Tropische Wälder spielen eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel. Wie kompliziert die Situation sein kann, zeigt sich am Amazonas-Regenwald, dem durch seine schiere Größe zentrale Bedeutung zukommt. Der Wald war zuletzt Spielball politischer Interessen: Während der neu gewählte brasilianische Präsident Lula große Schutzprogramme plant und in seiner ersten Amtszeit als Präsident bereits umgesetzt hat, hatte sich unter seinem Vorgänger Jair Bolsonaro die Rodung massiv beschleunigt. In einer Art Torschlusspanik wurden viele Flächen "auf Vorrat" gerodet, ohne konkrete Nutzungsabsicht und nur, um möglichen Schutzprogrammen zuvorzukommen.

Eine gerodete Regenwaldfläche nahe der Stadt Itaituba. Hier befindet sich der Amazonia-Nationalpark.
Foto: imago images/Westend61

Besonders problematisch ist, dass der Boden nach der Abholzung zunehmend erodiert und seine fruchtbare Erdschicht verliert. Ein möglichst effektives Aufforsten ist nötig und wird als wesentlicher Teil von Klimaschutzstrategien angesehen.

Dass eine Aufforstung vollständig gerodeter Wälder funktioniert, zeigt sich in unseren Breiten: In der Forstwirtschaft ist es durchaus üblich, ganze Waldflächen kahlzuschlagen und dann auf einmal wieder aufzuforsten. Nachteilen durch verstärkte Bodenerosion stehen Vorteile bei der vereinfachten Aufforstung gegenüber.

Feldforschung in Malaysia

Durch das Aufforsten verlorener Regenwaldflächen sollte sich das freigesetzte CO2 erneut binden und der Schaden begrenzen lassen. Ein Nullsummenspiel, so scheint es. Doch nun zeigt eine neue Studie, dass diese einfache Strategie dem Praxistest nicht standhält. Ein Team um die Forscherin Maria Mills von der Universität Leicester untersuchte in Malaysia elf verschiedene Regenwaldregionen, in denen es zu unterschiedlich starker Abholzung gekommen war. Man konzentrierte sich dabei besonders auf die Dynamik des Bodens und die damit verbundene CO2-Bilanz.

Türme mitten im Regenwald sind eine wichtige Möglichkeit zur Erforschung von biologischen Abläufen im Wald. Dieser hier befindet sich im Amazonasgebiet und ist über 300 Meter hoch. Der vom Forschungsteam verwendete Turm hatte eine Höhe von 50 Metern.
Foto: Sebastian Brill / MPI-C

Zur Untersuchung verwendete das Team sogenannte Eddy-Kovarianz-Messungen, die von einem 50 Meter hohen Messturm aus vorgenommen wurden. Damit ist eine direkte Messung des Austauschs von Energie, Wasser und Gasen zwischen dem Boden und der bodennahen Atmosphäre möglich. Besonders interessant für die Forschung ist, dass sich auf diese Weise die natürlich "Atmung" der Wurzeln im Boden und die Zersetzung von Totholz durch Mikroben unterscheiden lässt. Innerhalb von sieben Jahren konnten die Forschenden so an 455 Tagen Messungen vornehmen.

Das Ergebnis: Die abgeholzten Flächen sind für mindestens zehn Jahre eine Nettoquelle für CO2, und zwar auch dann, wenn sie wieder aufgeforstet wurden. Diese Erkenntnisse veröffentlichte das Team im Fachjournal "PNAS".

Lob und Kritik von Fachleuten

In der Fachwelt zeigt man sich erstaunt über das Ergebnis: "Das relativ lange Anhalten der negativen Kohlenstoffbilanz ist überraschend", sagt Sven Günter vom Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut, der von der genauen Bilanzierung der Arbeit begeistert ist.

Auch Almut Arneth vom Karlsruher Institut für Technologie unterstreicht den Wert der Arbeit: "Die Bodenkomponente fällt häufig unter den Tisch, wenn es um den Einfluss von Holzeinschlag auf die Funktion von Wäldern als Kohlenstoffsenke geht."

Allerdings wird der verhältnismäßig kurze Beobachtungszeitraum von zehn Jahren bemängelt. Das mache die Interpretation der Ergebnisse schwierig, bemerkt etwa Günter: "Wie lange der Effekt der Bodenatmung nach Rodung anhält, ist dann eine ganz andere Frage." Günter stellt außerdem infrage, ob das Ergebnis von den betrachteten südostasiatischen Tropenwäldern auf bewirtschaftete tropische Wälder im Allgemeinen zu übertragen sei. Laut ihm könnte der hohe Kohlenstoffausstoß mit übermäßig viel Totholz durch unvorteilhafte Bewirtschaftungsmethoden zu tun haben. "Um verallgemeinerbare Schlussfolgerungen für die Praxis ziehen zu können, ist es wichtig, die Befunde auch für Bestände zu prüfen, die unter Nachhaltigkeitskriterien bewirtschaftet werden", sagt Günter.

Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München erinnert daran, dass ein nachhaltig bewirtschafteter Wald sehr wohl eine CO2-Senke darstellen könne, "insbesondere wenn die Holzprodukte langlebiger Natur sind, wie etwa als Konstruktionsmaterial". Almut Arneth wünscht sich Folgeuntersuchungen.

Ein abgebranntes Waldstück im Amazonas-Regenwald. Viele Flächen werden hier zu Spekulationszwecken gerodet.
Foto: imago images/ZUMA Wire

Im Fall des malaysischen Tropenwalds zeigt sich jedenfalls, dass ein Aufforsten die schädlichen Folgen der Rodung von Wäldern für das Klima nicht kompensieren kann. "Generell ist es so, dass der Stopp der weiteren Abholzung natürlicher Wälder an allererster Stelle steht, was deren Klimawirksamkeit anbelangt – mit essenziellem Mehrwert für Biodiversität oder Wasserhaushalt", sagt Arneth. (Reinhard Kleindl, 10.1.2023)