"Seht mein Werk, ihr Mächt'gen, und erbebt!" – dies ist die vielleicht bekannteste Zeile aus dem Gedicht "Ozymandias"von Percy Shelley, in dem poetisch darlegt, dass auch große Reiche vergänglich sind. Gemeint ist in seinem Beispiel das antike Ägypten, das rund um 1300 vorchristlicher Zeit unter Ramses II. auf dem Höhepunkt seiner Macht war. Und dessen Name wurde in Griechenland auch mit "Ozymandias" übersetzt.

Diesen Titel hat sich auch die britische Secret Games Company für ihr neuestes Spiel (Windows und Mac OS, ca. 15 Euro) angeeignet. In diesem schwingt sich der Spieler zum Herrscher eines Bronzezeit-Reiches auf und konkurriert mit bis zu neun anderen menschlichen Mitspielern oder computergesteuerten Gegnern um Land und Einfluss.

Das 4X-Game nimmt sich dabei einige Anleihen am Rundenstrategie-Evergreen "Civilization", verspricht aber hohe Zugänglichkeit und die Möglichkeit, mehrere Partien an einem Abend zu spielen, statt sich – wie bei "Civ" und Konsorten oft üblich – mehrere Abende einplanen zu müssen. Ein gerade für die Winterfeiertage verheißungsvolles Versprechen, dem DER STANDARD natürlich auf den Grund gehen musste.

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Gelungenes Tutorial

Vertrautheit mit grundlegenden Mechaniken ist eine Voraussetzung dafür, in Spielen wie diesen erfolgreich sein zu können. "Ozymandias" bietet dazu ein vier Missionen langes Tutorial an, das sich hinter dem Menüpunkt "Story Campaign" verbirgt. Durch dieses führt mit Tipps in Textform die britische Forscherin Gertrude Bell. Hier lernt man, wie man sein Gebiet erweitert, Nahrung generiert, Forschung betreibt und militärisch zu Felde zieht.

An sich ist die Einführung nett gemacht und weitgehend gut erklärt, einzelne Anweisungen sind allerdings – sowohl im englischen Original, als auch der deutschen Übersetzung – etwas missverständlich formuliert. Im vierten Tutorial-Szenario spielt man im Prinzip bereits eine Partie gegen mehrere, auf einfache Schwierigkeit getrimmte Computergegner. Wer mit dem Genre weniger vertraut ist oder zu unvorsichtig vorgeht, kann sich hier aber durchaus eine Niederlage einfangen.

Eine Kampagne gibt es darüber hinaus nicht. Ab diesem Punkt kann man sich entweder im Einzelspielermodus gegen Computergegner behaupten oder online mit anderen Menschen messen. Zur Verfügung standen dazu zum Zeitpunkt des Tests acht Karten, reichend vom Industal bis hin zu ganz Asien und Europa plus Nordafrika. Jede Karte passt auf einen Bildschirm und bringt eine eigene Ansammlung konkurrierender Zivilisationen mit, insgesamt sind es über 50.

Weitere Karten sind bereits in Arbeit. Manche Zusatzinhalte werden kostenlos geliefert, andere können einzeln gekauft oder über einen Season Pass um zehn Euro "vorbestellt" werden.

Screenshot: Ozymandias

Wettstreit um Siegpunkte

Gekämpft wird nicht bloß um militärische Dominanz, sondern um Siegpunkte, die man durch die Erfüllung verschiedener Ziele erreicht. Eines der Elemente dieses Games, die mehr an "Siedler von Catan", denn an "Civ" erinnern. Dabei gibt es zwar auch kriegerische Verdienste, aber ebenso Punkte für kontrollierte Felder, Reichtum oder Bauwerke (dazu später mehr).

Wie viele Siegpunkte zu erreichen sind und welches Ziel wie viele davon wert ist, kann vorher festgelegt werden. Eine Reduktion oder Erhöhung der Wertigkeit eines Ziels zieht aber auch automatisch eine Anpassung der Vorgaben nach sich. So wird etwa die Anzahl der Truppen erhöht oder reduziert, wenn es um Siegpunkte für eine große Armee geht. Komplett abschalten lassen sich die einzelnen Ziele nicht.

