Teure Reisen zu den Traumständen dieser Erde, das neueste iPhone, Luxusuhren und Luxusautos, in den sozialen Netzwerken zeigt Russlands Elite gern und ausführlich, was man erreicht hat im Leben. Da machen auch die Volksvertreter der regionalen und nationalen Parlamente keine Ausnahme. Zumindest für die Abgeordneten der Kreml-Partei Geeintes Russland soll damit jetzt Schluss sein. Natürlich nicht mit den Reisen, Uhren und Autos. Sondern mit der Protzerei im Netz.

Die Putin-Partei hat jetzt Verhaltensregeln für ihre Abgeordneten erlassen. Das Onlinemedium "RBC" dokumentiert die elf Punkte. Darin heißt es: "Posten Sie keine Luxusartikel, exotischen Reisen und Restaurants in Ihren sozialen Medien, alles, was in den Augen der Öffentlichkeit das Bild von Ihnen als 'privilegierte Klasse' erwecken könnte." Und weiter: "Schreiben Sie grundsätzlich nicht in sozialen Netzwerken in einem unzureichenden körperlichen und geistigen Zustand."

Wenn schon Trüffeln, dann bitte ohne dazugehörigen Social-Media-Post, heißt es zukünftig für die Abgeordneten von Einiges Russland.
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Öffentlich zur Schau gestellter Luxus kommt offensichtlich nicht gut an inmitten einer militärischen "Spezialoperation", die selbst Russlands Präsident Wladimir Putin nunmehr öffentlich als "Krieg" bezeichnet hat. Gestiegene Lebensmittelpreise, Inflation, Erfolge und Misserfolge in der Ukraine, Ausrüstungsmängel bei den mobilisierten Reservisten: Das sind die Themen, die die Russen bewegen, über die im Netz diskutiert wird.

Bescheidenes Silvester

Auch die Silvesterfeiern, traditionell in Russland geprägt von Luxus und ausgedehnten Festivitäten, werden in diesem Jahr viel bescheidener ausfallen. Ein Drittel der russischen Regionen will auf größere Festveranstaltungen verzichten. Das gesparte Geld soll in die Ausrüstung der Soldaten fließen und ihren Familien zugutekommen, berichtet die Zeitung "Kommersant". "Feuerwerk, Konzertprogramme mit berühmten Künstlern, Massenfeiern – all das ist unangemessen, und wir sagen dies definitiv ab", zitiert die Zeitung Michail Wedernikow, den Gouverneur der Region Pskow. "Jetzt ist nicht die Zeit für große Feiern", sagt er, denn "die Lage ist nicht einfach, sowohl an der Front als auch in der Wirtschaft".

Geht's nicht auch eine Nummer kleiner, während die Landsleute in der Ukraine sterben?, fragt sich Putin.
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Sogar Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, die in der Ukraine an vorderster Front kämpft, kritisierte vor einigen Tagen in einem Fernsehinterview das mangelnde Engagement und das Luxusleben der Oligarchen und Reichen. "Ihnen gefällt der Komfort. Sie wollen alle am Abend in ein warmes Schwimmbecken abtauchen und sich vergnügen", sagte Prigoschin dem russischen Staatsender RT.

Kein Fluchen, keine Zweideutigkeit

Öffentliche Zurückhaltung scheint das Gebot der Stunde. Daran sollen sich jetzt auch die Abgeordneten der Kreml-Partei halten. "Erfüllen Sie die elementaren Anforderungen der Sprachkultur, verwenden Sie keine obszönen Vokabeln und Jargons, die zweifach interpretiert werden können", heißt es in den Verhaltensregeln. Lieber einmal zu wenig als einmal zu viel posten: "Beeilen Sie sich nicht, in Ihren eigenen sozialen Netzwerken und Kommentaren für die Medien zu reagieren: Die Medienvorteile, ‚der Erste zu sein‘, können sich in eine Aussage ‚Ich habe mich geirrt‘ verwandeln. Kontrollieren Sie Ihre Emotionen und Reaktionen, insbesondere bei Diskussionen in sozialen Netzwerken und Provokationen."

Zurückhaltung ist auch bei politischen Äußerungen angesagt. Vor allem in heiklen außenpolitischen Fragen solle man die "offiziellen Stellungnahme des Außenministeriums" abwarten. "Nachfolgende Kommentare sollten der offiziellen Position des Staates nicht widersprechen." Die neuen Verhaltensregeln enthalten laut "RBC" auch Negativbeispiele, Äußerungen, die man unbedingt vermeiden sollte. Etwa den Post eines Abgeordneten, der sich für die "Abhaltung eines Referendums in Kasachstan über die Wiedervereinigung der Republik mit der historischen Heimat Russland" ausspricht. Oder einen anderen Post, veröffentlicht während der Unruhen in Kasachstan im Jänner, in dem ein Abgeordneter zu Gewalt aufruft.

Fazit der neuen Anweisung für die Abgeordneten: "Denken Sie immer daran, dass Ihre persönliche Meinung jetzt die Meinung der gesamten Regierung und der gesamten Partei ist." (Jo Angerer aus Moskau, 30.12.2022)