Die islamistischen Taliban verbannen Frauen in Afghanistan mit Arbeits- und Bildungsverboten aus der Öffentlichkeit.

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In Afghanistan, wo jeder Zweite beziehungsweise rund zwanzig von vierzig Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, könnte diese bald massiv eingeschränkt werden. Das wiederum gefährdet die Existenz von Millionen Menschen. Denn die herrschenden Taliban haben eineinhalb Jahre nach ihrer Machtübernahme eine besorgniserregende Verordnung erlassen: Sie verbietet Frauen, ihrer Arbeit in internationalen Hilfswerken nachzugehen. Ein entsprechendes Schreiben des Wirtschaftsministers ist am Samstag aufgetaucht – nur Tage nachdem Frauen unter Protest aus den Unis verbannt wurden.

Als Grund für das Frauenverbot in NGOs wurden mutmaßliche Verstöße gegen den Verschleierungszwang angegeben. Nicht betroffen von dem Erlass sind UN-Institutionen – sehr wohl aber zahlreiche ihrer Partnerorganisationen.

Verbot erschwert Arbeit

Diese reagierten prompt: Wichtige Hilfswerke, darunter Save the Children, Care International, die Norwegische Flüchtlingshilfe (NRC) und das International Rescue Committee (IRC), kündigten an, ihre Hilfsprogramme einzustellen – mit einer pragmatischen Begründung. "Wir können die bedürftigen Kinder, Frauen und Männer ohne unsere weiblichen Angestellten gar nicht erreichen", hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Beim NRC arbeiten nach eigenen Angaben 468 Frauen in Afghanistan, ein Drittel der Belegschaft. Ähnlich verhält es sich beim IRC, dort sind rund 3000 von 8000 Angestellten weiblich.

NGOs müssen seit der Rückkehr der Taliban im August 2021 einen schwierigen Drahtseilakt bewerkstelligen: zur Gewährleistung benötigter Hilfen mit den Taliban kooperieren, ohne das international nichtanerkannte Regime und seine frauenfeindliche Politik zu legitimieren. Denn entgegen allen Zusagen haben die Taliban die Rechte von Frauen in kürzester Zeit massiv beschnitten und sie aus der Öffentlichkeit verdrängt.

Verbleib von Unicef und WFP ungewiss

Auch der Uno-Generalsekretär António Guterres kritisierte den Erlass scharf. Der Leiter der Uno in Kabul, Ramis Alakbarow, forderte dort am Montag, dass das Arbeitsverbot aufgehoben werde. NRC-Afghanistan-Chef Neil Turner glaubt daran: Das isolierte Land sei auf die Hilfen angewiesen. Bisher weist aber noch nichts darauf hin – im Gegenteil. Der Westen nutze die Hilfen als Vorwand, um sich in interne Angelegenheiten einzumischen, twitterte Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahed am Montag.

Offen ist noch, ob und wie wichtige Uno-Organisationen wie das Kinderhilfswerk Unicef oder das Welternährungsprogramm WFP über ihre Kritik an der Taliban-Verfügung hinaus reagieren.

Der Dachverband der in Afghanistan tätigen Nichtregierungsorganisationen Acbar sprach am Montag von einer "drastischen Maßnahme" und forderte das Wirtschaftsministerium auf, die schriftliche Anordnung zurückzunehmen. Viele der 183 lokalen und internationalen Mitgliedsorganisationen hätten ihre humanitäre Hilfe beendet, ausgesetzt oder reduziert, hieß es in einer Erklärung. Die Mitgliedsorganisationen beschäftigten 55.249 Menschen aus Afghanistan. 28 Prozent, das sind rund 15.500, seien Frauen. Viele der beschäftigten Mitarbeiterinnen unterstützten Frauen und Mädchen, und diese Tätigkeiten müssten von Mitarbeiterinnen der NGOs ausgeführt werden. (Flora Mory, red, APA, 26.12.2022)