Susanne Walli, ausgebildet in der TGW Zehnkampf-Union von Roland Werthner, lief im Sommer bei der WM in Eugene ins Halbfinale über 400 Meter.

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Roland Werthner: "Erfolgreiche ‚Zellen‘ hängen im österreichischen Fördersystem völlig in der Luft."

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An den Förderschrauben und Umfeldbedingungen für die wenigen österreichischen Weltklasseathletinnen und -athleten liegt es sicher nicht, dass die großen Erfolge selten bleiben werden. Hier wurde in den vergangenen Jahren massiv aufgestockt. Die Grundproblematik liegt im spitzensportorientierten Nachwuchsbereich. Es verwundert, dass dies von den vielen hauptamtlichen Sport-"Strategen" nicht erkannt wird. Für jene, die 2028, 2032, 2036 mit Medaillenpotenzial bei Olympischen Spielen starten sollten, fühlt sich sechs, zehn oder 14 Jahre vorher kaum jemand zuständig. Die österreichischen Bundessportfachverbände haben kaum Nachwuchsförderkonzepte, die auch von Nachwuchstalenten und deren Trainer "spürbar" sind.

Österreichs Bundesfachverbände werden vom Bund überwiegend über die Bundes-Sport-GmbH finanziert. Analysiert man die Förderanträge, die die Fachverbände 2021 bei der Bundes-Sport-GmbH für konkrete Nachwuchsaktivitäten abgegeben haben und von dieser genehmigt wurden, finden sich mit Ausnahme des österreichischen Fußballbundes ÖFB (1,7 Millionen Euro) kaum nennenswerte Schwerpunkte.

Der durchschnittliche finanzielle Wunschbedarf der restlichen 59 österreichischen Fachverbände für den Budgetposten Nachwuchsförderung beträgt pro Fachverband und Jahr nur unglaublich niedrige 500 Euro. Den Bundesfachverbänden ist die Absicherung des aktuellen Spitzensports und die Verbandsverwaltung wichtiger als strategische geplante Zukunftserfolge durch eine aktuelle Investition in den Nachwuchs.

Prinzipiell fällte der Kinder- und Jugendbereich eigentlich in den Kompetenzbereich der österreichischen Dachverbände. In den Aufgabenbeschreibungen und in der Realität sind das aber überwiegend Breitensportaktivitäten und vereinsunterstützende Maßnahmen, die hier gesetzt werden. Für die Spitzensportausbildung auch von Nachwuchsathleten sind die Dachverbände dann offiziell wieder nicht zuständig.

540 Euro pro Verein

Aber auch die Vereinsunterstützung der drei Dachverbände ASKÖ, ASVÖ und Sportunion ist überschaubar. Aus den besonderen Sportfördermitteln des Bundes wurden von den drei Dachverbänden im Jahr 2021 8,1 Millionen Euro an die 15.000 österreichischen Sportvereine weitergegeben. Im Schnitt bekommt damit ein österreichischer Verein rund 540 Euro Sportförderung aus Bundesmitteln.

Eine hochleistungsorientierte Ausbildung in Österreich passiert in der Realität überwiegend in einigen Top-Vereinen, ausgewählten Kleinzellen und in den vergangenen Jahrzehnten ausgebauten Leistungssportschulen. Aber auch die Schulmodelle leben von Athletinnen und Athleten, die mehr oder weniger gut ausgebildet von den Vereinen kommen bzw. dort teilweise auch weiter betreut werden. Die relevantesten Talentrekrutierungs- und Ausbildungsstätten sind somit die wenigen hochleistungsorientierten Vereine und außergewöhnliche Zellen rund um engagierte Eltern und Einzeltrainern.

Ehrenamt überfordert

Diese erfolgreichen "Zellen" hängen im österreichischen Fördersystem aber zwischen den Fachverbänden und den Dachverbänden völlig in der Luft. Ehrenamt und intrinsische Begeisterung sind für die Nachwuchsarbeit sicher ganz wesentliche Säulen. Eine langfristige und spitzensportorientierte Ausbildung der talentiertesten Kinder und Jugendlichen – überwiegend unter den Aspekten Koordination und Technik – mit sechs bis zehn Trainingseinheiten pro Woche unter der Leitung von höchstkompetenten Trainerinnen und Trainern funktioniert aber rein ehrenamtlich einfach nicht. Und mehr als zehn Cent staatliche Förderung für eine hochqualitative Trainerstunde – pro Person – kommen nicht zu den Vereinen, die das Know-how und Trainerpotenzial haben, Kinder und Jugendliche in die Weltklasse zu führen.

Die besondere Sportförderung in Österreich wird ab dem nächsten Jahr von 80 auf 120 Millionen Euro erhöht. Gerade deshalb wäre jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Paradigmenwechsel. (Roland Werthner, 01.01.2023)