Der Besuch "ad limina" ("an den Schwellen" der Apostelgräber) ist vom Kirchenrecht in regelmäßigen Abständen vorgesehen. Das heißt in der bischöflichen Praxis: Das heimische Episkopat muss Koffer packen und beim Papst antreten. So weit, so gewöhnlich. Doch in den letzten Jahren schwingt bei diesen bischöflichen Dienstreisen stets eine Frage mit: Wann verlautbart Papst Franziskus eine für die österreichische Kirche weitreichende Personalentscheidung?

Kardinal Christoph Schönborn sehnt die Pension herbei.
Foto: APA / Eva Manhart

Zu besetzen gilt es den klerikalen Chefsessel: Mit dem 75. Geburtstag muss jeder Bischof der katholischen Kirche seinen Rücktritt einreichen. Was Kardinal Christoph Schönborn in seiner Funktion als Erzbischof bereits 2020 mit dem Erreichen des offiziellen Pensionsalters auch getan hat. Die Antwort aus dem Vatikan kam damals prompt: Papst Franziskus behält Schönborn vorläufig und auf unbestimmte Zeit weiter im Amt. Seitdem herrscht im Haus Gottes ein klerikaler Schwebezustand zwischen Hoffnung – vor allem Schönborn selbst möchte gesundheitsbedingt leiser treten – und Spekulation. Doch wie aus Kirchenkreisen zu vernehmen ist, scheint eines klar: Solange Schönborn dem vatikanischen Synodenrat angehört und damit in die Vorbereitung dieses weltkirchlichen Projekts eingebunden ist, wird die erzbischöfliche Verlängerung kein Ende finden. Zudem wird dem Kardinal ein hervorragendes Verhältnis zu Papst Franziskus nachgesagt.

Torte statt vieler Worte

So wurde auch beim letzten Ad-limina-Besuch Mitte Dezember die heikle Frage ausgespart. Die Bischofsdelegation unter dem Vorsitzenden und Salzburger Erzbischof Franz Lackner stellte sich zwar bei Papst Franziskus mit einer Sachertorte und einem musikalischen Geburtstagsständchen ein. Das Thema Nachfolge kam aber offensichtlich nicht zur Sprache. "Der Papst hat eine Bemerkung gemacht, dass er meine Mitarbeit schätzt.

Er hat noch nicht von meinem Nachfolger gesprochen, aber es wird ihn sicher geben", führte Kardinal Schönborn nach dem Besuch in der vatikanischen Chefetage aus. Hinsichtlich einer möglichen Nachfolge als Erzbischof – das Kardinalsamt ist übrigens nicht automatisch mit dem Amt des Erzbischofs von Wien verbunden, Schönborn bleibt daher auch nach einer Abberufung Kardinal – kursieren seit geraumer Zeit mehrere Namen.

Marathonläufer ...

Seit der Übernahme des Amtes des Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz 2020 durch den Salzburger Erzbischof Franz Lackner von Schönborn ist für viele die Richtung klar. Der leidenschaftliche Marathonläufer, der als Spätberufener gilt und vor der Kirchenkarriere eine Lehre als Elektriker gemacht hat und dann UN-Soldat in Zypern war, gilt als zwischen den Lagern verortet. Selbst Insider haben Probleme, ihn im immer weiter auseinanderklaffenden kirchenpolitischen Spektrum zwischen konservativ und liberal einzuordnen.

Bleibt die Frage, ob Papst Franziskus auf Lackner, der sich in der kirchenpolitisch wichtigen Erzdiözese Salzburg gut eingelebt hat, tatsächlich an der Salzach verzichten kann. Vor allem vor der Hintergrund, dass noch es noch weitere Kandidaten gibt.

Rein fachlich gesehen geht eigentlich nur schwer ein Weg am Linzer Bischof Manfred Scheuer vorbei. Doch aus Kirchenkreisen ist zu vernehmen, dass es den exzellenten Theologen und erfahrenen Kirchenmann nicht auf die große Wiener Bühne zieht. Nur ungern würde der gebürtige Oberösterreicher seinen Linzer Bischofssitz verlassen.

... oder klerikaler Künstler?

Hoch im Kurs steht jedenfalls der Nachfolger Scheuers als Innsbrucker Oberhirte. Hermann Glettler, ausgebildeter Kunsthistoriker und leidenschaftlicher Künstler, führt seit 2017 die Diözese Innsbruck. Er gilt als liberaler Kirchenmann des Volkes und wird gerne als Hoffnungsträger einer neuen, moderneren Kirche gesehen.

Für viele gilt der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler als Hoffnungsträger einer moderneren Kirche. Offen ist, wie das konservative Lager auf eine Ernennung Glettlers zum Erzbischof reagieren würde.
Foto: APA /EXPA / Johann Groder

Der gebürtige Steirer galt in seiner Grazer Zeit als "Künstlerpfarrer" und ist in der Bischofskonferenz sicher die aktuell schillerndste Persönlichkeit. Zudem soll Glettler der heimliche Favorit von Kardinal Schönborn sein.

Und es gibt auch die innerkirchlich eher seltene Spezies jener Personen, die unbedingt nach höheren Weihen streben. So gilt der burgenländische Bischof Ägidius Zsifkovics als göttlicher Karrierist, der durchaus Gefallen daran finden würde, wenn ihm der Papst als neu ernanntem Erzbischof von Wien feierlich das Pallium überreichen würde. Doch die Vergangenheit hat eines gezeigt: Nur selten kommen die zum Zug, die wollen. Für die, die nicht wollen, aber auserwählt werden, gilt hingegen: "Der erste Schritt zur Demut ist Gehorsam ohne Zögern" (Regula Benedicti).

Ruhe im Haus Gottes

Zumindest aber übernimmt, wann auch immer, ein neuer Erzbischof von Wien ein Haus Gottes, in dem nach vielen turbulenten Jahren – in Erinnerung gerufen sei hier die spannungsgeladene Kirchenzeit mit Bischofsernennungen etwa von Hans Hermann Groër und Kurt Krenn, der Missbrauchsaffäre rund um Groër als schwerster österreichischer Kirchenkrise, dem Skandal im Priesterseminar St. Pölten – aktuell einigermaßen Ruhe eingekehrt ist. Angesichts sinkender Katholikenzahlen bleibt das Amt aber dennoch eine Herkulesaufgabe.

Man kann daher Kardinal Christoph Schönborn durchaus verstehen: Er empfinde "keine Amtsmüdigkeit, aber den Bedarf, dass wirklich bald und zügig an einen Nachfolger gedacht wird". (Markus Rohrhofer, 2.1.2023)