(Billa am Praterstern am Silvestervormittag 2022. Alle Kassen besetzt. An einer von ihnen ein älterer Mann, der eben bezahlt hat und nun beginnt, die Waren in einer Einkaufstasche zu verstauen. Die Kassiererin reicht ihm den Kassazettel.)

An der Kassa beim Billa.
Foto: APA/HANS PUNZ

KASSIERERIN: Danke. Schönes neues Jahr.

MANN: Bitte?

KASSIERERIN (deutlich): Ein schönes neues Jahr.

MANN (unterbricht das Einräumen): Ein schönes neues Jahr? Ernsthaft? Machst du dich über mich lustig?

KASSIERERIN: Aber nein, ich wollt’ nur – …

MANN: Schönes neues Jahr! Lächerlich! Soll ich dir sagen, was es sein wird, das neue Jahr? Soll ich’s dir sagen? Scheiße wird’s sein, genau wie das hier, nur schlimmer! Wachsen werden wir, immer mehr werden wir werden, Menschen, Menschen, Menschen! Und heiß wird’s sein, so heiß, dass es nimmer zum Aushalten is’. Die Unwetter werden immer ärger werden, ganze Ortschaften wird’s wegreißen, wusch! Aber die Leut’, verstehst, die Leut’ –

KASSIERERIN: Bitte machen Sie jetzt Platz, es warten andere Kunden.

MANN (unbeirrt): – die Leut’, denen wird’s immer noch zu kalt sein, die werden weiter ins Warme fliegen, Kenia, Südafrika, und in der Zeit, wenn s’ bei uns sind, werden s’ weiter ihre Geländewagen äußerln führen, wurscht, ob dann auf jeder zweiten Straße ein Klimaschützer pickt, da fahren s’ einfach drüber, verstehst?! Und zum Fressen (hält den Kassazettel hoch), zum Fressen werden wir auch nix mehr haben, das heißt, zum Fressen schon –

KASSIERERIN: Wenn Sie nicht gehen, werde ich die Security holen.

MANN (unbeirrt): – zum Fressen schon, mehr als genug werden wir haben zum Fressen, aber leisten werden wir’s uns nimmer können! Da schau, schau her, was allein zwei Semmeln kosten! Und die Leut’ werden immer aggressiver werden, weil s’ kein Geld haben und einen Hunger und keine Arbeit, und werden durchdrehn, weil Rapid abg’stiegen is’, und werden immer tepperter werden, weil –

STIMME AUS DEM HINTERGRUND: Zweite Kassa bitte!

MANN (auflachend): Jawohl, genau! Zweite Kassa bitte, werden s’ schreien Tag und Nacht, und den Kickl werden s’ wählen, damit Rapid wieder aufsteigt und die Flüchtling’ verschwinden, und dann werden s’ jubeln, wenn s’ weg sind, aber nicht lang, dann werden s’ betteln, dass s’ wieder z’rückkommen, weil dann wird der Russ’ vor der Tür stehn, der Russ’ als Erster, dann der Chines’, dann der Inder. So wird’s sein im neuen Jahr, verstehst? Und ich sag’ dir eins: Der Chines’ und der Inder, die kennen kein –

(Ein Securitybediensteter ist hinzugetreten, nimmt den Mann am Oberarm, packt die Einkäufe in die Einkaufstasche und führt ihn Richtung Ausgang.)

SECURITYBEDIENSTETER: Schon recht, schon recht. Jetzt gehen wir einmal nach Haus, gut? Morgen können wir weiterreden, einverstanden?

DER MANN (der sich willig wegführen lässt, über die Schulter): Die kennen kein Pardon, der Chines’ und der Inder, verstehst, da könnts euch zehnmal auf die Autobahn picken, da könnts zehnmal den Kickl wählen, denen ist das wurscht!

SECURITYBEDIENSTETER (hat ihn aus dem Geschäft geführt und reicht ihm die Einkaufstasche): So, da is’ Ihr Mittagessen … Und jetzt gemma …

(Der Mann entfernt sich, weiter vor sich hin prophezeiend, so lange, bis er nicht mehr zu hören ist. Der Securitybedienstete blickt ihm nach. Es herrscht völlige Stille. Die Halle ist menschenleer. Der Securitybedienstete bemerkt es, erschrickt, wendet sich um und geht zurück in den Billa am Praterstern.

Vorhang) (Antonio Fian, 31.12.2022)