes zur Sprache kommen, so die Beraterin.

Im aktuellen Streit um den Mutter-Kind-Pass, der zum Eltern-Kind-Pass wird, kündigte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ein "großes Update" an. Enthalten solle künftig auch eine psychosoziale Beratung sein – eine sinnvolle Maßnahme, so Pirker. "Seit der Einführung 1974,hat das Vorsorgeprogramm zehntausenden Kindern und auch Müttern in Österreich das Leben gerettet und ein gesundes Leben ermöglicht", twitterte Rauch – mit evidenzbasierten Methoden. (Brigitte Theißl, 10.1.2023)