Der Heist-Film-Klassiker "Rififi" aus dem Jahr 1955 zeigt vor, was eine Bande in Wien 2017 mit einem einträglichen Juwelendiebstahl nachahmte. Über vier Jahre später sitzt einer der Beteiligten vor Gericht.

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Wien – Gewerbsmäßigen schweren Diebstahl durch Einbruch wirft der Staatsanwalt dem Angeklagten Herrn Z. in seinem Eröffnungsplädoyer vor – und betont für das Schöffengericht unter Vorsitz von Tea Krasa, dass der 40-Jährige und seine Komplizen alleine bei einer Tat am Pfingstsonntag 2017 eine Beute von rund 340.000 Euro gemacht hatten. Die Bande hatte sich den Film-noir-Klassiker "Rififi" zum Vorbild genommen und waren durch einen Wanddurchbruch in den Tresorraum eines Juweliers in der Wiener Innenstadt eingestiegen.

Doch nicht nur dieser spektakuläre Coup macht die Verhandlung besonders, auch das Verhalten des Angeklagten, der in den Jahren 2017 und 2019 an insgesamt sechs Einbruchsdiebstählen beteiligt gewesen sein soll, ist außergewöhnlich. Da ihm DNA-Spuren zugeordnet werden konnten, wurde im Dezember 2019 ein Europäischer Haftbefehl gegen ihn erlassen. Von dem bekam der Kosovare in seiner Heimat irgendwann Wind – und kontaktierte eine Wiener Anwaltskanzlei, um sich zu stellen.

Angeklagter stellte sich im Kosovo

Verteidiger David Jodlbauer streicht das besonders hervor: Zunächst habe Z. einen Antrag auf freies Geleit gestellt, um zu verhindern, dass er im Abflug-Airport in Auslieferungshaft genommen wird. Monate versickerten offenbar in bürokratischen Kanälen, im vergangenen Oktober zog der Unbescholtene einen Schlussstrich. Er ging in eine Polizeistation in Kosovos Hauptstadt Prishtina und erklärte den überraschten Beamten, dass er in Österreich gesucht werde. "Er hat sich selbst gestellt. Der Europäische Haftbefehl hat da wenig gebracht, der funktioniert im Kosovo mittelprächtig bis gar nicht", unterstreicht Jodlbauer die Reue seines Mandanten.

Z., der seit zwei Jahren verheiratet ist und ein ebenso altes Kind hat, bekennt sich vollinhaltlich schuldig. "Wie kamen Sie dazu, da mitzumachen?", fragt Vorsitzende Krasa den Bauarbeiter, der zuletzt in seiner Heimat 350 Euro im Monat verdiente. "Es ging mir damals psychisch nicht so gut, ich habe diese Leute kennengelernt", erzählt er und nennt drei Namen. Später konkretisiert er seine psychischen Probleme: Er feierte, trank und schluckte Beruhigungsmittel, als ob es kein Morgen gäbe. "Wir sind wirklich Freunde geworden, die drei haben auch viel gespielt und haben mir dafür auch Geld geborgt", schildert der Angeklagte weiter.

Angeblich Job am Bau versprochen

2017 hätten ihm zwei Brüder aus dieser Gruppe verraten, dass sie in Österreich ein Bauunternehmen haben und er dort arbeiten könnte. Z. kam, von einem Job war dann aber keine Rede mehr, dagegen von offenen Forderungen. "Sie haben mir gesagt, dass ich ihnen viel Geld schulde und ich ihnen helfen müsse." Da er keine kriminellen Vorerfahrungen hatte, habe er nur Hilfsdienste geleistet, beteuert er – Werkzeuge bringen, bei den illegalen Bauarbeiten helfen, die Beute verstauen.

Dass Z. zunächst kein Profi war, könnte tatsächlich stimmen, immerhin wurden am ersten Tatort auch seine Fingerabdrücke sichergestellt. "Sie haben damals mit mir geschimpft, da ich keine Handschuhe mithatte", erinnert sich der Angeklagte. "Ich habe dann meine Socken ausziehen müssen und über die Hände streifen", lässt er übersetzen. Überhaupt hätten ihn die anderen "sehr schlecht behandelt. Sie sagten, ich bin ein Junkie und hätte noch immer Schulden bei ihnen", berichtet er. Und beteuert, nie einen Anteil der Beute erhalten zu haben.

