Eine Starlink-Empfangsschüssel – hier im Dienste der ukrainischen Armee.

Foto: APA/AFP/YASUYOSHI CHIBA

Die anhaltenden Proteste im Iran gegen die tyrannische Herrschaft des Klerus im Allgemeinen und die Unterdrückung von Frauen im Speziellen zeigt Wirkung. Einerseits gibt es positive Entwicklungen, etwa die angekündigte Auflösung der Religionspolizei. Andererseits gehen die Behörden oft mit Härte gegen Demonstranten vor. Zahlreiche Todesfälle wurden bereits dokumentiert, ein vor Gericht zu Tode verurteilter Aktivist kämpft aktuell gegen das Urteil an.

Dazu versucht man die Online-Organisation und Informationsverbreitung des auch von Mitgliedern der iranischen Diaspora gestützten Protests zu unterbinden. Die Regierung geht gegen VPN-Dienste vor, ermöglicht den Zugriff auf das Netz nur stark gefiltert und lässt Zugangsgeschwindigkeiten drosseln. Das hat ein Produkt zur besonders beliebten Schmuggelware gemacht: Starlink-Terminals.

Zu Fuß durch das Bergland

Starlink ist der Internetdienst des von Elon Musk geführten Weltraum-Techkonzerns Space X. Er ermöglicht in vielen Regionen der Welt relativ unkomplizierten Zugang ins Netz über eine Flotte an kleinen Satelliten. Der Service ist von lokaler Infrastruktur – abgesehen von Stromversorgung – unabhängig und spielt daher aktuell auch eine wichtige Rolle für ukrainische Behörden und die ukrainische Armee. Im Iran ermöglichen die Terminals eine Umgehung der Filter- und Blockademaßnahmen. Dazu hat die US-Regierung auch Exportbeschränkungen gelockert, um VPN-Anbietern und Firmen wie SpaceX den Betrieb im Iran von amerikanischer Seite legal zu ermöglichen.

Iranisch-Amerikanischen Aktivisten gelang es seit Oktober, rund 200 der Stationen ins Land zu bringen, berichtet das Wallstreet Journal. Weitere folgen. Die Pläne dafür schmiedete man bereits kurz nach Ausbruch der Proteste. Es wird hoher Aufwand betrieben, um die Terminals ins Land zu bekommen. Einige wurden etwa in Verpackungen für Haushaltsgeräte wie Kühlschränke oder Mikrowellen umverpackt und teilweise einzeln in Schiffen über den Persischen Golf gebracht.

Andere werden in Autos durch Checkpoints geschmuggelt. Manche Geräte wurden von Hand durch das gebirgige irakisch-iranische Grenzgebiet getragen. Bislang soll nur eine einzige Lieferung es nicht über die Grenze geschafft haben. Billig ist das freilich nicht: Ihren riskanten Service lassen sich die Schmuggler teilweise mit einer Bezahlung entlohnen, die höher liegt, als die 600 Dollar, die für ein Starlink-Terminal fällig sind. Das entspricht (Stand 2020) etwa dem Doppelten des monatlichen Bruttonationaleinkommens pro Kopf.

US-Regierung lockerte Embargo

Einige Unterstützer der Proteste, etwa die Nonprofit-Organisation "United Against Nuclear Iran", sind der Ansicht, dass die Biden-Regierung mehr unternehmen sollte, um die Aktivisten zu unterstützen. Ein Vertreter des Kabinetts verwies auf "mehrere erfolgreiche Maßnahmen", um Demonstranten im Iran Internetzugang zu ermöglichen, erklärte aber auch, dass man nicht den Eindruck erwecken wolle, sich in interne Angelegenheiten des Landes einzumischen. Dort wird von Gegnern der Freiheitsbewegung schon länger das delegitimierende Narrativ verbreitet, dass die Proteste vom Ausland entzündet und gesteuert werden.

Die iranische Regierung scheint nach teilweise chaotischen Zugangsabschaltungen mittlerweile ein Muster für den Umgang mit dem Protest auf digitaler Ebene gefunden zu haben. Drosselungen und Komplettblockaden wurden demnach auf ein Minimum reduziert, weitreichende Zensurmaßnahmen werden aber aufrecht erhalten. (red, 24.12.22)