Die Mondrakete Artemis vor ihrem Start 2022 mit ihrem Zielort links daneben. Auch 2023 steht unser Trabant im Zentrum mehrerer Missionen.

APA/AFP/EVA MARIE UZCATEGUI

Was das Wissenschaftsjahr 2023 so alles an Durchbrüchen bringen wird, steht zu einem guten Teil in den Sternen. Denn das Schöne und Spannende an der Grundlagenforschung – und für jene, die darüber schreiben dürfen – besteht nicht zuletzt darin, dass es alles andere als klar ist, was die nächsten großen Entdeckungen sein werden und wem sie in welchem Labor gelingen. Sehr viel genauer sieht dagegen der Blick ins kommende Astronomiejahr aus: Hier wissen Fachleute schon seit Jahrzehnten, dass 2023 für europäische Hobbyastronominnen und -astronomen eher fad werden wird.

Die Höhepunkte hierzulande sind zwei partielle Mondfinsternisse am 5. Mai und am 28. Oktober. Für die beiden totalen Sonnenfinsternisse des Jahres 2023 müssen sich Sternguckerinnen und Sterngucker aus unseren Breiten hingegen auf relativ weite Reisen begeben. Am 20. April sehen Interessierte je nach Beobachtungsort eine ringförmige, totale oder partielle Sonnenfinsternis – und zwar in Australien, Neuseeland, Indonesien und Südostasien. Am 14. Oktober ereignet sich eine ringförmige Sonnenfinsternis vom Westen der USA bis nach Brasilien.

Raumfahrt: Mond und Jupiter

Ebenfalls relativ gut vorhersagbar sind die Raumfahrtaktivitäten des Jahres 2023, auch wenn es hier natürlich immer wieder zu Verschiebungen kommen kann. Im Zentrum etlicher Aktivitäten steht dabei wieder einmal der Mond: Indien will im Juni 2023 die Mission Chandrayaan-3 zu unserem Trabanten starten, die ein Landemodul und einen robotischen Rover zur Erkundung der Oberfläche mitnehmen soll. Russland plant, im Juli 2023 seine Mission Luna 25 zu starten, die ebenfalls eine Sonde auf den Mond bringen soll, um Proben aus der südlichen Polarregion zu sammeln.

Space X wiederum hat vor, den japanischen Milliardär Yusaku Maezawa und acht weitere Passagiere Ende 2023 auf die "Dear Moon"-Reise um den Mond zu schicken. Dies wäre die erste Mission für das Raumschiff Starship, das 100 Personen befördern kann.

Modellstudie des Raumschiffs Starship, nachdem es sich von der Trägerrakete gelöst hat.
Illustration: SpaceX

Wissenschaftlich interessanter ist eine Mission, die von der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) voraussichtlich im April gestartet wird: Sie schickt die Sonde Jupiter Icy Moons Explorer (kurz: Juice) im April 2023 in Richtung Jupiter. Die Sonde wird nach Anzeichen von Leben im Wassereis suchen, das unter der Oberfläche von drei Jupitermonden – Ganymed, Kallisto und Europa – vermutet wird. Bis es erste Resultate geben wird, werden allerdings noch einige Jahre vergehen.

Neue Weltraumteleskope

Aus Protest gegen die russische Invasion in der Ukraine wird die Esa im nächsten Jahr keine russische Rakete mehr verwenden, um etwa ihr Weltraumteleskop Euclid in die Umlaufbahn zu bringen. Sie wird stattdessen eine Space-X-Falcon-9-Rakete verwenden. Ebenfalls ohne großes Risiko vorhersagbar ist, dass uns das James Webb Space Telescope, das größte und leistungsfähigste Weltraumteleskop, auch 2023 neue Einsichten in das Universum und spektakuläre Aufnahmen liefern wird.

Das wird auch vom Vera C. Rubin Observatory in Chile erwartet, dessen erste Bilder im Juli erwartet werden. Das von der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation LSST Corporation betriebene Teleskop kann dank eines großen Bildwinkels den gesamten Südhimmel in nur drei Nächten scannen.