Seit er seine nunmehrige Gattin kennengelernt hat, sei er hinsichtlich Rauschmitteln abstinent, schwört Z. auch. "Ich habe jetzt ein neues Lebensziel, meine Familie motiviert mich!", verdeutlich er dem Gericht. "Meine Frau hat mir sehr viel Mut gemacht", erinnert er sich an die Zeit, als er von der Fahndung nach ihm erfuhr, sie habe ihn auch dabei unterstützt, reinen Tisch zu machen und zu seinen Taten zu stehen.

Verdächtiges Gepäck in der Schweiz

Warum er dann in der Schweiz bei einer Polizeikontrolle mit Einbruchswerkzeug und Waffen erwischt wurde, interessiert sowohl die Vorsitzende als auch einen Schöffen. Der Angeklagte schwört, keine Waffe besessen zu haben, im hochpreisigen österreichischen Nachbarland sei er auf Party aus gewesen: "In Zürich gibt es eine der größten Discotheken Europas. Es ging mir damals schlecht, ich war immer betrunken, die anderen haben mich eingeladen", weicht er aus. "Ich dachte, sie machen das, weil sie meine Freunde sind", sagt er an anderer Stelle.

Der Juwelier, der seinen Schaden von der Versicherung ersetzt bekommen hat, zollt den Einbrechern als Zeuge fast ein wenig Respekt. "Nebenan war ein Restaurant. Am langen Wochenende sind sie dort eingebrochen und haben die Wand des WC zu unserem Tresorraum aufgestemmt. Dann haben sie die Seite des Tresors aufgeflext", berichtet er. Das habe sicher zwei bis drei Stunden gedauert, wegen der Feiertage habe das aber niemand im Haus bemerkt.

Insider-Verdacht bei Schmuckdiebstahl

"Das Faszinierende war, dass sie wussten, dass der drei Quadratmeter große Tresorraum der einzige ohne Bewegungsmelder gewesen ist", vermutet er einen Insider-Job. "Im Akt habe ich gelesen, dass es in der Filiale kurz davor Umbauarbeiten gegeben hat", merkt Krasa dazu an. "Wissen Sie vielleicht noch, was für eine Firma das war? Der Angeklagte behauptet nämlich, er sei im Kosovo von Männern angeworben worden, die ein Bauunternehmen in Österreich haben", hofft die Vorsitzende auf eine Spur. "Ja, das war ungefähr zwei Monate davor", bestätigt der Zeuge, er könne dem Staatsanwalt gerne die entsprechenden Unterlagen übermitteln.

Auch ein Supermarkteinbruch in Oberwaltersdorf im Jahr 2017 lief verdächtig problemlos ab, wie ein Zeuge des Handelskonzerns offenbart. "An diesem Tag war der Schlüssel für den Tresor in der Filiale, die Täter mussten nur noch die Schließfächer innen aufbrechen", sagt er und schließt sich ebenso wie die Juweliersversicherung mit der Beutesumme als Privatbeteiligter an. Z. akzeptiert es und verpflichtet sich zum Schadenersatz. Auch wenn er weiß, dass das utopisch ist: "Ich werde vielleicht zwei, drei Leben brauchen, um das zurückzuzahlen."

Familie als Versprechen

In seinem Schlusswort bittet der Angeklagte um eine milde Strafe und betont erneut, dass er sich vollständig geändert habe. "Ich bekomme im Mai das zweite Kind, es wäre schön, wenn ich dabei sein könnte. Seit ich meine Familie habe, bin ich ein zweites Mal geboren", verspricht er für die Zukunft gesetzestreues Verhalten.

Der Senat braucht nur rund zehn Minuten für die Urteilsberatung und erfüllt Z. seinen Wunsch nicht. Der 40-Jährige wird anklagekonform zu viereinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt, die nicht ganz drei Monate Auslieferungs- und Untersuchungshaft werden ihm angerechnet. Seine Unbescholtenheit und sein Geständnis seien zwar wichtige Milderungsgründe, begründet Krasa. Die Höhe der Beute, die mehrfache Tatwiederholung und die Begehung als "Kriminaltourist" seien aber erschwerend. Da sich Angeklagter und Staatsanwalt jeweils Bedenkzeit nehmen, ist das Urteil nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 3.1.2022)