Die Eckdaten des Projekts sind imposant. Zwischen fünf und neun Milliarden Euro will die türkis-grüne Koalition 2023 an Energiehilfen für Betriebe lockermachen. Diese Summe entspricht im teuersten Szenario immerhin 2,3 Prozent der Wirtschaftsleistung Österreichs. Zum Vergleich: Für Familien und Jugend werden heuer laut Budgetplan 8,1 Milliarden Euro vom Staat ausgegeben, der gesamte Bildungssektor kostet 2023 etwas über elf Milliarden Euro.

Das große Energiehilfspaket hat die Regierung kurz vor dem Jahreswechsel präsentiert – und zwar mit dem Argument, dass damit der Wirtschaftsstandort Österreich abgesichert werden soll. Denn in Deutschland hat die Ampelkoalition ihrerseits eine Strom- und Gaspreisbremse für Unternehmen im Jahr 2023 beschlossen, Kanzler Olaf Scholz sprach ob der Größe des Pakets von einem "Doppel Wumms".

Wenn Österreich nun seinerseits nichts tue, drohe der Verlust von Arbeitsplätzen, so ÖVP und Grüne unisono, immerhin ist Deutschland der wichtigste Handelspartner. Zahlen und Analysen, etwa von Wirtschaftsforschern, um die Behauptung der Regierung zu untermauern, wurden allerdings nicht vorgelegt. Wie viele Arbeitsplätze genau werden gerettet? Das bleibt somit unklar.

Immerhin liegt nun eine erste Analyse vor, in der die Energiehilfen in Österreich und Deutschland 2023 verglichen werden. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass in Österreich an einen großen Teil der Betriebe deutlich mehr Geld zugeschossen werden dürfte als in Deutschland. Und: Es wird vor allem dort mehr bezahlt werden, wo zweifelhaft ist, ob es überhaupt einen Konkurrenzdruck aus dem Ausland für die heimischen Unternehmen gibt.

Wird wieder überfördert?

Erstellt hat die Analyse Lukas Stühlinger, Geschäftsführer von Fingreen, einem Beratungsunternehmen zur Finanzierung von Energie- und Umweltprojekten. Er spricht von einer "starken Überförderung" im Verhältnis zu Deutschland. In Österreich werde vor allem der Gasverbrauch deutlich stärker subventioniert als in Deutschland.

Worauf stützen sich diese Einschätzungen? Der Energieexperte hat verschiedene Berechnungen durchgeführt und sich angesehen, wie hoch die Hilfen in Österreich und Deutschland sind. Dies je nach Höhe des Energieverbrauchs und der Energiekosten der Unternehmen. Besonders mittelständische Industriebetriebe dürften demnach in Österreich von deutlich höheren Zuschüssen profitieren.

Ein Rechenbeispiel für einen größeren mittelständischen Produktionsbetrieb mit fünf Gigawattstunden Strom- und zehn Gigawattstunden Gasverbrauch: Im österreichischen Fördermodell werden diesem Unternehmen vom Staat heuer 45 Prozent seiner gesamten Energiekosten abgenommen. In Deutschland dagegen nur 14 Prozent. Die Differenz entspricht etwa 600.000 Euro, wobei in dieser Rechnung nur direkte Energiekosten, also nicht Steuern und Netzgebühren, berücksichtigt sind.

Deutschland fördert weniger

Wie kommt es zu dieser Differenz? Das liegt insbesondere daran, dass in Deutschland die Förderung erst ab einem gewissen Preisniveau einsetzt: Die Stromkosten werden für die Industrie bei 13 Cent und für Gas bei sieben Cent je Kilowattstunde fixiert. Die deutsche Regierung zahlt also die Differenz zwischen diesen Beträgen und den tatsächlichen Marktpreisen. Für den Anteil an Strom- und Gaskosten, der unterhalb dieser Schwellenwerte liegt, kommt die Regierung nicht auf. Dieser Teil der Kosten wird nicht bezuschusst.

