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Früher, als das Jahr noch von religiösen Fastenvorschriften bestimmt war, endete zu Weihnachten mit dem Advent auch eine mehrwöchige Zeit des Entsagens. Heute wird gerade in den Wochen vor dem Fest das Gegenteil praktiziert – mit dem Höhepunkt der Völlerei zu den Weihnachtsfeiertagen und Silvester. Gefastet wird dann im neuen Jahr – ganz ohne religiösen Anlass, viele spüren einfach, dass sie einmal eine Auszeit brauchen. Daraus hat sich sogar ein Lifestyle-Trend entwickelt – "Dry January", trockener Jänner. Diese alkoholfreie Zeit hat nichts mit Neujahrsvorsätzen zu tun, sie ist vielmehr Ausdruck eines gesteigerten Gesundheitsbewusstseins.

Dass das ein regelrechter Trend ist, erleichtert vielen das Mitmachen. Denn der Verzicht fällt einfach leichter, je mehr Menschen im Umfeld sich beteiligen. Dann trinken beim After-Work-Bier mit der Kollegenschaft alle alkoholfrei, und in der Bar wird ein Virgin-Cocktail bestellt. Deren Vielfalt ist in den vergangenen Jahren jedenfalls massiv gewachsen – schließlich ist "alkoholärmer" oder gleich "alkoholfrei" schon länger ein Thema.

Das schlägt sich auch in der Gastronomie nieder. Gute Restaurants bieten bestens abgestimmte alkoholfreie Getränkebegleitungen abseits von Apfelsaft und Mineralwasser an, Hersteller produzieren alkoholfreien Gin oder Rum. Craft-Beer-Shops haben mittlerweile zig Biere ohne Alkohol im Sortiment, und in Bars ist eine Karte mit guten alkoholfreien Cocktails mittlerweile selbstverständlich – unabhängig vom Monat. Auch am Buchmarkt greift man den Trend auf, der Wiener Verlag Brandstätter etwa legte das Buch "Alkoholfreie Drinks", das 2016 erstmals erschienen ist, in neuer Gestaltung 2022 erneut auf (siehe Rezept S. 26).

Trend aus England

Ursprünglich geht der Dry January auf eine Gesundheitskampagne zurück, die 2014 in England offiziell gelauncht wurde. Die Bewegung verbreitete sich, unter anderem über Social Media, in vielen Ländern. Und auch in Österreich gibt es neuerdings entsprechende Initiativen: So ruft der Gesundheitsfonds Steiermark unter dem Motto "Die Steiermark bleibt trocken" zum Dry January 2023 auf.

Das macht auch absolut Sinn, denn Alkohol ist ein Zellgift, das sich auf den gesamten Körper auswirkt (siehe Kästen). Dazu kommt die Gefahr, zu viel zu trinken, auch weil ein Drink erst einmal lockerer macht. Das kann aber ausarten, vor allem auch, weil in Österreich das Gläschen Wein oder ein Stamperl Schnaps zur guten Gastfreundschaft fast schon zwingend dazugehört. Der Übergang von zu viel Alkoholkonsum zur Abhängigkeit ist dabei schleichend, das macht es so schwierig, diese zu erkennen.

Deshalb sollte man zumindest zwei alkoholfreie Tage pro Woche fix in seinem Leben etablieren. Und man kann bei so wichtigen Initiativen wie dem Dry January dabei sein. Denn: Verzichtet man länger auf Alkohol, reißt das aus dem eigenen Trott heraus, man kann sein Verhalten neu ausrichten.

So reagiert der Körper auf Alkohol:

Die Leber

Das größte innere Organ kümmert sich darum, dass der Alkohol auch wieder abgebaut wird. Das ist Schwerstarbeit, immerhin handelt es sich dabei um ein Zellgift – und die Leber hat während des Prozesses keine Ressourcen, um sich um ihre weiteren Stoffwechselaufgaben zu kümmern, wie die Deutsche Leberhilfe mitteilt. Ausschlaggebend für eine Schädigung der Leber ist regelmäßiger Alkoholkonsum. Definitiv zu viel ist, wenn ein Mann täglich 30 g Alkohol konsumiert, das sind etwa zwei große Bier. Bei Frauen wird es bereits ab 20 g Alkohol regelmäßig kritisch, das entspricht zwei Gläsern Wein. Das Gute: Die Leber ist Weltmeister im Regenerieren – außer bei einer Zirrhose. Es reicht, wenn man regelmäßig für einige Wochen auf Alkohol verzichtet.

