Klaus Mäkelä ist der kommende Mann, der schon was kann.

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Wenn das erschöpfte Jahr kurz davorsteht, den Dienst zu quittieren, in dieser nebelhaften Dazwischenzeit, tun dem desorientierten Menschen Konstanten gut. Eine fixe Größe ist diesbezüglich Beethovens Neunte; seit 198 Jahren versteht sie es, die Hörenden aufzurichten und Elan und Zuversicht zu entfachen. Nicht ganz so lange interpretieren die Wiener Symphoniker das Werk zum Jahreswechsel im Konzerthaus, aber doch schon eine ganze Weile.

Mit Klaus Mäkelä leitete am Wochenende einer der begehrtesten jungen Dirigenten diese Unternehmung. Mit seinen 26 Jahren ist der Finne schon Chefdirigent des Oslo Philharmonic Orchestra und Musikdirektor des Orchestre de Paris. Das Amsterdamer Concertgebouworchester hat sich für 2027 eine Option für die heißeste Aktie am Markt gesichert. Im Vergleich mit einer solchen Blitzkarriere schaut sogar sein Kollege Lorenzo Viotti (32) alt aus.

War toll

Mit dem italofranzösischen Schweizer teilt Mäkelä ein Faible für feinen Zwirn; Zweireiher versteht der Finne mit der Eleganz eines Cary Grant zu tragen. In Sachen Frisur und Figur wiederum erinnert der Schlacks, wie bei seinem ersten Auftritt am Freitagabend im Großen Konzerthaussaal zu bemerken war, frappierend an einen ehemaligen Staatssekretär, Außenminister und Bundeskanzler dieser Republik. Man kann es sich nicht aussuchen.

Und sein Dirigat der Neunten? War toll. Mäkelä agierte locker, lässig und lustvoll, immer swingend, tänzelnd, federnd. Auf touretteartige Auszucker folgen Augenblicke des totalen Laisser-faire. Ein Rockstar und Gentleman. Der Twen verstand es, den langsamen dritten Satz samt dessen Galanteriewarenüberangebot im Fluss und frei von jedem Kitsch zu halten. Auch den Fleckerlteppich des Finalsatzes einte er geschickt, das Freude-Thema steigerte er von Schlichtheit zu satter, sinnlicher Seligkeit.

Exzellentes Orchester

Das Scherzo könnte man auch als ein mechanisiertes Ballett einer Kriegsmaschinerie zeichnen, Mäkelä ließ die Holzbläser vornehm schnattern und blieb dem Terrain des Gefälligen verhaftet. Auch beim Kopfsatz kann man bei manch historisch informierter Interpretation die Kavallerie reiten hören, die kriegerische Prägung von Beethovens Wiener Jahrzehnten nachvollziehen – beim homogenisierten Klang des Instrumentariums eines modernen Konzertorchesters ist das natürlich weniger leicht möglich.

Neben den exzellenten Symphonikern beeindruckten die Wiener Singakademie und das hochkarätige Solistenquartett (Chen Reiss, Hanna Hipp, Tuomas Katajala und Shenyang) mit kraftvollem Elan. Stehende Ovationen nach einem extrem dynamischen Finish.

(Stefan Ender, 2.1.2023)