"Best Tourism Villages": Mit dieser Auszeichnung würdigt die Welttourismusorganisation (UNWTO) ländliche Reiseziele, die den Tourismus als Motor für Entwicklung und neue Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten nutzen und gleichzeitig gemeinschaftsbezogene Werte und Produkte bewahren und fördern. So nachzulesen auf der entsprechenden Website der UN-Organisation.

Es sind Dörfer, die sich für Innovation und Nachhaltigkeit in all ihren Aspekten – wirtschaftlich, sozial und ökologisch – einsetzen und sich auf die Entwicklung des Tourismus im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung konzentrieren. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 32 Dörfer aus 18 Ländern in den fünf Weltregionen mit der Auszeichnung bedacht.

Hier sind sieben interessante europäische Kandidaten – darunter drei aus Österreich:

Kaunertal, Österreich

Foto: TVB Tiroler Oberland Kaunertal/ThomasVielgut

Das Kaunertal liegt in der Gegend des Gepatschferners, des zweitgrößten Gletschers Österreichs. Er ist Teil eines Naturparks, der auf Initiative der lokalen Bevölkerung gegründet wurde. Seit 2021 umfasst dieser 40 Prozent der gesamten Naturfläche der Region. Kulturell hat das Kaunertal eine ausgeprägte Identität, einen eigenen Dialekt, eine reiche Geschichte und charakteristische Traditionen und Bräuche. Darüber hinaus spielt die Religion eine zentrale Rolle in der sozialen und kulturellen Entwicklung der Gemeinde. "All diese Traditionen werden aufrechterhalten, das Brauchtum aktiv gepflegt", stellt man bei der UNWTO fest. Das kulturelle Erbe wird im Zeitzeugenarchiv Kaunertal gesammelt. "Es bietet eine einzigartige Visualisierung und Aufwertung der lokalen Traditionen und der Identität des Kaunertals."

Vor der Entwicklung des Tourismus war das Tal von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft geprägt. Mit dem Projekt "Clean Alpine Region" stellte sich das Kaunertal den Herausforderungen eines nachhaltigen Tourismus mit besonderem Augenmerk auf die Anpassung an den Klimawandel und den Schutz der Umwelt. Spezielle Projekte zum Ersatz von fossilen Energieträgern bei Heizung und Mobilität sind Teil der Bemühungen des Tals. Auf Initiative des Naturparks sind seit 2020 auf "Naturparkgestaltung" spezialisierte Unternehmen unter Vertrag und bieten langfristige Unterstützung an. Hauptziel der Initiative ist die Generierung von Wertschöpfung in Bezug auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter, regionale Produkte und klimafreundliches Wirtschaften.

"Das Kaunertal zeichnet sich durch sein Engagement für die Barrierefreiheit für Menschen mit besonderen Bedürfnissen aus", heißt es weiter: Sie ist seit vielen Jahren ein Schwerpunktthema und wird bei allen Projekten des Dorfes berücksichtigt. Die "Kaunertaler Bergfreiheit" für Menschen mit eingeschränkter Mobilität wurde sogar von anderen Initiativen wie dem Naturpark und der Tourismusbranche übernommen.

Wagrain, Österreich

Foto: Wagrain-Kleinarl Tourismus/Coen Weesjes

Der Ort im Pongau, Salzburg, mit seinen rund 3.000 Einwohnern ist ein bekanntes Skigebiet, aber eigentlich ein zweisaisonales Reiseziel, das zunehmend versucht, die Aufmerksamkeit auf seine Wandermöglichkeiten zu lenken. Der Hausberg Öbristkopf mit einer Höhe von rund 1.400 Metern ist einer der beliebtesten Gipfel Salzburgs. Der höchste Punkt von Wagrain liegt auf dem südlichen Gabelgebirge und ist 2.037 Meter hoch.

Die traditionelle Almwirtschaft wird seit Jahrhunderten praktiziert und ist sehr wichtig für den Schutz der alpinen Kulturlandschaft, befindet die UNWTO. Das kulturelle Erbe hat bei den Einheimischen einen hohen Stellenwert und wird an die nächsten Generationen weitergegeben. Dies zeigt sich in dem ausgeprägten traditionellen Vereinsleben. Für das Dorf ist es auch wichtig, diese Traditionen den Touristen zu vermitteln und erlebbar zu machen. Aus diesem Grund hat das Dorf einen Kulturverein gegründet, um das kulturelle Leben in Wagrain auf vielfältige Weise zu fördern und zu erhalten.