Allerdings kann man die notwendigen Siegpunkte auf Null stellen, dann wird im "Domination"-Moduse gespielt. Hier rückt die militärische Komponenten in den Vordergrund, denn es gewinnt der Spieler, der als letztes auf der Karte übrig ist. Hier würde allerdings eine Möglichkeit, einen aufgrund drückender Überlegenheit gesicherten Sieg vorzeitig festzustellen, nicht schaden. Andernfalls ist man darauf angewiesen, dass der Gegner aufgibt, statt das Unvermeidliche in die Länge zu ziehen.

Zivilisatorische Unterschiede

Die einzelnen Reiche bringen in der Regel jeweils unterschiedliche Startressourcen sowie zwei Vorteile und zwei Nachteile mit. Diese schreiben fest, dass für sie bestimmte Technologien teurer oder billiger sind. Eine "militante" Kultur kann günstiger Einheiten kaufen und ihren Einfluss steigern, muss aber mehr Ressourcen in Wissenserwerb investieren. Eine "ökologisch" ausgerichtete Kultur kann ihr Gebiet günstiger erweitern und hat Vorteile bei der Nahrungsproduktion, hat aber höhere Kosten bei der Gründung von Städten und der Kriegsführung. "Bürokraten" wird die Aneignung von Wissen und Reduktion von Verschwendung erleichtert, dafür kostet der Ausbau von Städten und die Erweiterung der eigenen Ländereien mehr Nahrung.

Screenshot: Ozymandias

Diese Boni und Mali wirken sich in unterschiedlichen Phasen des Spieles unterschiedlich stark aus und sollten, neben der Karte selbst, bei der Planung berücksichtigt werden. Jede Zivilisation hat einen fixen Startpunkt auf der Map und beginnt mit einer Stadt. Am angrenzenden Rand des kontrollierten Gebietes lassen sich in jedem Zug bislang unbeherrschte Felder mit Flaggen markieren, was Nahrung kostet. Eine Runde später werden sie Teil des Reiches, sofern nicht auch ein Konkurrent Anspruch erhoben hat.

Wie teuer so ein Anspruch ist, hängt – abseits zivilisationsspezifischer Eigenheiten – von zwei Faktoren ab: der Entfernung zur nächstgelegenen Stadt und der Art des Terrains. Wiesen, Steppe und Flussland lassen sich recht günstig einverleiben. Berge, Wüste, Inselland und Meer verlangen mehr Ressourcen und schwieriger "bewirtschaften". Auf manchen Karten dominieren bestimmte Typen, andere sind ziemlich durchmischt.

Ressourcenmanagement

Für jedes kontrollierte Feld generiert man in jedem Zug Nahrung, Wissen und Reichtum in unterschiedlichem Ausmaß. Auch die Steigerungsmöglichkeiten des Ertrags variieren. Neben diesen drei Ressourcen gibt es noch eine vierte, nämlich Macht. Auf der Karte kommt sie ins Spiel, sobald Konflikte ausgefochten werden, egal ob bei gleichzeitigem Anspruch auf ein noch "neutrales" Feld oder militärischer Gebietserweiterung zuungunsten eines Nachbarn.

Sein Gebiet kann man, genug Raum innerhalb der eigenen Grenzen vorausgesetzt, mit Städten bestücken und diese durch Investition von Nahrung wachsen lassen. Ihr Ertrag in Sachen Reichtum und Wissen lässt sich weiterentwickeln, wie bei Terrain. Auf komplexe Ausbaufunktionen à la "Civilization" haben die Entwickler bewusst verzichtet. Ihr Erhalt schlägt allerdings Runde für Runde ins Essensbudget.

