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Scheinbar egal, was man tut, nichts ändert sich: Wie bleibt man trotzdem an seinen Neujahrsvorsätzen für das Klima dran?
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Verfolgt man die fast täglich schlechten Nachrichten zum Klimawandel, schwindet schnell das Gefühl jeder Hoffnung. Der Eindruck entsteht, dass es "eh schon egal" ist. Eine gewisse Müdigkeit macht sich breit, eine gewisse Angst und Machtlosigkeit. Aber nun hat ein neues Jahr begonnen – also wieso nicht einen neuen Versuch starten? Wir haben eine Psychologin und einen Psychologen gefragt, wie es gelingen kann, nicht wieder in einen Alltagstrott zu verfallen und seine Vorsätze für ein klimafreundliches Leben endlich durchzuziehen. Und wie kommt man gegen die Klimaangst an?

"Das Wichtigste ist, sich einzugestehen, dass die Reaktion auf die Klimakrise eine ganz normale, sinnvolle Reaktion ist", meint die Psychologin Anna Pribil, die auch Mitglied bei den Psychologists for Future ist. Sie sagt: Im Gegensatz etwa zu der Angst vor Spinnen oder der vor Vorträgen sei die Klimaangst real "und nicht behandlungswürdig". Was nichts daran ändere, dass es Strategien brauche, um daran nicht zu verzweifeln. Entscheidend sei eine gute Selbstfürsorge – dazu gehöre, eine Struktur im Alltag zu haben, genug zu schlafen, sich ausreichend zu bewegen und gesund zu ernähren. "Man sollte sich auch Zeit für schöne Dinge gönnen. Das trägt zur Lebenszufriedenheit bei." Negative Nachrichten zur Erderhitzung sollte man wiederum nur in kleinen Dosen konsumieren.

Vorsätze auch umsetzen

Gegen die "Schockstarre", die viele empfinden, könne es auch helfen, ins Handeln zu kommen. Aktiv zu werden erzeuge ein Gefühl, das man in der Psychologie Selbstwirksamkeit nennt. Wer beginnt, bewusst Plastik zu reduzieren, oder vom Auto auf die Bahn umsteigt, hat wahrscheinlich eher das Gefühl, zur Bewältigung der Krise beizutragen. Besonders effektiv seien jedoch Aktionen, bei denen man Veränderungen politischer Natur bewirkt, wie etwa Demonstrationen. Oder solche, mit denen man andere zum Umdenken bringt.

Um motiviert zu bleiben, gelte es, sein "Warum" zu finden, sagt Pribil, die auch zu Umweltthemen berät. Diese ganz persönliche Motivation könne beispielsweise sein, eine schöne Welt für seine Kinder erhalten zu wollen. "Wenn man Gefahr läuft einzuknicken, erinnert man sich wieder daran." Besser als Neujahrsvorsätze ("Ein Jahr ist eine zu lange Zeit") seien übrigens Monatsziele. Sie könne man besser im Blick behalten, regelmäßig evaluieren und gegebenenfalls adaptieren.

Bei jeder positiven Veränderung gehe es letztlich auch ums Durchhalten – nach etwa 30 Tagen sind neue Gewohnheiten etabliert, erklärt die Expertin. Gerade anfangs sollte man sich selbst aber auch Ausnahmen gestatten. "Wenn man zu dogmatisch ist, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass man aufgibt. Besser man isst einmal pro Woche Fleisch, als man gibt den Veganismus nach einem Monat wieder auf." Zu streng mit sich selbst sollte man ebenfalls nicht sein.

Eine Wish-List erstellen

Als eine einfache und gleichzeitig wirksame Übung für ein umweltbewussteres Leben nennt Anna Pribil die sogenannte Wish-List. Wie der Name schon sagt, notiert man sich darauf die Dinge, die man sich wünscht oder gerne kaufen würde. Diese Dinge lässt man sich einige Zeit lang durch den Kopf gehen. Nach einigen Tagen oder Wochen kommt man dann vielleicht zu dem Schluss, dass man den einen oder anderen Artikel gar nicht so dringend braucht. Noch ein Trick: "Anstatt etwas neu zu kaufen, könnte man schauen, ob es nicht auch auf eine andere Art zu bekommen wäre. Kann man es vielleicht ausleihen? Gibt es den Artikel gebraucht?"

