"Ich verstehe aber die ÖVP trotzdem, weil sie da ein Problem erkennt. Und sie versucht halt auch Lösungen zu finden. Ich meine: Andere Lösungen sind besser." Werner Kogler in der "ZiB 2".

ZiB 2

Man soll sich nicht täuschen in Werner Kogler, das lernte nicht nur Sebastian Kurz 2021 auf dem Weg aus dem Kanzleramt. Nur weil die Kamera den Grünen-Chef nicht so wirklich zu lieben scheint, sollte man ihn auch in der "ZiB 2" nicht unterschätzen.

Kogler verbeugt sich

Während der Signation schon täuscht dieser Werner am Donnerstagabend das Publikum wie Anchorwoman Marie-Claire Zimmermann mit einer Lockerungsübung am "ZiB 2"-Pult: Der Kopf nickt tief nach vorne – ist das nicht exakt jene Übung, die der Juniorpartner in der Koalition oft in Richtung ÖVP vollführt, schweigend oder beschwichtigend?

Na, was wüst?

Als Moderatorin Zimmermann mit "Dasselbe in Grün" Koalitionskonflikte als Beitrag ankündigt und das Kogler-Interview avisiert, hebt der Steirer kurz und sehr ernst den Kopf, als wollte er sagen: "Na, was wüst?" (Na, was willst du?). Dann besinnt er sich der am Vortag 608.000 zuschauenden, zumindest potenziellen Grün-Wählerinnen und entschließt sich doch, den Kopf grüßend zu senken und zu lächeln, links deutlich mehr als rechts, von Kogler aus gesehen.

Der Marathonmann

Kogler ist, das sieht man ihm nicht gleich an, ein rhetorischer Marathonmann. Wenn er sich warmgeredet hat, wirkt sein Gegenüber schon etwas gefordert. Aber erst reagiert er geradezu originell.

"Blicken wir zurück auf die Versprechen von vor drei Jahren", eröffnet Zimmermann und vermisst den gläsernen Staat ebenso wie eine Vorreiterrolle Österreichs im Klimaschutz. Warum ist das so?, würde an der Stelle Sendeplatzkollege Armin Wolf etwas offener fragen, früher hätte er womöglich mit seiner Kollegin strenger formuliert: "Haben Sie sich da zu viel vorgenommen?"

Die Transponenz

Kogler steigt scheinbar angeschlagen, müde vielleicht, in den Ring. "Wir haben mit Sicherheit eines der strengsten Parteienfinanzierungs- und -transponenz – verspricht er sich, muss korrigieren – Transparenzgesetze in Europa."

Kogler führt die Transponenz wie die Transparenz gleich noch wortreich aus, wie man es von ihm erwartet, und in dieser ausführlichen Antwort wird er immer fitter, er verweist, durchaus wertschätzend, auf die Bundesländer, die sich beim Informationsfreiheitsgesetz so schwertun wie manche niederösterreichische ORF-Chefredakteure mit dem Redaktionsstatut.

Was fehlt, ist ein Lückenschluss

"Was fehlt, ist ein Lückenschluss", da bringt Kogler – bezogen auf Transparenz und Antikorruptionsgesetze – schon ganz gut, aber vielleicht unbeabsichtigt, die Wirkmacht der Koalition insgesamt auf den Punkt.

Der Vizekanzler wird noch, naturgemäß, verteidigen müssen, warum Österreich im dritten Jahr der grünen Regierungsbeteiligung keine europäische "Vorreiterrolle" in Sachen Klimaschutz geschafft hat. "Was läuft da falsch?", fragt Zimmermann, anders gefragt: "Warum ist das so?"

Kogler, nun längst auf Touren: "Zunächst einmal – da läuft vieles richtig." Die etwas ausführliche Erklärung finden Sie bei Interesse in der TVthek des ORF als Langfassung oder hier:

ORF

Frontex sagt ...

Jetzt aber das Lieblingsthema des Koalitionspartners ÖVP – Grenzzäune und Migration. Braucht es Zäune?, will Anchorwoman Zimmermann nicht nur einmal wissen.

Kogler: "Da gibt es auch Unterschiede, da ist nicht erwiesen, dass das so viel hilft. Teilweise gibt es die ja, in Bulgarien. Aber Frontex sagt ja selber, dass es wichtiger ist, in andere Grenzüberwachungen zu investieren?"

Aber was sagt Werner Kogler?

Zimmermann: "Aber was sagt Werner Kogler?"

"Ja ich sage das Gleiche, ich orientiere mich an Frontex, das tut mir leid, wenn ich da nicht klar genug war. Zäune helfen hier, wenn überhaupt, nur bedingt oder gar nicht. Wir sehen das ja auch an den Zahlen, zwischen Ungarn und Serbien haben wir das ja auch, da gibt es ja den Zaun, bei Bulgarien auch. In Wahrheit braucht es natürlich gut ausgebildete Menschen, das muss man schon sagen, die diese Überwachung auch durchführen. Es gibt auch andere technische Hilfsmittel. Der Zaun hilft nicht viel. Außerdem ist das nirgends ein europäischer Beschluss. In Wahrheit wird es am Schluss darum gehen, ob das Außengrenzland, in dem Fall vielleicht Bulgarien oder Ungarn, die hatten das selber gewollt, ob die das wollen, und ob sie sich anstellen um eine Finanzierung. Sonst ist das ja nirgends ein Thema. Man muss schon ein bisserl aufpassen: Was generiert Zeitungsüberschriften, und was erzeugt ein Problem?"

"Ich verstehe aber die ÖVP trotzdem"

Aber Kogler zeigt – trotz alledem – Verständnis für den Koalitionspartner: "Da ist mehr in die Arena gerufen, als hier zur Lösung beigetragen wird. Ich verstehe aber die ÖVP trotzdem, weil sie da ein Problem erkennt. Und sie versucht halt auch, Lösungen zu finden. Ich meine: Andere Lösungen sind besser."

"Oder gibt es jetzt auch Punkte, wo Sie sagen: Hu!" (Es könnte auch, vielleicht sogar wahrscheinlicher, ein Puh! gewesen sein oder gar ein Wuh!): Marie-Claire Zimmermann und Werner Kogler in der "ZiB 2"
ZiB 2

Werner hört ein Hu

Zimmermann gelingt nun nach beinahe einer halben Stunde Interview noch ein großer Schulterschluss mit dem Alltag des Publikums: eine Kombination aus unverkennbar genervtem Ton und einem noch verfügbaren Höchstmaß an Höflichkeit in der Formulierung: "Darf ich das jetzt noch kurz aufgreifen für eine Schlussfrage", hebt sie an, und: "Sie verstehen die ÖVP, sagen Sie. Wie gut ist denn das Koalitionsklima – weil voriges Jahr war es ja ziemlich schlecht vor dem Rücktritt von Kanzler Sebastian Kurz. Hat sich das jetzt gebessert, oder gibt es jetzt auch Punkte, wo Sie sagen: Hu!" (Es könnte auch, vielleicht sogar wahrscheinlicher, ein Puh! gewesen sein oder gar ein Wuh!).

Koglers Antwort hat, nach unserem Transkript, 1.125 Zeichen inklusive Leerzeichen, und sie geht über 13 lange Zeilen, spricht von Reformwerken der Koalition knapp vor dem Rücktritt von Sebastian Kurz und Gernot Blümel vor gut einem Jahr. Kurzfassung. "Da gelingt sehr viel."

"Danke schön, Herr Vizekanzler Kogler, für das Gespräch." (fid, 23.12.2022)