Aus der Kunstsammlung Fritz Grünbaums: "Tote Stadt III", Egon Schiele, 1911, Öl auf Holz, Leopold-Museum Wien.

The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei

Raubkunst oder nicht, das ist im Kern, woran sich die Geister im Falle der einstigen Kunstsammlung von Fritz Grünbaum schon seit Jahren scheiden. Wer die Causa hierzulande aufgrund entsprechender Beschlüsse des Kunstrückgabebeirates als erledigt wähnte, sollte sich irren. Die Erben des 1941 im KZ Dachau umgekommenen österreichischen Kabarettisten haben jetzt in New York mehrere Klagen eingereicht. Davon betroffen ist auch die Republik Österreich, die Albertina und das Leopold Museum, wie die Finanzprokuratur auf STANDARD-Anfrage bestätigt.

Die Erben fordern demnach von Österreich die Rückgabe von insgesamt zehn Werken Egon Schieles: dazu gehören ein Aquarell und eine Kreidezeichnung aus der Albertina sowie das Gemälde "Tote Stadt III" und sieben weitere Arbeiten auf Papier aus dem Bestand der Leopold Museums Privatstiftung.

US-Gericht sieht NS-Entzug

Grundlage für ihre Forderung ist ein zuletzt in New York erwirktes Urteil aus einem Rechtsstreit mit einem Kunsthändler aus London um zwei Aquarelle von Egon Schiele. Der zuständige Richter sah den Tatbestand der Entziehung in der NS-Zeit zweifelsfrei gegeben: konkret über eine Vollmacht, die Fritz Grünbaum im Juli 1938 seiner Ehefrau erteilte, womit er die Kontrolle über sein Vermögen verloren habe.

Im Mai 2022 wurde der Kunsthändler vom New Yorker Supreme Court zur Herausgabe der Werke an die Erben nach Fritz Grünbaum sowie zur Bezahlung von Schadenersatz und Zinsen in der Höhe von rund 700.000 US-Dollar verurteilt.

Die amerikanische Justiz wertete die historische Faktenlage damit anders als die österreichischen Provenienzforscher und Kunstrückgabebeiräte, die sich eingehend mit der Herkunftsgeschichte der ehemals in der Sammlung Grünbaum beheimateten Kunstwerke in den Beständen heimischer Museen befassten.

Keine Rückgabeempfehlung

An den Kriterien des Kunstrückgabegesetzes orientiert fanden sie keine Belege für eine Beschlagnahme durch die NS-Behörden oder für nichtige Rechtsgeschäfte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Vielmehr dürfte die ab Herbst 1938 in einer Spedition in Wien eingelagerte Sammlung Grünbaum im Verfügungsbereich der Familie verblieben sein, wie die von 1952 bis 1956 dokumentierten Verkäufe von Grünbaums Schwägerin in der Schweiz nahe legen.

Die zuständigen Kunstrückgabebeiräte sprachen sich deshalb 2010 (Leopold Museum) und 2015 (Albertina) gegen eine Restitution aus. Eine Entscheidung, die von den Erben nach Fritz Grünbaum wiederholt scharf kritisiert wurde. Sie sehen sich als "Opfer einer verfehlten Restitutionspolitik Österreichs", denen "kein anderer Weg" bliebe, "als die Gerichte in den USA anzurufen, um Gerechtigkeit zu erlangen", hatte der österreichische Erbenvertreter Herbert Gruber bereits 2018 angekündigt. Zu aktuellen Klagen will er sich auf Anfrage nicht äußern.

Finanzprokuratur prüft

Die Finanzprokuratur prüft nun im Auftrag des Ministeriums (BMKÖS) die weitere Vorgehensweise. Mehr war aktuell nicht in Erfahrung zu bringen. In den USA gehen die Grünbaum-Erben derzeit auch noch gegen andere Museen vor. Dem Bericht eines amerikanischen Onlinemediums zufolge fordern sie etwa vom Museum of Modern Art (New York) sowie vom Santa Barbara Museum of Art (Kalifornien) die Rückgabe je einer Arbeit auf Papier von Egon Schiele.

Zur monetären Einordnung: Die per US-Gerichtsurteil jüngst vom Londoner Kunsthändler restituierten Schiele-Blätter wurden im November im Auftrag der Erben bei Christie’s versteigert und erzielten umgerechnet rund 487.000 Euro für "Frau mit Schwarzer Schürze" und 2,49 Millionen Euro für "Frau, das Gesicht verbergend". (Olga Kronsteiner, 28.12.2022)