Wiebke Siem im Maskenkostüm (Untitled, 2001).

Museum der Moderne / Hans-Georg Gaul

Ein umgekippter Stuhl, ein leeres Bett, eine geöffnete Schranktür: Viel mehr braucht es nicht, um leise Beklemmung auszulösen. Entdeckt man dann noch den traubenförmigen Knöterich mit überlangen Armen, der wie ein zurückgelassener Albtraum in besagtem Schrank baumelt, kippt die Stimmung ins Absurde. In ihren aus originalen Fünfzigerjahre-Möbeln gebauten Interieurs erweist sich Wiebke Siem als Meisterin im Erzeugen solcher Kippmomente.

Den unheimlichen häuslichen Szenerien, die die deutsche Künstlerin seit den 1990er-Jahren entwirft, wird in der Schau Das maximale Minimum im Salzburger Museum der Moderne erfreulich viel Platz eingeräumt, stellenweise fühlt sich diese Personale deshalb an wie ein Hausbesuch.

Bei dem freilich einiges aus den Fugen gerät. Vor allem das mit der Vorstellung vom trauten Heim verknüpfte Bild von der braven Hausfrau. Weibliche Rollenbilder hat die 1954 in Kiel geborene Künstlerin auch im Visier, wenn sie Alltagsgegenstände wie Kleidung, Spielzeug, Hüte, Taschen oder Kochlöffel in überdimensionierte Objekte übersetzt oder einen monströsen Teppichklopfer aus Kautschuk in den Treppenaufgang des Museums hängt.

Keineswegs eindimensional

Es ist, als würden die Dinge ein subversives Eigenleben entwickeln, was für eine Weibliche Skulptur eher schlecht ausgeht: Sie hat sich hoffnungslos in einer Singer-Nähmaschine verfangen.

Die Symbolik hinter solchen Skulpturen ist nicht allzu schwer zu entschlüsseln, leicht zugänglich bedeutet in diesem Fall aber keineswegs eindimensional. Dass Siems Kunst ohne lange Erklärtexte (und häufig auch ohne Titel) auskommt, darf man ihr durchaus zugutehalten. Auch der Ausstellungstitel Das maximale Minimum erweist sich vor diesem Hintergrund als ziemlich zutreffend.

Mit doppelbödigem Humor untersucht die Künstlerin Warenfetische, entwirft mit Blick auf Geschlechter-Stereotype fantastisch-groteske Modekollektionen und widmet sich dem gesellschaftlichen Diskurs über kulturelle Aneignung: Im bieder möblierten Esszimmer der Fälscherin entpuppt sich eine vermeintliche Sammlung außereuropäischer Stammeskunst, an der sich einst die Vertreter der Moderne bedienten, als eine aus herkömmlichen Haushalts- und Alltagsgegenständen gemachte, billige Imitation.

Seitenhieb auf Kunstbetrieb

Viel Raum nimmt in der Schau am Mönchsberg auch die interaktive Installation Der Traum der Dinge ein, in der Besucherinnen und Besucher höchstselbst Hand an die Verdinglichung der menschlichen Figur legen dürfen: Aus Kochlöffeln, Teigrollen, Waschbrettern, Vasen oder Spazierstöcken dürfen Readymade-Körper zusammengebastelt werden, die nicht zufällig an Giorgio de Chiricos Gliederpuppen erinnern.

In solchen kunsthistorischen Bezügen schlummert bei Siem stets auch der spöttische Seitenhieb auf den männlich dominierten Kunstbetrieb. (Ivona Jelcic, 31.12.2022)