Die Psychologin hat noch eine wirksame Strategie gegen zu viel Konsum: Dankbarkeit. Sie sagt: "Wir denken immer, wenn wir dies haben oder das erreichen, werden wir endlich glücklich sein. Und dann haben wir schon wieder das nächste Ziel vor Augen." Wer dankbar dafür ist, was er hat, sei wesentlich zufriedener – und brauche keine pausenlosen Einkäufe für die tägliche Dosis Dopamin. Dankbarkeit lasse sich übrigens auch trainieren, etwa mit einem sogenannten Dankbarkeitstagebuch. Darin notiert man sich vor dem Schlafengehen, wofür man an diesem Tag dankbar ist. "So erkennt man schnell, dass das nur selten materielle Dinge sind, sondern fast immer Gespräche, Menschen oder schöne Momente."

Kleine Erfolge feiern

"Das Problem beim Klimaschutz ist, dass wir die Veränderungen nicht direkt sehen können", sagt Thomas Brudermann, Umweltpsychologe und Nachhaltigkeitsforscher an der Universität Graz. Wer zum Beispiel weniger Auto fährt, merkt dabei nicht, dass er damit dem Klima etwas Gutes getan hat. Das direkte Feedback fehlt. Eine Selbstverpflichtung, ein gewisses "Commitment" zu einem klimafreundlichen Verhalten könne deshalb beim Durchhalten helfen. Ebenso, kleine Erfolge bei seinen Vorhaben zu feiern.

Weil langjährige Gewohnheiten nur schwer zu verändern sind, brauche es ein gewisses Momentum. Wenn sich die Lebensumstände ändern, sei das womöglich eine gute Gelegenheit, gewisse schädliche Gewohnheiten abzulegen. Das könne zum Beispiel sein, wenn man in eine neue Stadt zieht. "Dann muss man ohnehin alle Wege neu lernen, und es ist vielleicht leichter, auf das Fahrrad umzusteigen", sagt Brudermann. Auch die Geburt eines Kindes sei womöglich ein günstiger Moment. "Viele entscheiden sich dann zum Beispiel dazu, ihre Ernährung umzustellen."

Gehe man eine Veränderung zusammen mit anderen an, falle sie leichter. Eine Möglichkeit sei beispielsweise, einen gemeinsamen "Veggie-Tag" einzuführen, an dem man gemeinsam mit Freundinnen und Freunden vegetarische Gerichte ausprobiert. Das sporne viel mehr an, "als wenn ich es zu Hause alleine für mich mache", sagt Brudermann.

Nicht nur mühsam

Der Umweltpsychologe hält es schließlich auch für wichtig, seinen Blick auf die Dinge zu verändern. Anstatt des Verzichtes könne man sich die positiven Aspekte eines nachhaltigen Lebens vor Augen führen. "Wenn ich weniger Fleisch esse, dann muss ich es nicht als Verzicht sehen. Ich kann es auch auch als eine Abenteuerreise in die wunderbare vegane Welt sehen." Ähnlich beim Aufgeben des Autos: Vielleicht kommt man dadurch ja zu mehr Bewegung und einem gesünderen Leben? Und bereist Regionen, die man davor noch nicht kannte? Diese "positiven Narrative" seien ganz entscheidend – nicht nur in der öffentlichen Diskussion, sondern auch für den persönlichen Antrieb, ist der Psychologe überzeugt. "Denn die Katastrophenszenarien bringen uns nicht weiter, sondern lösen in uns in erster Linie Angst und Ablehnung aus."

Und wie positiv blickt er in das Jahr 2023, wenn es um die Bewältigung der Klimakrise geht? "Meine zweckoptimistische Hoffnung ist, dass wir die Chancen besser nützen als im Jahr davor", sagt Brudermann knapp. Nichts zu tun sei ohnehin keine Alternative. Anna Pribil ist ebenfalls optimistisch, "auch wenn der Klimagipfel eine Katastrophe war. Aber so viele Menschen engagieren sich – und es führt kein Weg daran vorbei, dass wir die Kurve noch kriegen." Die beste Methode, Klimaangst zu reduzieren, wären Pribil zufolge übrigens "sinnvolle Lösungen von der Politik". (Lisa Breit, 10.1.2023)