Das Gehirn

Alkohol verteilt sich im gesamten Körper. Und das Gehirn reagiert besonders empfindlich darauf. Dort beeinflusst er verschiedene Botenstoffe, die für die Informationsübertragung zwischen Nervenzellen zuständig sind, informiert die Stiftung Gesundheitswissen. Er hemmt oder dämpft sie, Wahrnehmung und Reaktionsvermögen verlangsamen sich. Gleichzeitig aktivieren die Botenstoffe das Belohnungssystem, man fühlt sich deshalb erst einmal gut, Ängste werden weniger. Doch so bleibt das nur bei geringen Mengen. Trinkt man mehr, betäubt der Alkohol. Das Gehirn "merkt" sich außerdem, wenn Alkohol zum Beispiel in einer bestimmten Situation entspannt hat. So kann auf lange Sicht eine Konditionierung entstehen.

Die Haut

Das Zellgift Alkohol ist aber nicht nur für Organe und Stimmung schlecht, auch die Optik leidet darunter. Denn beim Alkoholabbau in der Leber entsteht Acetaldehyd, das wiederum über die Haut ausgeschieden wird – und dabei entzieht es dieser Flüssigkeit. Das beschleunigt die Hautalterung, die Haut wird großporiger, Falten entstehen rascher. Außerdem erweitern sich die Äderchen, man bekommt eine kräftigere Gesichtsfarbe. Das kann sogar chronisch werden, wie die Aufklärungsplattform "Kenn dein Limit" berichtet. Zu viel Alkohol verschlechtert zudem die Wundheilung und kann Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Psoriasis verschlimmern – weil das Immunsystem die Entzündungen nicht mehr so gut in Schach halten kann.

Die Psyche

Regelmäßiger Alkoholkonsum und Depressionen oder Burnout sind oft eng verbunden. Das liegt daran, dass Alkohol erst einmal entspannend wirkt. Er wird deshalb gerne – bewusst oder unbewusst – als Problemlöser in Selbstmedikation eingesetzt, wenn man unter Ängsten, Problemen oder auch einfach unter Schüchternheit leidet. Umgekehrt löst Alkoholkonsum aber auch Depressionen aus, schreibt die Österreichische Ärztezeitung. Im Kleinen kennt das wohl jeder und jede, hat man einmal zu tief ins Glas geschaut, leidet man am nächsten Tag schon einmal unter "Hangxiety" – einer Mischung aus Hangover und Ängsten. Ist man ohnehin schon Opfer von Stimmungstiefs, verstärkt der Alkohol diese Symptomatik, ein Teufelskreis entsteht.

Das Gewicht

Schließlich kann sich zu viel Trinken auf der Waage bemerkbar machen. Immerhin hat ein Achtel Wein knapp 100 Kalorien, ein großes Bier bringt es auf 200. Das sind aber "leere Kalorien", sie erzeugen kein Völlegefühl – man kann trotz üppigen Essens mehrere Gläser trinken, wie das britische Institute of Alcoholic Studies betont. Studien haben auch gezeigt, dass die konsumierte Kalorienmenge, wenn man Alkohol trinkt, im Schnitt um 250 pro Tag steigt, denn Alkoholkonsum macht hungrig, während er gleichzeitig die Fettverbrennung stoppt. Insgesamt ist der Rückschluss, mehr Alkoholkonsum führt zu höherem Gewicht, nicht zulässig, der Stoffwechsel ist zu komplex. Aber: Nimmt man leicht zu, dann ist Alkohol definitiv ein wesentlicher Faktor. (Pia Kruckenhauser, Petra Eder, Kevin Recher, 1.1.2023)