Foto: Secret Games Company

Als zusätzliches Element kann man jede Runde zwischen zwei "Chancenkarten" wählen. Diese spendieren teilweise einfach Hilfe in Form einer kostenlosen Anspruchsflagge für einen Terraintyp, werfen Ressourcen bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben ab, ermöglichen das Kaufen von Machtpunkten für begrenzte Zeit mittels Söldnern oder gar Siegpunkte, wenn man einen großen Batzen Ressourcen anspart, um sich ein großes Kulturgebäude zu kaufen. Gleichzeitig halten kann man aber nur drei dieser Karten. Will man darüber hinaus eine neue, muss man eine der bisher erworbenen abwerfen.

Und schließlich gibt es auch noch ein Budget zur Ressourcenbalancierung, das im Wesentlichen dazu dient, die Nahrungsproduktion zugunsten von Wissen, Reichtum oder zusätzlichen Machtpunkten auf allen eigenen Feldern zu kürzen. Wichtig wird dies besonders ab der Spielmitte, wenn die Expansionsphase zu Ende gegangen ist und der Fokus zu Forschung und Kriegsführung übergeht.

Machtprojektion

Interessant umgesetzt sind Kämpfe, die im Prinzip ein stetiger Abgleich von Machtprojektion auf die jeweiligen Felder sind. Gebaut werden können nur zwei Einheitentypen, nämlich Landarmeen und Schiffsflotten. Am Meer können nur Schiffe eingesetzt werden, am Festland nur Soldaten. Entlang Flussgebieten können sich beide bewegen. Bei der Platzierung sollte man aufpassen, denn die Bewegung der Heere kostet ordentlich Nahrung.

Wieviel Macht man auf einem Feld ausübt, errechnet sich aus der über das Budget erworbenen Basismacht, der technologischen Machtentwicklung für dieses Gelände, die Einwirkung in der Nähe befindlicher Städte und Armeen sowie etwaige Boni, die man über aktivierte Karten erworben hat.

Einheiten können zwar nicht auf fremdes Gebiet verschoben werden, aber strahlt der eigene Einfluss in ihrem Umkreis so in ein benachbartes Gebiet eines Gegners aus, dass man dort einen höheren Wert erzielt, so werden die betroffenen Felder als "bedroht" markiert. Ab dann hat der Konkurrent einen Zug Zeit, darauf zu reagieren. Etwa indem er sein Machtbudget steigert, Städte ausbaut und eigene Einheiten verlegt.

Screenshot: Ozymandias

Allerdings kann man in dieser Zeit auch selbst nachrüsten. Herrscht bei der nächsten Berechnung nicht mindestens Gleichstand, wechselt das Gebiet den Besitzer. Das gilt auch für etwaige, darauf platzierte Städte. Auf dem annektierten Gebiet stehende Militäreinheiten werden hingegen verschoben. Verliert eine Zivilisation ihre letzte Stadt, scheidet sie aus dem Spiel aus. Gelingt es, das Herrschaftsgebiet eines Gegners zu durchtrennen, verlieren Teile, in denen sich keine Stadt befindet, ihre Zuordnung und können von angrenzenden Spielern mittels Anspruchssystem einverleibt werden. Im neuen "Niemandsland" stehende Armeen gelten als vernichtet.

Spielt man allein gegen Computergegner, so kann zwischen sieben Schwierigkeitsgraden gewählt werden. Der lässt die Computergegner ohne Boni oder Mali, also unter "fairen" Bedingungen antreten, wobei anzumerken ist, dass der KI keine Optionskarten zur Verfügung stehen. Leichtere Einstellungen bescheren dem Spieler Bonusressourcen pro Runde, bei schwereren Settings erhalten die künstlichen Mitspieler Spenden in unterschiedlichem Ausmaß. Die Entwickler versprechen, dass die KI in keiner Weise betrügt.

Langfristiges Denken ist Trumpf

Sowohl gegen die KI, insbesondere aber gegen menschliche Kontrahenten, ergeben sich so spannende Spielverläufe, in denen eine kluge, langfristig angelegte Strategie vom Start weg wichtig ist. So mancher früh gemachter Fehler kann sich mit der Zeit bitter rächen, etwa wenn man sich schon früh im Spiel an teuren Grenzkonflikten aufreibt, statt in eine andere Richtung zu expandieren.

