An die Weiten des Norwegers Halvor Egner Granerud kommt derzeit im Zirkus keiner heran.

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Kraft muss seine Ambitionen hinsichtlich einer Topplatzierung in der Gesamtwertung abhaken.

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Garmisch-Partenkirchen – Zu wenig "tragerde Luf" beklagte Stefan Kraft nach dem ersten Durchgang des Neujahrsspringens in Garmisch-Partenkirchen, das der Norweger Halvor Egner Granerud gewinnen sollte. Mangelnder Aufwind und die Härte des Reglements machten den 29-jährigen Pongauer zu einem der großen Verlierer auf der Olympiaschanze. Just als er seinen ersten Flug zu setzen hatte, fiel mehr Seiten- als Rückenwind in die durch gut 20.000 Menschen ausverkaufte, frühlingshafte Arena – zu wenig, um den Versuch zu verunmöglichen, zu viel, um die vorhandene Form in ein Spitzenergebnis umzusetzen. Bei Seitenwind greift die Windkompensationsregel nicht ordentlich.

Kraft, der im Probedurchgang noch im Spitzenfeld gelandet war, schmierte ab, setzte seinen Sprung bei 122,5 Metern und war nach Halbzeitrang 22 schwer angespeist. Freilich hätte die Jury ein wenig zuwarten können, um einen fairen Ablauf zu garantieren. Der Zeitplan ließ das offensichtlich nicht zu. "Es geht um die Tournee, eine Minute warten wäre nicht blöd gewesen", sagte der derart Geschlagene.

Kein Glück in Garmisch

Garmisch ist generell kein guter Platz für Kraft. Bei seinem Tourneesieg 2015 landete er hier auf Platz sechs, das beste Ergebnis war zwei Jahre später ein dritter Platz. 2018 und 2019 kam Kraft gar nicht erst ins Finale des Neujahrsspringens.

Das aktuelle Pech war im zweiten Durchgang auch nicht mehr zu kompensieren, schließlich reichte es nur zu Rang 18 für den Teamolympiasieger und dreimaligen Weltmeister. "Das muss man akzeptieren. Manchmal hat man Glück, manchmal ein bisschen Pech", sagte der bald wieder halbwegs gefasste Leithammel der Österreicher. "Leider ist nach einem verhauten Wettkampf wieder die ganze Tournee weg." Kraft reist mit Wut im Bauch "und sehr viel Vorfreude" zu den beiden Tourneestationen in Österreich.

Weit hinter Granerud

Und mit 74,6 Punkten Rückstand auf Granerud, der seinem Sieg in Oberstdorf den Triumph in Garmisch folgen ließ. Nach Flügen auf 140 und 142 Meter verwies der 26-jährige Osloer den Slowenen Anze Lanisek (140,5/137) und den polnischen Weltcupführenden Dawid Kubacki (136/138,5) auf die Plätze. Dahinter sorgten Manuel Fettner (4.), Jan Hörl (5.), Daniel Tschofenig (7.), Michael Hayböck (10.) und Clemens Leitner (12.) für ein prinzipiell sehr gutes österreichisches Ergebnis. Enttäuschend ist, dass in der Gesamtwertung Tschofenig als Bester der Mannschaft von Chefcoach Andreas Widhölzl nur auf Platz sieben rangiert – 61,9 Punkte hinter Granerud und 21,8 Zähler hinter Platz drei.

Für Fettner, vor dem ersten Saisonhöhepunkt als Mitfavorit gehandelt, war die Tournee schon nach Platz 13 in Oberstdorf gelaufen gewesen. Am Podest flog der 37-Jährige trotz Platz vier auch diesmal recht deutlich vorbei. "Ich war nach dem ersten Sprung zu weit hinten, aber es ist ein Jammern auf hohem Niveau, als Sportler will man immer das Maximum herausholen", sagte der Tiroler, der ebenfalls das erfreuliche Mannschaftsabschneiden hervorhob, das Zuversicht für die Heimspringen gebe. Weiter geht es schließlich in Innsbruck: Dienstag Qualifikation, Mittwoch Bergisel-Springen (jeweils 13.30, ORF 1).

Um ein Haar

Während Granerud der Grand Slam mit Siegen in allen vier Tourneespringen durchaus gelingen könnte – als Drittem nach dem Deutschen Sven Hannawald, dem Polen Kamil Stoch und dem Japaner Ryōyū Kobayashi –, blieb ein ähnliches Kunststück Eva Pinkelnig beim ersten Silvester Tournament der Skispringerin schon am Samstag verwehrt. Nach ihren beiden Erfolgen in Villach musste sich die Vorarlbergerin am Silvestertag in Ljubno, Slowenien, der Norwegerin Anna Odine Ström um nur 0,9 Punkte geschlagen geben. Geringfügig schlechtere Haltungsnoten entschieden für Ströms ersten Weltcupsieg und gegen Pinkelnig, die gleichwohl am Neujahrstag (nach Blattschluss) im zweiten Springen von Ljubno nach dem Gesamtsieg und der dafür ausgelobten Goldenen Eule griff.

Österreichs Coach Harald Rodlauer zeigte sich beeindruckt von der Konstanz der 34-Jährigen, die nach drei Saisonsiegen auch im Weltcup führt. "Sie hat es wieder hingebracht, sensationell." Mehr Sorgen hat Rodlauer mit Sara Marita Kramer. Die Salzburgerin landete im ersten Springen von Ljubno nur auf Rang 18, nachdem sie zuletzt in Villach aufsteigende Form hatte erahnen lassen. Kramer kann auf Normalschanzen derzeit nicht ihr Fluggefühl ausspielen, die Titelverteidigung im Gesamtweltcup scheint außer Reichweite. (Sigi Lützow, 1.1.2023)

Ergebnis des Neujahrspringens in Garmisch-Partenkirchen:

1. Halvor Egner Granerud NOR 140,0 m/ 142,0 m – 303,7 Punkte
2. Anze Lanisek SLO 140,5 / 137,0 – 297,3
3. Dawid Kubacki POL 136,0 / 138,5 – 294,4
4. Manuel Fettner AUT 136,0 / 138,0 – 279,6
5. Jan Hörl AUT 136,0 / 138,5 – 278,9

6. Piotr Zyla POL 135,5 / 134,5 – 277,0
7. Daniel Tschofenig AUT 131,0 / 136,0 – 275,4
8. Andreas Wellinger GER 137,0 / 133,0 – 273,1
9. Kamil Stoch POL 135,0 / 134,5 – 272,7
10. Michael Hayböck AUT 128,5 / 140,0 – 269,8
11. Karl Geiger GER 131,5 / 131,0 – 264,9
12. Clemens Leitner AUT 129,5 / 135,5 – 262,2
weiter:
18. Stefan Kraft AUT 122,5 / 131,0 – 249,5
25. Philipp Aschenwald AUT 132,0 / 124,0 – 236,3

Stand Vierschanzen-Tournee nach zwei Bewerben:

1. Granerud (NOR) 616,1 Punkte
2. Kubacki (POL) 589,3
3. Zyla (POL) 576
4. Lanisek (SLO) 564,7
5. Geiger (GER) 558,3
6. Wellinger (GER) 558,3
7. Tschofenig (AUT) 554,2
weiter:
10. Kraft (AUT) 541,5
11. Fettner (AUT) 539,9

Stand Gesamtweltcup nach 10 von 32 Bewerben:

1. Kubacki 770 Punkte – 2. Lanisek 682 – 3. Granerud 616 – 4. Kraft 525. Weiter: 6. Fettner 359 – 8. Hayböck 217 – 9. Tschofenig 205 – 12. Hörl 181