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Mit einer Mehrheit von 62 aus 84 Stimmen nahm der Kongress in El Salvador im Juni 2021 den Vorschlag zur "Bitcoin Law" von Präsident Nayib Bukele an. Knapp vier Monate später konnten Dienstleistungen, Lebensmittel und sogar Steuern dann auch offiziell mittels Bitcoin beglichen werden. Dieses Jahr zog die Republik Zentralafrika (ZAR) nach und erklärte die virtuelle Währung ebenfalls zum offiziellen Zahlungsmittel. Kurz darauf wurde sogar die Einführung einer eigenen Kryptowährung namens Sango Coin bekanntgegeben. Auch in Panama war ein ähnlicher Gesetzesentwurf besprochen worden, mittlerweile liegt das Vorhaben dort jedoch auf Eis.

Dann sollen sie mit Krypto zahlen

Sowohl El Salvador als auch Zentralafrika werden vom Entwicklungsausschuss der OECD als Entwicklungsländer geführt. Diese Tatsache allein besagt zwar nicht, dass in den Ländern keine modernen Zahlungsmittel etabliert werden können. Dennoch lässt sie Rückschlüsse auf die Situation vor Ort zu – und Fragen, wie etwa jene nach der allgemeinen Verfügbarkeit des Zahlungsmittels, aufkommen. Nur etwa zehn Prozent der fünf Millionen Einwohnerinnen der ZAR haben Zugang zu Internet, der absoluten Grundbedingung für die Nutzung von Bitcoins. In El Salvador liegt die Zahl immerhin bei 55 Prozent, für eine landesweite Währung ist dies aber immer noch erstaunlich wenig. Zum Vergleich: 94 Prozent der österreichischen Haushalte haben Internetzugang.

Warum also entscheiden sich genau diese beiden Staaten für die Einführung von Kryptolandeswährungen? Sowohl in El Salvador als auch in Zentralafrika besitzen viele Menschen kein eigenes Bankkonto, Onlinezahlungen sind beliebt. Laut einem Tweet von Präsident Nayib Bukele nutzen mittlerweile jedoch knapp vier Millionen Userinnen die staatliche Krypto-Wallet Chivo – bei einer Bevölkerung von 6,5 Millionen Einwohnerinnen sind das rund 60 Prozent.

Ein Bericht des US-Büros für Wirtschaftsforschung zeigt nun jedoch, dass nach Erhalt des 30-Dollar-Bonus, den Userinnen bei Download der Wallet erhielten, nur knapp 20 Prozent diese weiter nutzten. Über die Anzahl der Userinnen des zentralafrikanischen Sango Coin werden keine Angaben gemacht. Um teilzunehmen, müssen Interessierte jedoch Sango Coin im Mindestwert von 500 US-Dollar erwerben.

Zentralafrikanische Währung mit Kolonialgeschichte

Wenngleich beide Länder Kryptowährung als offizielle Landeswährung eingestuft haben, kann sowohl in El Salvador als auch in Zentralafrika weiterhin mit der Landeswährung bezahlt werden. Dabei ist die in Zentralafrika genutzte Währung in Form des CAF-Franc BEAC (Franc de la Coopération Financière en Afrique Centrale) nicht unumstritten – und ein Mitgrund für die Etablierung der Kryptowährung.

Der CAF-Franc war 1945 als Sammelwährung der von Frankreich besetzten Gebiete geschaffen worden. Die Abkürzung stand damals für "Colonies françaises d'Afrique", steht mittlerweile aber für die afrikanische Finanzgemeinschaft. Heute ist der CAF Zahlungsmittel in Äquatorialguinea, Gabun, Kamerun, der Republik Kongo, dem Tschad und der ZAR. Wegen ihres kolonialen Ursprungs ist die Gemeinschaftswährung jedoch nach wie vor umstritten. Der zentralafrikanische Präsident Faustin-Archange Touadera betonte wiederholt die Wichtigkeit von Krypto als Alternative zum CAF-Franc.

Staatsbürgerschaft gegen Kryptowährung

Die Einführung des Sango Coin wurde mit diversen Benefits für Käuferinnen angepriesen, die durchaus fraglich erscheinen. Wer etwa 10.000 US-Dollar an Sango Coin für zehn Jahre anlegen wollte, konnte dadurch 250 Quadratmeter Grund in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui samt 1:1-Repräsentation im Metaverse erwerben. Für Investments in der Höhe von 60.000 US-Dollar konnte man die zentralafrikanische Staatsbürgerschaft inklusive eines Passes erwerben.