Wagrain-Kleinarl Tourismus wurde von den Gemeinden Wagrain und Kleinarl ins Leben gerufen, die sich auf Nachhaltigkeitsfragen, die Entwicklung von Bewusstseinswegen und die Umsetzung einer E-Mobilitätsstrategie im E-Bike-Bereich konzentrierten. Im Jahr 2020 beschloss das Dorf, sich mit Hilfe des Green Destinations Certification Programms einem Zertifizierungsprozess zu unterziehen, der die Global Sustainable Tourism Council (GSTC)-Standards erfüllt. Seit Mitte 2022 ist das Dorf die erste und einzige Destination in Österreich, die mit der vom GSTC akkreditierten Zertifizierung von Green Destinations ausgezeichnet ist.

Zell am See, Österreich

Foto: Schmittenhöhebahn AG/MR.OFFENBLENDE

Zell am See im Salzburger Land ist im Winter als Skidestination und im Sommer als Wander- und Radfahrziel bekannt. Erklärtes Ziel sei es, das Angebot in der Region für Einheimische und Besucherinnen und Besucher ständig zu verbessern, hält die Welttourismusorganisation fest.

Der Nationalpark Hohe Tauern ist eine der spektakulärsten Hochgebirgslandschaften der Erde, wird weiters festgestellt. Hier gebe dort viele Pflanzen- und Tierarten, die nur in diesem Ökosystem vorkommen. Im Ort finden auch verschiedene Veranstaltungen wie der "Zeller Stadtmarkt" statt, bei dem Lebensmittel von regionalen Produzenten angeboten werden. Die Schmittenhöhe ist nicht nur für das Skifahren im Winter bekannt, sondern auch für ihre touristischen Attraktionen im Sommer, darunter die Sommerbergbahnen. Die Gemeinde hat ein Kunstprojekt auf der Schmittenhöhe ins Leben gerufen. Es handelt sich um den ersten "Kunst- und Kulturberg" Österreichs und damit um die größte Ausstellungsfläche Europas.

Im Rahmen eines Programms namens Klima und Energie Modell Region (KEM) hat Zell am See über einen Zeitraum von drei Jahren elf Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit in der Region umgesetzt. Nur zwei Regionen in Österreich seien KEM-zertifiziert, betont man bei der UNWTO. Man konzentriere sich auf die Abfallreduzierung, mehr Sonnenkollektoren und die Produktion von Lebensmitteln, die nur von lokalen Einzelhändlern gekauft werden können. Diese Maßnahmen unterstützen sowohl die lokalen Unternehmen als auch die Gemeinde. Der erste vollständig elektrifizierte Skibus wurde 2021 eingeführt und fährt natürlich nur mit nachhaltigem Strom.

Gruyères, Schweiz

Foto: EPA/LAURENT GILLIERON

Das Dorf Gruyères bezieht seinen Charme aus dem Mittelalter, liest man bei "Best Tourism Villages". Es gab der Region La Gruyère und ihrem Käse, Le Gruyère AOP, seinen Namen. Die Voralpen und der Naturpark Gruyère Pays d'Enhaut, zu dem Gruyères gehört, laden zum Wandern ein. Der Berg Moléson, das Wahrzeichen des Kantons Freiburg, liegt nur wenige Kilometer von Gruyères entfernt. Das weithin sichtbare Schloss Gruyères aus dem 13. Jahrhundert dominiert den Ort. Das Museum und die Bar des Oscar-prämierten Künstlers H.R. Giger zeigen die fantastischen Werke des Schöpfers von Alien.

Einheimische Produkte sind ein wichtiger Teil der Identität von Gruyères. Die Landwirtschaft ist tief in der Identität des Dorfes verwurzelt und steht im Mittelpunkt der touristischen Entwicklung , insbesondere im Zusammenhang mit der Herstellung des Gruyère, dessen Entstehung man in der der Schaukäserei "La Maison du Gruyère" beiwohnen kann. Das Dorf sei letztendlich ein Beispiel dafür, wie eine Bergdestination ganzjährig nachhaltig sein kann, befindet die UNWTO.

