Der Winter zieht ins Land, im alpinen Tarentaise-Gebiet liegt der erste Schnee. Sonia Albert denkt aber immer noch an den Sommer zurück. "Im Juli war die Hitze besonders krass. Das Grün kriegte einen Gelbstich, die Sonne versengte unsere Weiden richtiggehend", sagt die Landwirtin, die mit ihrem Bruder Damien ein steiles Stück der Talflanke bewirtschaftet. Ihre dreißig Kühe – laut Reglement nur von den Rassen Abondance oder Tarine – liefern Milch an die Beaufort-Kooperative, die den gleichnamigen und weltweit bekannten Käse herstellt.

"Diesen Sommer gaben die Kühe bedeutend weniger Milch als sonst", erinnert sich Sonia Albert. "Sie fraßen weniger, weil das Gras weniger frisch und saftig war." Ihre Kooperative schätzt, dass die Produktion in der Tarentaise um 15 Prozent einbrach. Nach der Covid-Krise ist das ein neuer Schlag für die Beaufort-Zunft, die in Savoyen seit Jahrhunderten einen der besten Hartkäse Frankreichs herstellt, schmeckt er doch wie die Quintessenz der rauen, intensiven und zugleich harmonisch schönen Täler der Tarentaise.

Im Gebiet des Roquefort-Käses fanden die Schafe im Sommer und Herbst nur noch 40 bis 50 Prozent des bisherigen Grasbestandes.
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Sonia Albert erzählt, sie habe ihre Kühe schon im September mit Winterheu nähren müssen, weil das Gras schlechter wachse. Auch die ältesten Bauern der Tarentaise könnten sich nicht erinnern, dass dies schon einmal vorgekommen war. An der Qualität des Beaufort-Käses ändere dies nichts, betont die Landwirtin mit dem sonnigen Vornamen und Gemüt. Die Branche muss trotzdem Gegenmaßnahmen ergreifen. Die zuständige Agrarbehörde INAO hat das strikte Pflichtenheft der Beaufort-Produzenten bis zum Ende des nächsten Sommers gelockert. Das parzellengenau geregelte Weidegebiet der Beaufort-Kühe wird "vorübergehend" ausgeweitet, wie es in dem Dekret heißt.

Kurzfristige Notlösung

Sonia Albert weiß, dass es sich nur um eine Notlösung handelt: "Langfristig müssen wir wohl die ganze Produktionskette überdenken. Immerhin sind wir von der Hitze und Dürre hier oben auf über tausend Metern weniger betroffen als andere."

Die anderen, das sind 45 weitere französische Edelkäse, die das Gütesiegel Appellation d’origine protégée (AOP) tragen: Cantal, Reblochon, Saint-Nectaire, Comté, Auvergne-Käse, Mont d’Or, Camembert, Neufchâtel. Sie sind härter getroffen als herkömmliche Käsesorten, weil sie strengen Produktionsauflagen folgen. Die begehrte Auszeichnung AOP wird zur Last.

Am härtesten getroffen sind die Käsesorten im Südwesten Frankreichs, im Gourmet-Eck des Gastronomielandes. Viele Heuställe waren dort schon vor dem Jahreswechsel halbleer. Im Gebiet des Roquefort-Käses etwa fanden die Schafe im Sommer und Herbst nur noch 40 bis 50 Prozent des bisherigen Grasbestandes, wie Sébastien Vignette vom Verband der Roquefort-Hersteller auf STANDARD-Anfrage schätzt. Auch sie haben von den Behörden eine Ausnahmebefugnis erhalten. Bisher musste das Futter der Roquefort-Schafe zu 80 Prozent aus einem Umkreis von hundert Kilometern stammen, namentlich aus der wildherben Larzac-Hochebene. Jetzt sind es nur noch 60 Prozent; 40 Prozent kann ausnahmsweise von außen kommen.

Möglichst regional muss das Futter der Schafe sein, damit der typische Geschmack des Käses gewährleistet ist.
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Die Mehrheit der Tiernahrung kommt aber aus der angestammten Gegend, betont Vignette. Damit ist gewährleistet, dass der Käse weiterhin nach den typischen "causses", den mediterranen Kalkplateaus um Roquefort, riecht. Und natürlich wird der berühmte Schimmelkäse nach wie vor in den Kellerschächten unter dem Dorf Roquefort-sur-Soulzon gelagert. Vignette verhehlt nicht, dass die Züchter um Roquefort "sich von einigen Schafen trennen müssen": In dem landwirtschaftlich ausgerichteten Aveyron-Departement gibt es bald nicht mehr genug Futter für die Lacaune-Schafe. Ob Roquefort in Südfrankreich oder Beaufort in den Alpen: Überall im Käseland Frankreich werden jahrhundertealte Traditionen über den Haufen geworfen. Das AOP-Siegel, das die Verbundenheit mit dem "Terroir" ausdrücken und vor Käsenachahmern bewahren sollte, ist nicht darauf vorbereitet, vor den Folgen der Klimaerwärmung zu schützen.

Große Probleme für Kleine

Die harten Vorschriften machen vor allem den kleineren, unabhängigen Kuh- und Schafhaltern und Käseproduzenten zu schaffen. "Auch im Roquefort-Gebiet leiden sie besonders", sagt Vignette. "Sie arbeiten häufig mit nicht pasteurisiertem Rohmilchkäse, der ein Verfalldatum von gerade mal zwei Monaten hat. Wenn ihnen im Frühling das Heu ausgeht, kriegen sie zusätzliche Probleme."

Die Hersteller des kleinen, aber feinen Auvergne-Käses Salers mussten die Produktion im vergangenen Sommer wegen Futter- und Wassermangels zeitweise ganz einstellen. In Paris fragen Fachmedien bereits: "Wird uns der Käse ausgehen?" In Frankreich herrscht gelegentlich auch Mangel an Linsen, Olivenöl und Senfschoten. Damit können sich die Feinschmecker noch einigermaßen arrangieren. Aber eine leere oder auch nur lückenhafte Käseplatte – das geht nun wirklich über jede Vorstellungskraft. (Stefan Brändle aus Paris, 2.1.2023)