Energiearme Teilchenphysik

Nicht ganz so toll sieht es angesichts der Energiekrise und des hohen Stromverbrauchs für die Teilchenphysik aus. So sollen die Betriebszeiten der Teilchenbeschleuniger an der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) bei Genf (Schweiz) gekürzt werden. Dadurch werden auch weniger Daten für die Suche nach einer Physik jenseits des derzeit gültigen Standardmodells der Elementarteilchenphysik produziert. Genau diesem Ziel hat sich auch das Jiangmen Underground Neutrino Observatory in Südchina verschrieben. Dort werden mit einem 700 Meter unter der Erde befindlichen Detektor ab 2023 Neutrinos präzise vermessen.

mRNA-Impfungen und Crispr-Therapien

Ebenfalls einigermaßen gut absehbar ist, dass es 2023 zu weiteren klinischen Tests von neuen mRNA-Impfstoffen kommen wird, die nicht mehr gegen Covid-19, sondern gegen andere Krankheiten wirken sollen. Das deutsche Pharmaunternehmen Biontech plant nach dem erfolgreichen Einsatz der mRNA-Technologie gegen Covid-19 voraussichtlich Anfang des Jahres erste Versuche am Menschen für mRNA-Impfstoffe gegen Malaria, Tuberkulose und Genitalherpes, wie das Fachblatt "Nature" berichtet. Auch der US-Mitbewerber Moderna hat mRNA-Impfstoffe etwa gegen Gürtelrose in der Testphase.

Das neue Jahr könnte zumindest in den USA auch die erste Zulassung einer auf der Genschere Crispr basierenden Therapie bringen: Nach vielversprechenden Ergebnissen klinischer Studien könnten Stammzellen von Patienten mit der Crispr/Cas9-Technologie verändert werden, um zwei genetische Blutkrankheiten (Beta-Thalassämie und Sichelzellenanämie) zu behandeln.

In Europa will die EU im zweiten Quartal darüber entscheiden, ob diese neue Technologie des sogenannten Genome-Editing (wie eben Crispr/Cas9) weiterhin nach den strengen Regelungen für herkömmliche Gentechnik behandelt oder ob die 2018 von Europäischen Gerichtshof beschlossene Regulierung gelockert werden soll. In dieser Frage sind weitere heftige Lobbyingaktivitäten auf beiden Seiten zu erwarten.

Forschungspolitik in Österreich

In Österreich stehen 2023 vor allem wichtige forschungspolitische Weichenstellungen an: Nachdem die Bundesregierung kurz vor Weihnachten den neuen "Pakt für Forschung, Technologie und Innovation" (FTI-Pakt) für die Jahre 2024 bis 2026 verabschiedet hat, geht es 2023 um die Verteilung der 5,05 Milliarden Euro für diesen Zeitraum.

Folgende Institutionen müssen dafür im neuen Jahr ihre Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen mit den jeweils zuständigen Ressorts verhandeln: Austrian Institute of Technology (AIT), Institute of Science and Technology (IST) Austria, Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Silicon Austria Labs (SAL), Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft (LBG), Geosphere Austria (GSA), Austria Wirtschaftsservice (aws), Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft (CDG), Wissenschaftsfonds (FWF), Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD).

Gelder für exzellente Großprojekte

Spannend wird es für Österreichs Forschungsgemeinde im Zusammenhang mit der Exzellenzinitiative, wo die ersten Entscheidungen für zwei Förderschienen fallen: Am 9. März gibt der Wissenschaftsfonds (FWF) bekannt, welche wissenschaftlichen Konsortien zum "Cluster of Excellence" werden. Elf sind noch im Rennen, eine Jury wird vier bis sechs davon auswählen, die mit jeweils bis zu 70 Millionen Euro für zehn Jahre die mit Abstand höchste Forschungsförderung Österreichs erhalten.

Im Dezember entscheidet sich dann, welche kleinen Forscherteams mit ihren völlig neuen Ideen, die etablierte Denkansätze aufbrechen, im Förderprogramm "Emerging Fields" eine Förderung von bis zu sechs Millionen Euro für fünf Jahre erhalten. Insgesamt stehen dafür 24 Millionen Euro zur Verfügung.

Streichungen und Wissenschaftsskepsis

Während es für die Exzellenzinitiative viel Geld gibt, muss der FWF im neuen Jahr an anderer Stelle sparen. Weil die Förderagentur den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in laufenden FWF-Projekten mehr Mittel für die stark steigenden Lohnkosten zur Verfügung stellen wird, gibt es rund 15 Millionen Euro weniger für die Bewilligung neuer Projekte. Zudem wird das 1.000-Ideen-Programm komplett ausgesetzt.

Mit dem in den vergangenen Jahren virulenter gewordenen Thema der "Wissenschaftsskepsis" beschäftigen sich im kommenden Jahr mehrere Akteure: Im Auftrag des Bildungsministeriums führt etwa das Institut für Höhere Studien (IHS) bis August eine Ursachenstudie zum Thema "Wissenschafts- und Demokratieskepsis" durch. Ein Zwischenbericht soll Anfang des neuen Jahres vorliegen, wie es kürzlich aus dem Ministerium hieß, das für 2023 mehrere Initiativen zur Wissenschafts- und Demokratievermittlung in Aussicht gestellt hat. (Klaus Taschwer, APA, 30.12.2022)