Die Demonstranten befanden sich scheinbar im Gebäude und sogar auf Sitzplätzen.

Foto: APA/DIETER NAGL

Wien – Klimaaktivisten der Letzten Generation wollten am Sonntag beim Wiener Neujahrskonzert mit einer Störaktion auf den Klimawandel aufmerksam machen. Sechs Personen wurden von Beamten erkannt und noch vor einer möglichen Aktion angehalten, bestätigte eine Sprecherin der APA. Die Aktivisten hatten Kleber bei sich, die Aktion war vermutlich während der Pause geplant. Die Demonstranten befanden sich laut Sprecherin offenbar im Gebäude und hatten Sitzplätze.

Unterdessen bekannte sich die Organisation Letzte Generation als Urheber. Man habe geplant, im Goldenen Saal Alarm zu schlagen und den versammelten Politikerinnen und Politikern ein Banner mit der Aufschrift "Zwei Jahre noch" als Appell an sofortiges Handeln vorzuhalten, heißt es in einer Aussendung. Die Polizei in Wien hatte bereits im Vorfeld vor Störaktionen gewarnt.

Transparente und Superkleber gefunden

Man haben die sechs Aktivisten – österreichische bzw. deutsche Staatsbürger im Alter zwischen 26 und 67 Jahren – noch vor Beginn des Konzertes wiedererkannt und am Betreten der Räumlichkeiten respektive im Goldenen Saal anhalten können, so die Landespolizeidirektion Wien in einer Aussendung. Es wurden Transparente und Superkleber bei den Aktivisten gefunden. Es gab verwaltungsrechtliche Anzeigen. "Durch das konsequente und professionelle Einschreiten konnte das Neujahrskonzert, ein Kulturereignis von Weltrang, wie geplant stattfinden", freute sich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Die Wiener Philharmoniker bedankten sich in einem Statement bei den Sicherheitsbehörden "für ihren großartigen Einsatz": "Durch ihr Einschreiten konnten 6 Aktivist:innen ausfindig gemacht und dadurch eine Störung des Konzerts, das für Verbundenheit, Hoffnung und Frieden steht, verhindert werden."

Wiens Polizeipräsident warnt vor "extremistischen Tendenzen"

Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl hat am Sonntag in einem Interview mit der APA vor zunehmenden extremistischen Tendenzen bei Klimaaktivistinnen und -aktivisten gewarnt. Das betreffe das Begehen von Straftaten, nicht nur das Festkleben an Gemälden und das Beschütten derselben, was "in den Bereich der Sachbeschädigung geht", sondern auch das Lockern von Radmuttern oder Luft aus den Reifen lassen.

Außerdem würden diese Aktivistinnen und Aktivisten gezielt Feindbilder schaffen, etwa Besitzer bestimmter Autotypen und indem sie etwa Aktionen konkret gegen SUV-Fahrer setzen. Als Beispiel brachte er die erst am Wochenende vor Weihnachten in Döbling von Klimaaktivisten durchgeführte Aktion, wo sie Luft aus den Reifen von SUVs ließen. Diese hatten zwar Zettel an den Windschutzscheiben angebracht, einer der Autobesitzer hatte das aber nicht bemerkt und war losgefahren. Er schlitterte mit seinem Wagen auf einen Gehsteig und touchierte einen Fußgänger, der aber glücklicherweise unverletzt blieb.

Für die Aktion verantwortlich war offenbar die Gruppe "The Tyre Extinguishers" ("Die Reifen-Auslasser"). Das Landesamt für Verfassungsschutz wurde in Kenntnis gesetzt.

Überrascht von den Aktionen

Generell stellen Klimaaktivisten die Polizei seit geraumer Zeit vor neue Herausforderungen. Pürstl räumte ein, dass die Exekutivbeamten zu Beginn der Aktionen im Mai 2019 überrascht wurden. Er nannte die Straßenblockaden etwa bei der Urania in der City, "wo es auch keine schönen Bilder gegeben hat, weil wir als Wiener Polizei in gewissen Bereichen auch durch das spontane Auftreten leicht überfordert waren".

"Wir haben die Lage nicht ganz richtig eingeschätzt, wir hatten nicht im Gefühl, wie man mit Menschen umgeht, die überhaupt keinen polizeilichen Empfehlungen oder Befehlen nachkommen, die ihre Identitäten nicht preisgeben, die bereit sind, sich in großen Gruppen wegtragen zu lassen, passiven Widerstand ausüben und die Dinge einfach aussitzen, indem sie, wenn ihre Identitäten festgestellt werden sollen, lieber 24 Stunden in Haft sitzen als ihre Identitäten preiszugeben", schilderte Pürstl.

Dazu kam, dass "wir damals noch keine gute Beweissicherung hatten, wir haben relativ wenig, was vorgefallen ist, durch eigene Videos dokumentiert". Der Polizeipräsident weiter: "Wir hatten damals doch einige Beamte, die im Zuge der Vorkommnisse die Nerven verloren haben, sich provozieren ließen, auch mit übermäßiger Gewalt vorgegangen sind." Pürstl verwies auf teils auch strafrechtliche Verurteilungen und verlorene Verfahren als belangte Behörde bei Maßnahmenbeschwerden. "Für uns war klar ab dem Zeitpunkt, wir müssen uns da neu aufstellen und wir müssen da wesentlich professioneller werden." (APA, red, 1.1.2023)