Ein Polizeimotorrad brennt während eines Protests gegen die iranische Sittenpolizei in Teheran.

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Teheran – Im Iran hat der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit den Protesten ein weiteres Todesurteil gegen einen Demonstranten bestätigt. Wie das Justizportal "Misan" berichtete, wurde der junge Mohammed B. verurteilt, weil er Sicherheitskräfte mit einer Waffe verletzt haben soll. Gemäß islamischer Rechtsauffassung im Iran lautete der Vorwurf "Kriegsführung gegen Gott", der mit dem Tod bestraft wird.

Menschenrechtler kritisieren die Verhandlungen im Schnellverfahren immer wieder als "Scheinprozesse". Nach einer Bestätigung durch den Obersten Gerichtshof können Urteile nicht mehr angefochten werden. Bisher wurden im Iran zwei Demonstranten wegen ihrer Beteiligung an Protesten hingerichtet. Laut iranischen Presseberichten stehen über 20 weitere Demonstranten auf der Todesliste der Justiz. Im Zuge der Proteste sind laut Menschenrechtsgruppen über 500 Demonstranten getötet worden. Das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten und insbesondere die beiden Hinrichtungen wurden im In- und Ausland verurteilt.

Erklärung der Exil-Opposition

Am Wochenende gingen Sicherheitskräfte in der kurdischen Stadt Jawanrud im Nordwesten des Landes erneut gewaltsam gegen eine Trauerfeier für getötete Demonstranten vor. Vertreter der iranischen Exil-Opposition haben sich in einer gemeinsamen Erklärung ungewohnt einig und siegesgewiss gezeigt. "Mit Organisation und Solidarität wird 2023 das Jahr des Sieges für die iranische Nation sein", schrieben die Aktivisten in einer am Montag verbreiteten Erklärung. Zu den Unterzeichnern gehören Kulturschaffende, Menschenrechtler und Sportler. 2023 werde "das Jahr der Freiheit und Gerechtigkeit im Iran".

Die Erklärung wurde von den Unterzeichnern vielfach in Onlinemedien geteilt, unter anderem von der US-Journalistin Masih Alinejad, dem Sohn des 1979 gestürzten letzten iranischen Schahs, Resa Pahlavi, dem iranischen Ex-Fußballstar Ali Karimi und der bekannten iranischen Schauspielerin Golschifteh Farahani.

Abzug westlicher Botschafter gefordert

Auch die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi verbreitete die Erklärung. In einem am Montag veröffentlichten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" zeigte sich die Menschenrechtsanwältin zudem überzeugt, dass sich "dieses Regime nicht mehr lange an der Macht halten" werde. Die westlichen Staaten forderte Ebadi auf, ihre Botschafter aus dem Iran abzuziehen und die iranischen Botschafter aus ihren Ländern ausweisen. Die Besitztümer von Ayatollah Ali Khamenei, dem geistlichen Oberhaupt des Landes, müssten konfisziert werden – "wie das bei den russischen Oligarchen passiert" sei, sagte Ebadi.

Die iranische Diaspora gilt hinsichtlich des Umgangs mit der islamischen Republik seit dem Sturz des Schahs im Jahr 1979 als gespalten. Doch angesichts der seit mehr als drei Monaten andauernden Proteste im Iran ist die Erklärung laut dem Iran-Experten Roham Alvandi von der London School of Economics "ein hoffnungsvolles Zeichen in dieser dunklen Zeit".

"Bedrohliche Ruhe"

Während die Straßenproteste in anderen Landesteilen jüngst eher abnahmen, berichteten Iranerinnen und Iraner von einer "bedrohlichen Ruhe" und zunehmender Hoffnungslosigkeit angesichts des gewaltsamen staatlichen Vorgehens und der Wirtschaftslage. Auch der Kopftuchzwang soll teils wieder strenger verfolgt werden, unter anderem durch Videoüberwachung.

Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 in Polizeigewahrsam. Die iranische Kurdin war von der sogenannten Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die im Iran geltenden islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden. Seither gibt es immer wieder Proteste gegen den repressiven Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem. (APA, 2.1.2023)