Die Kleberinnen und Kleber sind in vielen Städten aktiv: Das Bild zeigt, wie ein Klimaaktivist seine Hand auf die Fahrbahn am Karlsplatz in der Münchner Innenstadt klebt.

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Straßenblockade in Wien-Neubau Montagmorgen.

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Wien – Pünktlich zum Ende der Weihnachtsferien hat die Umweltgruppe Letzte Generation eine "Aktionswoche" in Wien angekündigt. Täglich wollen die Aktivistinnen und Aktivisten ab Montag zentrale Verkehrsknotenpunkte blockieren. Montagmorgen begannen sie damit, Straßen vor Schulgebäuden in der Burggasse, der Gymnasiumstraße, der Rossauer Lände und der Wiedner Hauptstraße zu blockieren – wobei letztere Aktion nicht zustandekam, da sie von der Polizei verhindert wurde. Die drei weiteren nicht angemeldeten Versammlungen wurden behördlich aufgelöst und der Verkehr konnte jeweils nach rund 45 Minuten wieder freigegeben werden, gab die Polizei bekannt. Insgesamt waren ihren Angaben zufolge 14 Personen an den Blockaden beteiligt. Es wurden 38 Anzeigen nach dem Versammlungsgesetz, Sicherheitspolizeigesetz und nach der Straßenverkehrsordnung gelegt.

VIDEO: Kurz vor Schulbeginn nach den Weihnachtsferien wurden vor Schulgebäuden in der Burggasse, der Gymnasiumstraße und an der Roßauer Lände "verkehrsberuhigte Zonen geschaffen", wie es die Aktivisten nannten. Laut Polizei kam es zu umfangreichen Verkehrsbehinderungen.
DER STANDARD

In einer Aussendung forderten die Aktivistinnen und Aktivisten die Regierung auf, "die eigenen Klimaziele endlich ernst zu nehmen und umgehend die einfachsten, billigsten Maßnahmen wie Tempo 100 auf der Autobahn" umzusetzen: "Jeden Tag müssen sich unsere Kinder auf dem Weg zur Schule durch eine Verkehrshölle quälen, weil wir Städte immer noch für Autos statt für Menschen bauen. Heute sorgen wir für sichere Schulwege."

Vorexerziert wurde die Protestform bereits im Herbst: Immer wieder klebten Protestler damals ihre Hände mit Superkleber auf den Asphalt. Polizeisprecherin Barbara Gass bestätigte am Montag mehrere Einsätze, die um 7.45 Uhr begonnen hatten. Nach weniger als einer Stunde waren die vier Aktionen wieder aufgelöst. Die Letzte Generation will allerdings weitermachen: "Wir kommen morgen wieder", schrieb die Gruppe auf Twitter.

Aktivisten vor deutscher Botschaft attackiert

Die Gruppen System Change, not Climate Change ("Systemwandel statt Klimawandel") und Lobau bleibt nahmen am Montag ebenfalls an den Protesten teil. Die Aktivistinnen und Aktivisten demonstrierten vor der deutschen Botschaft in Wien gegen den geplanten Braunkohleabbau in Lützerath in Nordrhein-Westfalen und gegen den großangelegten Polizeieinsatz gegen die dort protestierenden Aktivisten. Ihre Forderungen fassten sie in einem offenen Brief zusammen.

Einer Aussendung der Gruppe zufolge kam es während der Solidaritätskundgebung zu einem Angriff durch einen Passanten. "Eine Person attackierte die friedlichen Demonstrierenden und überschüttete diese mit einer ätzenden Flüssigkeit aus einer Bleichmittelflasche", hieß es in der Aussendung. Eine Person habe dadurch Verletzungen an der Hand erlitten und sei ins Krankenhaus gebracht worden. Die Polizei sei erst eingeschritten, nachdem sie von anderen Protestierenden dazu angehalten worden sei, werfen die Klimaschützer der Polizei vor.

Polizeisprecherin Gass bestätigte dem STANDARD, dass eine Frau eine Flüssigkeit über die Versammlungsteilnehmer geleert habe. Nach einer ersten optischen Einschätzung dürfte es sich um verdünnten Lack gehandelt haben, jedoch nicht um Bleichmittel, das wesentlich fatalere Folgen gehabt hätte. Die Frau wurde wegen des Verdachts der Körperverletzung angezeigt und sofort vernommen. Wann die Beamten vor Ort genau eingeschritten sind und ob sie eigenmächtig eingeschritten sind, könne man aber erst nach Vorliegen des Einsatzberichts sagen.

Sicherheitsgipfel geplant

Die Politik reagierte auf die angekündigten Proteste bereits präventiv. Wohl nicht zufällig schloss sich Niederösterreichs wahlkämpfende Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner am Wochenende dem Ruf der FPÖ nach einer härteren Gangart gegen die Urheber derartiger Aktionen an.

Wer Straßen blockiere, gefährde unter Umständen Menschenleben, weil Rettungskräfte im Stau feststecken könnten, argumentiert die ÖVP-Politikerin. Derartige Aktionen sollten deshalb nicht bloß als Verwaltungsdelikt gelten, sondern mit dem Strafrecht geahnt werden, so die Forderung – im schlimmsten Fall sollte der Staat auch Freiheitsstrafen androhen.

Offensichtlich erzeugten die verhängten Geldstrafen keine abschreckende Wirkung, sagt Mikl-Leitner: "Es entsteht der Eindruck, es handle sich um ein Kavaliersdelikt." In Niederösterreich soll am Dienstag ein Sicherheitsgipfel zu Klimablockaden stattfinden.

Deutsches Vorbild

Konkret vermisst die Landespolitikerin hierzulande einen Passus, wie er sich in Paragraf 315b des deutschen Strafgesetzbuches findet. Wörtlich heißt es dort: "Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er 1. Anlagen und Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt, 2. Hindernisse bereitet oder 3. einen ähnlichen ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Mikl-Leitner beruft sich auf "Zuschriften und Anrufe" aus den Reihen der Einsatzorganisationen, in denen sich massive Sorgen offenbart hätten. Am Dienstag lädt sie Vertreter von Rotem Kreuz, Polizei und Feuerwehr zu einem eigenen "Sicherheitsgipfel".

Klimaaktivisten hingegen versprechen, selbst Vorkehrungen zu treffen: Für eine Rettungsgasse bleibe immer eine Spur frei. Sie beschreiben ihre Aktionen als eine Art Notwehr. Demos, Petitionen und Diskussionen hätten allesamt nicht gefruchtet, um ausreichende Maßnahmen gegen den Klimawandel durchzusetzen. Deshalb bleibe keine andere Wahl als drastischere Mittel. (jo, red, APA, 9.1.2023)