Wegen des umstrittenen Besuchs von Itamar Ben-Gvir rechnen Sicherheitsexperten mit Terroranschlägen der Hamas.

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Eine "Provokation neuen Ausmaßes" sei der Tempelberg-Besuch des rechtsextremen israelischen Politikers Itamar Ben-Gvir, empörte sich das palästinensische Außenministerium in einer Aussendung am Dienstag. Ben-Gvir hatte sich am Dienstag frühmorgens auf die für Juden heilige Stätte in Jerusalem begeben, die auch die für Muslime heilige Al-Aqsa-Moschee beherbergt. Er tat es nicht als Privatperson, sondern in seiner neuen Funktion als Sicherheitsminister Israels. Die Terrorgruppe Hamas hatte davor gedroht, mit "explosiver Gewalt" zu reagieren.

Eine Provokation war es wohl auch für Regierungschef Benjamin Netanjahu. Der hatte Ben-Gvir am Montag zum Gespräch geladen. Danach hieß es, er habe dem Neo-Minister das Versprechen abgerungen, den umstrittenen Besuch am Tempelberg zumindest zu verschieben. Am Morgen danach ging Ben-Gvir nichtsdestotrotz auf das sensible Gelände – begleitet von einer großen Menge an Polizisten und Leibwächtern. Er blieb für rund 15 Minuten und verließ das Areal wieder. Laut Polizei trugen sich "keine ungewöhnlichen Vorfälle" zu.

"Hand am Abzug"

Wenige Stunden vor seinem Besuch des Tempelbergs hatte sich Ben-Gvir von der Polizei bestätigen lassen, dass ein solcher Besuch trotz Hamas-Drohung vertretbar sei. Frühere Einschätzungen der Polizei waren zu einem anderen Ergebnis gekommen. Da war Ben-Gvir aber auch noch nicht Polizeiminister.

US-Botschafter Tom Nides erklärte der Nachrichtenplattform "Walla" in einer unmittelbaren Reaktion auf Ben-Gvirs Tempelberg-Besuch, dass jede drohende Veränderung des Status quo auf dem Tempelberg "inakzeptabel" sei.

Die islamischen Terrorgruppen beschränkten sich in ihren Reaktionen vorerst auf Worte: Man habe "die Hand am Abzug", schmetterte ein Vertreter des Islamischen Jihad. Alle Palästinenser seien aufgerufen, zur Al-Aqsa-Moschee zu kommen, um sie zu "schützen". Die Hamas titulierte die Aktion als "Aggression gegen unser Heiligtum und unsere arabische Identität".

Kritik aus Jordanien

Aus dem benachbarten Jordanien hieß es, man verurteile die Aktion aufs Schärfste. Es handle sich um einen "Angriff" auf den Moscheebereich, eine "Provokation und Verletzung des Status quo in den Heiligen Stätten in Jerusalem", erklärte das jordanische Außenministerium. Die internationale Gemeinschaft sei nun am Zug, entsprechend zu reagieren.

Die Zurückhaltung der Terrororganisationen mag täuschen. Laut dem Israelischen Institut für Sicherheitsstudien (INSS) haben Hamas und Islamischer Jihad ihre Strategie geändert. Anstatt durch Raketenbeschuss aus Gaza eine neue militärische Eskalation zu provozieren, die zu hohen Materialverlusten im Gazastreifen führen könnte, setzt man auf Terroranschläge. Primär seien das Angriffe auf israelische Militärposten im Westjordanland, aber auch auf Zivilisten in Israel. Es muss daher in den kommenden Wochen mit neuen Anschlägen gerechnet werden. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 3.1.2023)