Sara Khadem erdreistete sich, in Kasachstan den Hidschab abzunehmen.

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Nein, solche Bilder sehen die Machthaber in Teheran gar nicht gerne. Die iranische Profispielerin Sara Khadem erdreistete sich, in Kasachstan den Hidschab abzunehmen, um die Weltmeisterschaft im Schnellschach mit offenem Haar zu bestreiten. Welch Frevel, dachte sich der iranische Schachverband und distanzierte sich umgehend von der abtrünnigen 25-Jährigen. Khadem sei aus freien Stücken nach Almaty gereist und habe auf eigene Kosten am Turnier teilgenommen. Als kenne man die Nummer 17 der Frauenweltrangliste nur vom Hörensagen.

Die Branche ist schnelllebig, bis vor Kurzem war man im Iran noch ausgesprochen stolz auf Sarasadat Khademalsharieh, wie die Denksportlerin mit vollem Namen heißt. 2018 wurde die Großmeisterin sowohl im Schnellschach als auch im Blitzschach WM-Zweite. Es regnete Konfetti, als Khadem, wohlgemerkt mit Hidschab, neben Schachlegende Magnus Carlsen in Sankt Petersburg für die Siegerfotos posierte. Der Erfolg kam nicht von ungefähr, er war sozusagen ein eingelöstes Versprechen. 2009 hatte sich das Nachwuchstalent zur Weltmeisterin im klassischen Schach der Altersklasse U12 gekrönt. In dieser Tonart ging es munter weiter, mittlerweile hält Khadem bei beachtlichen 2.490 Elo-Punkten.

Mit acht am Brett

Sara Khadem wurde in Teheran geboren und widmete sich als Kind mehreren Ballsportarten, ehe sie im Alter von acht Jahren ein Schachbrett in die Finger bekam. Die Eltern waren mit dem königlichen Spiel nicht vertraut, unterstützten aber die Ambitionen ihrer Tochter. Ein wenig Unterricht, ein anständiger Trainer, und schwuppdiwupp mischte das Mädchen ihre Altersklasse auf.

Heute zählt die Schachspielerin rund 90.000 Follower auf Instagram, wie viele andere Profis wurde sie während der Pandemie auch am Live-Streaming-Portal Twitch aktiv. 2020 gab Khadem ihren Rücktritt aus dem Nationalteam bekannt, kurz darauf trat sie vom Rücktritt zurück.

Spanien als Ziel

Nun scheint das Kapitel Iran für Khadem endgültig beendet zu sein. Eine Rückkehr in ihre Heimat ist vorläufig ausgeschlossen. Zu groß ist nach dem "Fehlverhalten" bei der WM, nach dem Zeichen der Solidarität mit der Protestbewegung im Iran, die Gefahr von Repressalien. Khadem wird mit ihrem Ehemann, dem iranischen Filmregisseur Ardeshir Ahmadi, und ihrem Sohn nach Spanien ausreisen. Ob eine Aufenthaltsgenehmigung vorliegt oder ein Asylgesuch geplant ist, ist nicht bekannt. Auch der genaue Zielort der Familie bleibt geheim. Sicher ist sicher. (Philip Bauer, 30.12.2022)