Endlich Zeit für die Hausarbeit!

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Knapp ein Jahr ist es nun her, dass Amazon Games das koreanische Rollenspiel "Lost Ark" auch auf den heimischen Markt gebracht hat – und während sich die Vorfreude anfangs ob der Unbekanntheit der Marke in der westlichen Hemisphäre eher in Grenzen hielt, hat das Abenteuer sich inzwischen einen fixen Platz in den Top 10 der meistgespielten Games auf der Plattform Steam erkämpft.

Daran hat man sich gewöhnt, "Lost Ark" teilt sich diesen Evergreen-Status inzwischen mit anderen massentauglichen Titeln wie "Counter Strike: Global Offensive", "Dota 2", "PUBG" und "Apex Legends". Vergessen scheint fast, dass das Amazon-Game zum Launch mit ganz anderen Themen für Schlagzeilen sorgte: den teils elends langen Wartezeiten, bis Gamerinnen und Gamer endlich mal auf den Server kamen und spielen konnten.

Lange Wartezeiten in "Darktide"

Diesen Ruf hatte gegen Ende 2022 ein ganz anderes Spiel für sich beansprucht: "Warhammer 40.000: Darktide" ließ seine Fans so lange auf den rotierenden Totenschädel des Ladescreens starren, dass wir diesem Ärgernis einen eigenen Beitrag gewidmet haben. Und das, obwohl uns die Beta eigentlich überzeugt hatte und wir "Darktide" letzten Endes zu jenen Spielen zählten, mit denen wir im vergangenen Jahr am meisten und am liebsten Zeit verbracht haben.

Besonders gestraft dürften jene Menschen sein, die weder über ein High-End-Gaming-Rig noch über eine ultraschnelle Glasfaseranbindung verfügen – zu diesen Menschen gehöre ich: Teils habe ich gefühlt eine Viertelstunde allein mit Warten verbracht, während die Kumpels sich mit Kettensägenschwert durch Nurgles Horden frästen. War ich einmal im Spiel, so flog ich nicht selten vor Abschluss der Mission wieder heraus, meine Mitspieler wiederum kämpften mit Lags und dreschten auf Gegner ein, die nur sie sehen können, weil sie eigentlich schon längst besiegt waren.

Bitte warten? Halb so wild!

Bei "Lost Ark" habe ich mich über diese Widrigkeiten noch geärgert, bei "Darktide" war ich ein knappes Jahr reifer und weiser – und weiß somit, dass Geduld eine Tugend ist. Oder, anders gesagt: Ich habe gelernt, die langen Ladezeiten sinnvoll zu nutzen.

So kann die Wartezeit bei gemeinsamen Sessions genutzt werden, um den Flüssigkeitshaushalt im eigenen Körper zu optimieren, also entweder eine Pinkelpause einzulegen oder sich noch ein Bierchen aus der Küche zu holen. Lädt das Spiel nach der erzwungenen Bildschirmpause noch immer, so kann die verbleibende Zeit im Voice-Chat für Smalltalk genutzt werden: wie war Silvester bei Euch so? Ist der Hund gesund? Allesamt wichtige Fragen aus dem echten Leben, die während einer hektischen Schlacht nicht ausreichend behandelt werden können.

Noch besser kann die Zeit genutzt werden, wenn man mit Fremden spielt – denn da fehlt der soziale Druck, sich im Voice-Chat mit den Kumpels bemerkbar zu machen. Da habe ich es in letzter Zeit auch schon mal geschafft, während der Ladezeit die Wäsche aufzuhängen, die Post zu holen oder den Müll runterzubringen. So sauber war es zu Hause noch nie. Danke, "Darktide".

Was bringt 2023?

Man kann also geradezu sagen: Diese langen Ladezeiten sind kein Fehler, sondern ein Feature – und zwar eines, das mich zu Bildschirmpausen animiert und mir zu mehr Lebensqualität verhilft. Da wirkt es fast schon betrübend, dass die Verantwortlichen offensichtlich ein wenig an den Servern geschraubt haben, mich inzwischen schneller ins Spiel lassen und mich somit meiner wertvollen Zeit für die Hausarbeit berauben.

Bleibt also die Frage: Welches Game wird diese Lücke im kommenden Jahr füllen und mich mit erzwungenen Bildschirmpausen beglücken? So manches Onlinegame könnte hier eine entscheidende Rolle spielen. "Skull and Bones" zum Beispiel. Auf das warten wir auch so schon dermaßen lange, dass wir in der Zwischenzeit sogar andere Spiele komplett durchgespielt haben. (Stefan Mey, 6.1.2022)