Die deutschen Ermittler wurden nach Hinweisen von US-Kollegen aktiv.

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Castrop-Rauxel – Im Zusammenhang mit dem Antiterroreinsatz gegen zwei iranische Brüder in Deutschland haben die Ermittler weitere Durchsuchungen durchgeführt. Betroffen seien zwei Garagen, die dem Älteren der beiden zugeordnet werden, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf am Montag. Sie sollen versucht haben, Gift für einen islamistisch motivierten Anschlag zu beschaffen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung wurde dieses aber nicht gefunden.

Unterdessen wurde bekannt, dass der jüngere Bruder zum Zeitpunkt der Festnahme noch eine Haftstrafe abzusitzen hatte. Er war im Jahr 2019 wegen versuchten Mordes zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Die Strafe büßte er in einer Entziehungsanstalt in der Stadt Hagen ab, durfte aber angesichts einer Lockerung am Wochenende teils bei Familienangehörigen übernachten.

Ast auf Autobahn

Der heute 25-Jährige hatte laut der Staatsanwaltschaft im Juli 2018 nachts einen großen Ast von einer Brücke auf die Autobahn 45 geworfen. Er traf damit ein Auto, die 32-jährige Fahrerin wurde durch Glassplitter verletzt. Bei der Tat war er betrunken. Wegen seiner Suchterkrankung wurde angeordnet, dass er nach eineinhalb Jahren im Gefängnis in eine Entziehungsanstalt gebracht wird.

Die Ermittlungen im Fall wurden unterdessen weiter von der Generalstaatsanwaltschaft Nordrhein-Westfalen geführt. Die für Terrorismus zuständige Bundesstaatsanwaltschaft habe bisher von einer Übernahme des Falls abgesehen, hieß es von der Behörde. "Wir stehen mit den zuständigen Behörden in Düsseldorf und Nordrhein-Westfalen in Kontakt und beobachten die Entwicklungen", sagte eine Sprecherin.

Suche nach Giftstoffen

Die Ermittler durchsuchten am Montag zwei Garagen in einem Hinterhof in Castrop-Rauxel, über die der 32-jährige Bruder verfügte. Unter anderem sei die sogenannte Analytische Task Force der Feuerwehr im Einsatz, um einen sicheren Umgang mit gegebenenfalls gefährlichen Stoffen gewährleisten zu können, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Es werde eine Dekontaminationsstrecke aufgebaut. Wie lange der Einsatz dauern werde, sei noch nicht abzuschätzen, sagte er.

Die Brüder waren in der Nacht auf Sonntag festgenommen worden. Sie sollen versucht haben, die Giftstoffe Cyanid und Rizin für einen Anschlag zu beschaffen. Bei der Durchsuchung der Wohnung des 32-Jährigen wurden diese aber nicht gefunden.

Tipp von US-Geheimdienst

Am Sonntagabend wurde gegen die beiden Brüder Haftbefehl erlassen. Wie konkret die möglichen Anschlagspläne fortgeschritten waren und was das Ziel gewesen wäre, blieb zunächst unklar. Die deutschen Ermittler waren wegen eines Tipps von Kollegen aus den USA aktiv geworden.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul kritisierte das Zögern der deutschen Politik bei der Informationsbeschaffung im Internet. "Wir sind in Deutschland da sehr zurückhaltend", befand der CDU-Politiker im ZDF-"Morgenmagazin" am Montag. Die internationale Zusammenarbeit bei den Sicherheitsbehörden funktioniere dagegen so gut, dass sehr schnell Informationen übermittelt würden. Die Polizei habe "von einem auf den anderen Tag" alle Vorbereitungen treffen und die jungen Männer festsetzen können.

Hochgefährliches Gift

Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: In einem 15-stöckigen Gebäude in der Hochhaussiedlung Chorweiler hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst. Ein ausländischer Geheimdienst schöpfte wegen der Onlinekäufe großer Mengen Rizinus-Samen Verdacht und gab einen Tipp. Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt.

Ein Gutachten ergab: Rein rechnerisch hätten durch die Giftmenge 13.500 Menschen sterben können. Bei der geplanten Verbreitung durch eine mit Stahlkugeln gespickten Streubombe wären es etwa 200 Tote gewesen.

Ob der in Castrop-Rauxel geplante Terror ähnliche Dimensionen hätte haben können, ist unklar. Am Morgen nach dem großen Zugriff war in der kleinen Einkaufsstraße schon nichts mehr von dem Einsatz der Spezialkräfte zu sehen. Ein Fenster in der durchsuchten Wohnung war etwas geöffnet, nirgendwo brannte Licht. Streifenwagen fuhren gelegentlich an dem Gebäude vorbei. Nachtschwärmer, die an dem Gebäude vorbeikamen, reagierten ungläubig, als sie von dem großen Einsatz gegen Mitternacht hörten. (APA, dpa, red, 9.1.2023)