Qin Gang auf einem Archivbild aus dem Herbst 2021.

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Qin Gang wird neuer Außenminister Chinas. Dies vermeldeten staatliche Radiosender am Freitag. Qin war zuvor Chinas Botschafter in Washington gewesen. Das Amt hatte der 56-Jährige erst im Juli 2021 angetreten. Zuvor war er drei Jahre lang stellvertretender Außenminister unter Wang Yi gewesen. Von 2014 und 2018 war er Protokollchef von Präsident Xi Jinping, er gilt als enger Vertrauter des Staatschefs.

Wang Yi hatte fast zehn Jahre die Außenpolitik Chinas und damit die von Xi Jinping geprägt. Seit 2013 war der heute 69-Jährige im Amt. In dieser Zeit war China außenpolitisch selbstbewusster und aggressiver aufgetreten. Das begann zunächst im Südchinesischen Meer, wo Peking mehrere Inselgruppen für sich beansprucht. Peking schuf dort vollendete Tatsachen, indem es auf den unbewohnten Inseln Fluglandeplätze und andere militärische Einrichtungen bauen ließ.

Schuldenfallendiplomatie

In Wangs Amtszeit fällt auch das wahrscheinlich prägendste außenpolitische Projekt Xi Jinpings: die Neue Seidenstraße oder auch Belt-&-Road-Initiative genannt. Seit 2013 investiert Peking zunehmend in Infrastrukturprojekte, meist in Schwellenländern. So vergibt die Volksrepublik Milliardenkredite für Flughäfen und Zugstrecken, die dann wiederum chinesische Unternehmen vor Ort bauen. Weil dies immer öfter zu einer hohen Schuldenlast in den betroffenen Staaten führt und sich die Projekte nicht selten als unrentabel herausstellen, spricht man auch von einer "Schuldenfallendiplomatie".

Vor allem aber hat sich in Wangs Amtszeit der Konflikt mit den USA zugespitzt. Die Schuld daran trägt nicht Peking allein. Mit Amtsantritt Donald Trumps wurde die US-Außenpolitik gegenüber China aggressiver. Es kam zu Handelsstreitigkeiten, Strafzöllen, und zuletzt erließ die Biden-Administration ein Chip-Embargo, das Peking empfindlich treffen dürfte. Auch der Konflikt um Taiwan hat sich zugespitzt. Zuletzt war es im August fast zu einer militärischen Eskalation gekommen. Nachdem die damalige Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die Insel besucht hatte, ließ Peking umfangreiche Militärmanöver in der Region abhalten.

Die Erfahrungen im Umgang mit den USA, die der 56-Jährige mitbringt, könnten helfen, das Verhältnis wieder etwas zu entspannen. Qin Gang galt in seiner Anfangszeit als einer der diplomatischen "Wolfskrieger", die durchaus auch zu ruppigeren Tönen greifen. Zuletzt hatte er sich aber von einer eher kompromissbetonten Seite gezeigt. Mehrfach trat er bei Spielen von NBA-Teams auf und warf den symbolischen ersten Korb. In einem kürzlich veröffentlichten Essay in der US-Zeitschrift "The National Interest" argumentierte er für Kooperation zwischen China und den USA, die kein Nullsummenspiel, sondern beiderseitige Vorteile ergebe.

Fast zehn Jahre im Amt

Wang Yis Abberufung kommt zwar zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt, da die meisten Personalentscheidungen rund um den Parteikongress im vergangenen Oktober verkündet wurden. Dass Wang nach knapp zehn Jahren geht, ist aber nicht außergewöhnlich. Eher schon die Tatsache, dass er so lange im Amt war: Sein Vorgänger Yang Jiechi brachte es auf fünf Jahre und dessen Vorgänger Li Zhaoxing auf vier Jahre.

Wang soll außerdem weiterhin eine wichtige Rolle im Politbüro spielen. Insofern dürfte der Wechsel eher für Kontinuität in den außenpolitischen Beziehungen, insbesondere denen zu den USA, stehen als für eine abrupte Kursänderung. (Philipp Mattheis, 30.12.2022)