Henry Cavill ist ein "Warhammer"-Fan. Privat hat er eine Armee der Adeptus Custodes, der Leibwache des Imperators.

Henry Cavill hat nach seinem Ausstieg bei "The Witcher" und dem eher unsanften Ende seiner Karriere als Superman einen neuen Job: Gemeinsam mit Amazon tüftelt der Brite an einer Lösung, wie man das Universum von "Warhammer 40.000" für den Massenmarkt in Serien und Filmen darstellen kann. Allzu viel ist noch nicht bekannt, und das Projekt steckt noch in einer sehr frühen Konzeptphase, aber eines ist klar: Die "Warhammer"-Fans lieben Henry Cavill, weil er einer von ihnen ist.

Cavill, der Gott der Nerds

Der 39-Jährige ist bekennender Nerd, bemalt seine eigenen Miniaturen und fiel in der Vergangenheit immer wieder mit Anspielungen auf sein Lieblingshobby auf. Letztere gingen oft an der breiten Masse vorbei, aber in einschlägigen Foren wurde Cavill wie ein Held gefeiert. Die Fans sind jedenfalls guter Dinge, auch wenn ein wenig vom "Versaut das bloß nicht"-Vibe zu spüren ist. Doch was zum Nurgledämon ist "Warhammer 40.000" überhaupt? Wir erklären das Science-Fiction-Setting, bevor es Henry Cavill tut.

"Warhammer 40.000" oder "WH40K" oder nur "40K" ist ursprünglich ein Tabletop-Miniaturenspiel. Jeder Spieler kontrolliert dabei eine aus Figuren bestehende Armee. Das Ziel ist nicht unbedingt, den Gegner zu eliminieren – obwohl es dazu oft zwangsläufig kommt –, sondern Punkte zu machen, indem man etwa Bereiche auf dem Spielfeld mit seinen Figuren einnimmt. Die einzelnen Figuren werden liebevoll individuell bemalt, und für viele Fans ist das Bemalen mindestens ebenso wichtig wie das Spiel an sich. Aber viel wichtiger für die kommende Serie im 40K-Universum ist natürlich das Setting. Und das könnte auf Neulinge verstörend wirken.

Die Menschheit vor dem Untergang

Vorneweg: "Warhammer 40.000" ist ein extrem komplexes Universum, und die Geschichte der gesamten Galaxie entwickelt sich immer weiter. Seit 1987 wird die Geschichte in Regel- und Armeebüchern sowie hunderten Romanen erzählt, und nur sehr wenige Fans dürften sich in allen Aspekten der Geschichte auskennen.

Szenen eines typischen "Warhammer"-Turniers.
Foto: Games Workshop

Der nun folgende stark verkürzte Abriss des Hintergrundes könnte Spuren von Häresie enthalten: Die Menschheit hat sich von Terra, also dem Planeten Erde aus über die gesamte Galaxie ausgebreitet, weil sie die Kunst der Reise durch den Warp, eine Art Zwischenwelt, erlernt hat. Die Zivilisation blühte in Frieden und Wohlstand auf, doch etwa um das 25. Millennium herum war damit Schluss. Warpstürme machten interstellare Reisen unmöglich, ein Aufstand von KI-getriebenen Maschinen brachte die Menschheit an den Rand der Auslöschung, und als wäre das nicht genug, wurde auch noch der schreckliche Chaosgott Slaanesh geboren. Die von Menschen besiedelten Planeten wurden isoliert, und manche ihrer Bewohner lernten die Kraft des Warp für sich zu nutzen und wurden zu sogenannten Psykern, welche man am ehesten mit Zauberern vergleichen kann.

Der Gottimperator und der verlorene Sohn

Auftritt: der Imperator der Menschheit, der es sich zur Mission gemacht hat, die verlorengegangenen Welten zurückzuerobern. Dafür schuf er die genetisch modifizierten Supersoldaten, die ikonischen Space Marines. Doch der Sohn des Imperators, Horus, erlag den Einflüsterungen des Chaos und zettelte eine Revolte gegen den Herrn Papa an, als dieser die anderen Chaosgötter auf Terra bekämpfte. Am Ende erschlug der Imperator Horus, wurde aber selbst im Kampf mit seinem Sohn tödlich verwundet.

Im Arsenal der Menschheit befinden sich riesige Kriegsmaschinen, die Titans.
Foto: Games Workshop

Seit 10.000 Jahren verwest der Herrscher der Menschheit auf seinem goldenen Thron. Aber etwas lebt in ihm weiter: Der Imperator sendet immer noch sein Licht in den Warp, und nur damit ist es der Menschheit möglich, ihre Raumschiffe zu navigieren. Stirbt der Imperator endgültig, ist auch mit interstellaren Reisen Schluss und die Menschheit dem Untergang geweiht. Deshalb werden dem mittlerweile als Gottheit verehrten Anführer zehntausende Psyker pro Tag geopfert, um sein schwaches Leuchten zu erhalten.