Spaß macht die strategische Auseinandersetzung auf jeden Fall. Das indirekte Kriegssystem in Kombination mit einem auch friedlich erreichbaren Sieg sorgt zudem dafür, dass "Ozymandias" längst nicht so freundschafts- und beziehungsgefährdend ist, wie etwa "Risiko".

Wer ohne KI-Gegner, die online ausschließlich im mittleren Schwierigkeitsgrad antreten, spielen möchte, muss eine Karte wählen, deren Anzahl darauf platzierter Reiche der Anzahl der menschlichen Mitspieler entspricht. Denn unbesetzte Zivilisationen werden automatisch vom Computer gesteuert.

Screenshot: Ozymandias

Grundsätzlich gilt, dass eine Partie mit zunehmender Teilnehmerzahl länger dauert. In der Regel dauert es aber höchstens zwei Stunden, bis jemand sich ausreichend Siegpunkte verschafft hat. Auf Maps mit wenigen Reichen ist eine Beendigung auch binnen einer Dreiviertelstunde realistisch. Der "Gastgeber" der Partie kann zudem die Zeit, die man zum Ziehen bekommt, auf eine bis fünf Minuten limitieren. Diese ist ident mit der maximalen Dauer einer Runde, da gleichzeitig gezogen wird.

Wer es gemächlicher angehen will, kann auch Rundenzeiten von einem bis drei Tage wählen. Alternativ (nicht getestet) kann die Spieldauer selbst fix auf eine oder mehrere Stunden begrenzt werden.

Kritik

Es gibt aber auch Raum für Kritik, sowohl an der technischen Umsetzung als auch am Spielerischen. Das Interface bietet ein paar Ärgernisse. Es sieht zwar "nett" aus, ist aber stellenweise nicht sehr übersichtlich. Nervig ist außerdem, dass man keine einzelnen Aktionen rückgängig machen kann, sondern einen Zug immer komplett von vorne beginnen muss. Das kostet insbesondere Zeit und Nerven, wenn man diesen beinahe abgeschlossen hat und sich im letzten Moment wo verklickt, während der Rundentimer sich dem Ende nähert.

Auch gehen fallweise "globale" Beeinflussungsmöglichkeiten ab. Steht ein Konkurrent am anderen Ende der Map kurz vor dem Sieg, hat man ohne gemeinsamer Grenze praktisch keine Möglichkeit, einzugreifen. Somit bleibt nur die Hoffnung, dass seine Nachbarn noch eingreifen, worauf man bei KI-Mitspielern (und manchen menschlichen Kollegen) allerdings nicht bauen kann.

Screenshot: Ozymandias

Ebenso könnten dem Game auch weitere Spielmodi, etwa Teamkämpfe, mehr Vielfalt bescheren. Vermisst wird auch ein Karteneditor, mit dem man andere Regionen nachbauen oder symmetrische Karten für kompetitives Spielen umsetzen könnte.

Hier gibt es, jedenfalls vorläufig, eine frohe Botschaft: Ein solches Projekt wird bereits für kommendes Jahr evaluiert. Die Entwickler, die ihr Game auch recht aktiv selbst zu spielen scheinen und sich oft in Diskussionen auf Steam und ihrem Discord-Kanal einklinken, haben zudem zufallsgenerierte Maps in Aussicht gestellt.

Fazit

Aber auch mit dem aktuellen Umfang garantiert das zu Recht bei Steam und Gog von Nutzern sehr positiv bewertete "Ozymandias" viele Stunden Spaß für alle, die Unterhaltung im Stile von "Civilization" mögen. Für 15 Euro kann man hier nicht viel falsch machen – gerade wenn man einen Strategiesnack sucht, mit man zwischendurch die eine oder andere Stunde füllen kann. Wer auf Nummer sicher gehen will, findet bei Steam und Gog eine kostenlose Demo, um das Game kennenzulernen. (Georg Pichler, 29.12.2022)