Parteichefin Rendi-Wagner und ihr Kontrahent Doskozil: Wer in der eigenen Partei nicht fest im Sattel sitzt, wird es auch schwerhaben, das Vertrauen der Wählerschaft zu erwerben.

Foto: Matthias Cremer

Eigentlich sollte das Treffen die Konturen der Partei schärfen. Auch der SPÖ ist bewusst: Solle aus dem Kanzleranspruch, den die Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner gestellt hat, mehr werden als ein bloßer Wunsch, werde es auch mehr brauchen als die Ansage desselben. Zu wenig sichtbar sei die Parteichefin selbst, seien vor allem aber die Anliegen, die sie vertrete.

Für die zweitägige Klausur des Bundesparteipräsidiums in Klagenfurt, die am Mittwoch begann und Donnerstagmittag per Pressekonferenz enden wird, hat man sich deshalb fünf konkrete Punkte vorgenommen. Die Teuerung bei Lebensmitteln und Mieten will man etwa ins Visier nehmen; das Gesundheitssystem, die Versorgungssicherheit und die Bildung; und sogar bei dem von der Sozialdemokratie bislang vernachlässigten Thema Migration will man nun mit eigenen Konzepten aufwarten.

Misstöne unüberhörbar

Über etwas anderes hat man im roten Präsidium nur informell gesprochen. Dafür interessierte es alle Außenstehenden umso mehr. Im Fokus der meisten Berichte zur roten Klausur stand nämlich der große Abwesende – Rendi-Wagners interner Rivale Hans Peter Doskozil. Burgenlands Landeshauptmann mit Ambitionen auf den Chefsessel im Bund hat sich schon vor bald zwei Jahren per Brief an die Parteichefin aus dem Bundesparteivorstand zurückgezogen. Er wolle den Genossen einen Neustart ermöglichen und werde deshalb künftig nicht mehr als stellvertretender Parteivorsitzender kandidieren, schrieb er damals. Die Misstöne zwischen den Zeilen waren unüberlesbar.

Dass ausgerechnet ein Mann, der dem Parteivorstand nicht mehr angehört, die Schlagzeilen über dessen Klausur beherrscht, ist bezeichnend für ein Kernproblem der SPÖ: Eine politische Bewegung kann sich bemühen, wie sie will, bei ihrer Themenauswahl greifbarer zu werden und Inhalte auf den Tisch zu legen. Wenn die Führungsfrage umstritten ist, bedeutet das permanente Unruhe in der Partei. Das erschwert nicht nur konsistente politische Arbeit an sich, sondern erst recht eine überzeugende Kommunikation nach außen: Wer in der eigenen Partei nicht fest im Sattel sitzt, wird es auch schwerhaben, großes Vertrauen der Wählerschaft zu erwerben.

"Stinkt medial ab"

"Man kann auf Parteiklausuren diverse Stunts ausführen", sagt der Politikberater Thomas Hofer zum STANDARD. "Wenn aber jeder nur darauf wartet, wann Doskozil seinen nächsten Angriff startet, ist es nebensächlich, ob man einen Fünf- oder Zehnpunkteplan präsentiert." Stehe die Personalfrage erst einmal im Raum "stinkt alles andere medial ab", sagt der Politologe.

Denn Doskozil und sein Team schießen sich regelmäßig auf die Parteichefin ein. Zuletzt per lancierte Umfrage, die Doskozil bessere Chancen auf das Kanzleramt attestiert. Die Strategie dahinter könne nur lauten, Rendi-Wagner k. o. zu schießen, sagt Hofer. Ob der Plan zum Erfolg führen kann, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Gerade in der Funktionärsschicht macht sich Doskozil mit seinen Querschlägen immer unbeliebter. Eine Mehrheit der Funktionärinnen und Funktionäre bräuchte er aber, um selbst Parteichef werden zu können. (Martin Tschiderer, 4.1.2023)