Stetiger Abstieg

Mit dem Tod des Imperators ging es auch mit der Menschheit bergab. Sie wurde zu einem totalitär-faschistischen Kirchenstaat, in dem das Wohl des Einzelnen keine Rolle spielt. Die Menschheit hat verlernt, neue Technologien zu entwickeln – nur der Glaube an den Imperator zählt. Die Bürger des Imperiums leben zusammengepfercht in kilometerhohen Makropolen, die an Bienenschwärme erinnern. Dort schuften sie in den Manufaktorien, um die Werkzeuge für die ewigen Kriege der Menschheit zu produzieren.

Denn an allen Ecken des Imperiums droht der Untergang: Die Aeldari, am besten vergleichbar mit raumfahrenden Elfen, Orks, die roboterhaften Necrons, die fischartigen T’au und die alles verschlingenden Tyraniden dringen ins Territorium der Menschen vor. Gleichzeitig haben die Chaosgötter Slaanesh, Nurgle, Khorne und Tzeentch die Herrschaft über den Warp übernommen und versuchen von dort aus schwache Geister auf ihre Seite zu ziehen. Kurz: Es herrscht ständiger und nie enden wollender Krieg. Der Menschheit ist klar, dass sie untergeht, und sie kämpft nicht für eine bessere Zukunft, sondern ist nur getrieben von Hass auf alles Andersartige, seien es Ketzer, Mutanten oder Aliens.

Eine typische Szene aus der Unterstadt.
Foto: Games Workshop

In der fernen Zukunft herrscht nichts als Krieg

Diese Horrorvision einer Zukunft hat es mittlerweile zu einem eigenen Subgenre namens "Grimdark" gebracht. Dieser Begriff stammt von dem Satz "In the grim darkness of the far future there is only war", mit dem traditionell sämtliche "Warhammer 40.000"-Publikationen beginnen. Damit wollte man sich beim Hersteller Games Workshop auch von dem zweiten großen Universum aus dem eigenen Haus, "Warhammer Fantasy", abgrenzen, das eher einem Tolkien’schen Setting entspricht und von Rittern in strahlenden Rüstungen handelt. Anders als die "Sternenflotte" in "Star Trek" oder die Rebellen in "Star Wars" sucht man nämlich eine gute Fraktion im Universum von "Warhammer 40.000" vergeblich. Die Helden kommen hier nicht auf einem weißen Ross daher und bringen Moral und Anstand in die Welt, sondern sind amoralische Zyniker mit Bolter und Kettenschwert.

Schwarzer und schräger Humor

Wer jetzt befürchtet, die Filme und Serien könnten zu grausam und deprimierend werden, kann sich vielleicht mit der Tatsache trösten, dass im "Warhammer 40.000"-Universum auch viel schwarzer Humor steckt. Die Hintergrundgeschichte der ersten Editionen konnte man sogar als eine waschechte Parodie auf allerlei Sci-Fi-Klischees verstehen. Die Kirche der Menschheit, die Ekklesiarchie, ist eine bis ins Absurde überzeichnete Form eines radikalen Katholizismus, und die Bürokratie des Menschenreichs ufert ins Komische aus. Die Miniaturabbilder des Chaosgottes Nurgle sind dauergrinsende, fröhliche kleine Seuchenschleudern, während Orks permanent nach "More Dakka", also mehr Feuerkraft, schreien. Ein Begriff, der es mittlerweile in den Mainstream geschafft hat.

Ein Cosplayer in einer Rüstung der Verräterlegionen.
Foto: BENJAMIN WESTHOFF, Reuters

Die ikonischen Ultramarines verdanken ihren Namen einzig der Tatsache, dass ihre Rüstungen blau sind. Der beste Soldat der Menschheit ist Sly Marbo, für Sylvester "Sly" Stallone und Rambo, sieht aber aus wie Arnold Schwarzenegger. Der zweite von den Tyraniden verschlungene Planet trägt den Namen Prandium – was lateinisch für verspätetes Frühstück steht. Außerdem erscheint einmal in der Woche der "Regimental Standard", die fiktive Truppenzeitung der imperialen Armee. Deren Inhalt sind meist absurde Überlebenstipps, etwa wie man erkennt, ob ein Kamerad nicht in Wahrheit ein getarnter Ork ist.