Zwar hatte das Verfassungsgericht in der Hauptstadt Bangui den Erwerb der als "e-citizenship" angepriesenen Staatsbürgerinnenschaft als unrechtmäßig erklärt. Auf der offiziellen Website des Sango Coin heißt es jedoch weiterhin, dass "die Staatsbürgerschaft der Zentralafrikanischen Republik durch den Einsatz einer Sicherheit von Sango Coins im Wert von 60.000 USD über den Zeitraum von fünf Jahren" erworben werden kann.

Bisher wurden nach Berechnungen von Reuters erst rund 1,6 Millionen Dollar an Sango Coins verkauft. Damit sind nur knapp acht Prozent des ersten und 0,01 Prozent des zweiten Umsatzziels erreicht worden. Pläne, nach denen die Währung an offiziellen Kryptobörsen zum Handel angeboten werden sollte, wurden bisher mit Verweis auf die derzeitige Marktsituation mehrfach verschoben.

Unbeirrte Kryptomanie

Weder in Zentralafrika noch in El Salvador läuft der Krypto-Rubel also so richtig rund. Das hält den salvadorianischen Präsidenten Bukele jedoch nicht davon ab, weiter auf Bitcoin-Shoppingtour zu gehen, er treibt die Kryptoisierung seines Landes indes weiter voran. Dabei hält sich der 41-Jährige, der sich in seinem Twitter-Profil einige Zeit als "coolster Diktator der Welt" beschrieb, betont bedeckt bezüglich der Gesamtsumme an Steuergeldern, die bisher für den Kauf von Bitcoins aufgewandt wurde. Auf Basis seiner öffentlichen Äußerungen, die Bukele vorwiegend auf Twitter tätigt, soll sich die Höhe der bisherigen Aufwendungen auf mehr als 108 Millionen US-Dollar belaufen. Die nach dem Präsidenten benannte Website Nayibtracker.com berechnet den derzeitigen Gegenwert auf (gerade einmal) 41 Millionen US-Dollar.

Im Mai kündigte Bukele zudem an, eine eigene "Bitcoin City" für Anlegerinnen und Kryptofans bauen zu wollen. Die Stadt soll gänzlich auf der Nutzung von Bitcoin basieren und in Conchagua angesiedelt werden. Offenbar sollen dadurch Investorinnen und Hightech-Unternehmen angelockt werden. Auch in Bangui, der Hauptstadt von Zentralafrika, soll ein Wohngebiet mit dem Namen "Crypto City" entstehen, Details zur Umsetzung stehen bisher aus.

Kritik seitens des IWF

Euro und Dollar unterliegen der Kontrolle der Europäischen Zentralbank und der US-Notenbank Fed. Da Kryptowährungen nicht über eine derartige Kontrollinstanz verfügen, sind sie deutlich anfälliger für Kursschwankungen. Die mangelnde Regulierbarkeit von Bitcoins und sogenannter Altcoins (alternativer Coins) sorgt immer wieder für massive Kritik.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) beanstandete den salvadorianischen Beschluss als risikoreich. Konsumentinnen würden nicht ausreichend geschützt, außerdem mangele es dem Bitcoin an finanzieller Stabilität. Von der Nutzung als Landeswährung riet der IWF daher explizit ab. In Bezug auf den afrikanischen Markt fiel die Kritik ähnlich aus. Afrika gilt als einer der am schnellsten wachsenden Kryptomärkte der Welt. Besonders in Kenia, Nigeria und Südafrika sei die kommerzielle Nutzung von Kryptowährungen bereits etabliert. Dennoch seien auch hier die hohe Volatilität der Währung sowie die mögliche Nutzung für den illegalen Werttransfer Grund zur Sorge. Hinzu kommen Unklarheiten hinsichtlich der Besteuerung und die Frage danach, wie der Geldwäsche mittels Kryptowährungen vorgebeugt werden kann. China hatte virtuelle Währungen unter anderem deshalb bereits 2021 gänzlich verboten. (Johanna Pauls, 30.12.2022)