In Österreich funktioniert das Modell anders. Hier setzen die staatlichen Zuschüsse bereits früher an, jeder Preisanstieg wird subventioniert, auch ein geringerer. Abgestellt wird bei den Förderungen auf den Verbrauch der Betriebe im Jahr 2021. Da die meisten Unternehmen längerfristige Lieferverträge haben, oft über zwei Jahre, waren die Energiepreise laut Stühlinger für Unternehmen 2021 noch niedrig. Ein Strompreis von sechs Cent und ein Gaspreis von zwei Cent je Kilowattstunde waren damals verbreitet. Das österreichische Modell fördert bereits jeden Cent des Preisanstieges darüber, in Österreich gibt es keine Schwelle.

Bei Energiehilfen hantieren Energieministerin Leonore Gewessler und Arbeitsminister Martin Kocher mit dem großen Besteck.
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In der ersten Stufe des Fördersystems gibt es bis zu zwei Millionen Euro an Steuergeld für Betriebe. Dabei nimmt der Staat den Unternehmen in Österreich maximal 60 Prozent der zusätzlichen Kosten ab, wobei die gesamten Energieausgaben bezuschusst werden. Auch deshalb ist das System etwas generöser als in Deutschland, denn dort gilt der Preisdeckel nur für 70 Prozent des Gasverbrauchs aus dem Jahr 2021. Den restlichen Anteil müssen die Unternehmen zu Marktpreisen berappen.

Österreichs Modell ist insbesondere dann deutlich lukrativer für Unternehmen, wenn der Anstieg der Energiepreise begrenzt, also etwa auf dem aktuellen Niveau bleibt, sagt Stühlinger. Da wirke sich aus, dass in Deutschland kleine Preisanstiege nicht gefördert werden.

In der zweiten Stufe der Energieförderungen ist auch in Österreich eine Bremse eingebaut, hier wird ebenfalls nur bei einem höheren Energiepreisniveau bezuschusst, eine entsprechende Sicherung ist eingebaut. Bei großen Industriebetrieben gleichen sich also die staatlichen Zuschüsse wieder an.

Das System führt laut Stühlinger dazu, dass große mittelständische Hotels oder Bäckereien vom österreichischen Modell mehr profitieren, "und da ist die Frage berechtigt, ob diese Unternehmen überhaupt in Wettbewerb mit deutschen Betrieben stehen".

Rufe nach mehr Treffsicherheit

Die Direktorin des arbeitgebernahen Thinktanks Eco Austria, Monika Köppl-Turyna, sieht das Problem ähnlich. Es wäre "treffsicherer", in der ersten Stufe der Energiehilfen nicht so stark zu bezuschussen, zumal hier jene kleineren Unternehmen Geld beantragen können, "die nicht zwangsläufig exportorientiert sind".

Stühlinger selbst schlägt vor, die Kriterien in der Förderstufe eins zu überarbeiten und nicht jeden Cent des Preisanstiegs zu bezuschussen.

Da Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) als einer der führenden Ökonomen Österreichs gilt, ist unwahrscheinlich, dass dem Wirtschaftsministerium bei der Ausgestaltung des Systems ein Lapsus passiert sein könnte. Wahrscheinlicher dürfte sein, dass hier mittelständische Betriebe als Stammklientel der ÖVP besonders generös bedacht werden sollen. Die Wirtschaftskammer hat stark auf den Zuschuss gedrängt.

Insgesamt gibt es in Österreich beim Energiekostenzuschuss fünf Förderstufen. In den ersten beiden entfällt die Voraussetzung des Nachweises einer Mindestenergieintensität. In höheren Stufen werden die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfen zunehmend strenger. Das System mit den unterschiedlichen Stufen ist prinzipiell von der EU-Kommission vorgegeben. (András Szigetvari, 9.1.2023)