Gut gestohlen ist halb gewonnen

Games Workshop bediente sich konzeptuell an bestehenden Science-Fiction- und Fantasy-Franchises. Man könnte auch so weit gehen, das ganze Universum als geschickt zusammengeklaut zu bezeichnen. Der Begriff "Warp" ist dabei die offensichtlichste Leihgabe aus dem "Star Trek"-Universum. So sind die grobschlächtigen Orks von englischen Fußballhooligans inspiriert, inklusive deren Schlachtgesänge. Die Necrons wiederum sind ganz klar aus der "Terminator"-Filmreihe entnommen, während Rassen wie die Squats genannten Zwerge auch direkt aus einem Tolkien-Roman stammen könnten.

Die mysteriösen Spacekommunisten der T’au stellen mit ihren riesigen Kampfanzügen eine Reminiszenz an das japanische Gundam-Universum dar. Und beim Anblick eines Tyraniden-Modells muss man unweigerlich an die Xenomorphs aus den "Alien"-Filmen denken. Games Workshop ging sogar so weit, Major George Dillon aus "Predator", freilich unter anderem Namen, als Miniatur zu veröffentlichen. Und auch wenn es "Warhammer"-Fans nicht gerne hören, stehen Psyker für nichts anderes als Sith oder Jedi-Ritter aus "Star Wars". Dazu kommen noch Einflüsse des populären "Pen and Paper" Rollenspiels "Dungeons und Dragons".

Die Erfinder sprenkelten noch ein wenig aktuelle Gesellschaftskritik drüber, und fertig war die dunkle Zukunft des 41. Millenniums. Und besonders wichtig: Alles musste größer, absurder und überzeichneter sein als je dagewesen. "40K" ist dystopische Sci-Fi auf Steroiden.

Dennoch stecken auch philosophische Fragen tief im Setting verwurzelt: Wie weit kann und darf Glauben gehen? Wie grausam kann die Menschheit werden, bis sie es nicht mehr wert ist, für sie zu kämpfen? Vielleicht schaffen es ja Henry Cavill und Amazon, diese Fragen zu beantworten.

Luetin09 erzählt die Geschichte des Imperators.
Luetin09

Was es am Ende wohl wird?

Bei hunderten Büchern und einer ständig fortgeschriebenen Geschichte ist es natürlich eine Herausforderung für Cavill und Amazon, den richtigen Stoff auszuwählen. Den kompletten Bruderkrieg und Horus' Rebellion gegen den Vater, die Horus Heresy, nachzuerzählen wird in Film oder Serienformat aufgrund der epischen Breite kaum gelingen.

Als wahrscheinlicher gilt, dass sich die Filmemacher auf ein zeitlich und räumlich begrenztes Ausgangsmaterial stürzen, wie etwa die Geschichte des legendären Inquisitors Gregor Eisenhorn – der würde sich auch optisch hervorragend von Henry Cavill verkörpern lassen. Außerdem kommt der Stoff über Eisenhorn bei den Fans gut an und wäre auch für die Masse der Zuschauer zugänglicher als philosophische Debatten über den Codex Astartes in einer Ordensfestung der Space Marines.

Gregor Eisenhorn: Ob Henry Cavill den legendären Inquisitor verkörpert?
Foto: Games Workshop

Bewusste Lücken in der Erzählung

Einen Vorteil hat Cavill aber: Games Workshop hat im Hintergrund von "40K" bewusst große Lücken gelassen. Nicht jeder Planet ist ausgearbeitet, nicht jeder Sektor erkundet, und nicht jedes Chapter der Space Marines ist bekannt. Das sollte eigentlich den Spielerinnen und Spielern des Tabletops ermöglichen, ihre Armeen zu individualisieren und sich Hintergrundgeschichten für diese auszudenken. Eine Armee aus wütenden Space Marines in rosa Rüstung mit grünen Tupfen drauf? Kein Problem. Eine Einheit der imperialen Armee, die auf genetisch modifizierten Kampfmaulwürfen in die Schlacht reitet? Go for it. Ein Orkstamm, dessen Mitglieder sich für Piraten halten und mit Augenklappen, Holzbeinen und Papageien andere Planeten überfallen? Gibt es schon. Der Fantasie sind also keine Grenzen gesetzt.

Wie die Filme und Serien über "Warhammer 40K" letztlich aussehen werden, ist noch völlig unklar, ebenso wie die Frage, ob das Franchise den großen, aber schwächelnden Konkurrenten "Star Trek" und "Star Wars" den Rang ablaufen kann. Glaubt man den eingefleischten Fans, dann ist dieser Kampf schon entschieden, bevor er begonnen hat, denn nur "40K" bietet derartig viel Stoff für einzigartige Geschichten. Wie auch immer die Serien und Filme aussehen werden, eines dürfte fix sein: Auch sie werden mit dem Satz "In the grim darkness of the far future there is only war" beginnen. (Peter Zellinger, 29.12.2022)