Mokra Gora, Serbien

Das Dorf Mokra Gora liegt zwischen den südöstlichen Hängen des Berges Tara und den südwestlichen Hängen des Berges Zlatibor im Tal Mokra Gora-Rzav. Die Region beherbergt zahlreiche Pflanzenarten von nationaler und internationaler Bedeutung. 102 Arten sind durch die Verordnung über die Bestimmung und den Schutz streng geschützter und geschützter wildlebender Pflanzen-, Tier- und Pilzarten geschützt. Die Wälder der Region sind für die Regulierung der ökologischen Bedingungen in der unmittelbaren und weiteren Umgebung von wesentlicher Bedeutung und leisten einen wichtigen Beitrag zu den globalen und regionalen Ökosystemen.

Das Gebiet des Dorfes Mokra Gora sei zudem eine Fundgrube für kulturhistorische Werte, Traditionen, ethnologisches Erbe und Volksarchitektur, die den Geist und die kulturelle Identität der Bevölkerung widerspiegeln, befindet die UNWTO. Die wechselvolle Geschichte dieser Region an der Grenze zwischen Ost und West hat zahlreiche Spuren, Kulturdenkmäler und spirituelle Zeugnisse hinterlassen. Die traditionellen Wohnhäuser in Mokra Gora und seinen Weilern sind alte walachische Blockhütten mit einer tragenden Wandkonstruktion aus Stein und einem vierseitigen Dach aus Schindeln oder Holzscheiten. Heute ist nur noch ein Bruchteil der traditionellen Haushaltsstrukturen in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben.

Die Einwohner von Mokra Gora bewahren und betreiben noch immer ihr traditionelles Handwerk, liest man. Viele Haushalte bewahren, wenn auch nur teilweise, einige der traditionellen Handwerke. Noch heute ist die Region der einzige Teil Serbiens, in dem zum Beispiel die traditionelle Teerherstellung erhalten geblieben ist.

Radovljica, Slowenien

Radovljica sei die "süßeste" slowenische Kleinstadt, auch bekannt als die Stadt mit den meisten Sonnenstunden in Gorenjska, heißt es in der Beschreibung der UNWTO. Sie liegt auf einer Terrasse des Flusses Sava, nur wenige Kilometer vom weitaus bekannteren Bled entfernt. Die Infrastruktur von Radovljica und die Lage an den Verkehrskorridoren und in der Nähe von Flüssen und Bergen bieten das ganze Jahr Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Das ganze Jahr über finden eine Reihe von Veranstaltungen, Aufführungen und Shows statt. Am bekanntesten ist das Schokoladenfestival, das jedes Jahr im April stattfindet.

"Taste Radol'ca" wiederum ist ein Projekt, das darauf abzielt Landwirte und Restaurants miteinander in Verbindung zu bringen, damit sie lokal produzierte Zutaten zur Herstellung typischer Gerichte verwenden können.

San Ginesio, Italien

San Ginesio ist ein kleines Dorf mit weniger als 3.200 Einwohnern in der Region Marken. Seit dem Mittelalter, als es eine der wichtigsten Städte der Markgrafschaft Ancona und des Herzogtums Camerino war, ist es ein Zentrum der Kultur und des Wissens, liest man. San Ginesio ist berühmt für seine 100 Kirchen. Der Schutzpatron der Stadt ist der katholische Beschützer des Theaters und der Schauspieler, so dass die Geschichte von San Ginesio untrennbar mit den darstellenden Künsten und den Theatern verbunden ist. Das erste feste Theater der Region Marken wurde 1547 in San Ginesio errichtet.

San Ginesio war auch der Geburtsort von Alberico Gentili, einem Juristen des 16. Jahrhunderts, der viel über internationales Recht schrieb. Er wurde vom Hof von Königin Elisabeth I. von England und von der Universität Oxford angeworben. Heute bewahrt ein Studienzentrum im Dorf sein geistiges Erbe.Eine städtische Kunstgalerie, die nach dem modernen römischen Rechtsexperten "Scipione Gentili" benannt ist, bewahrt Gemälde von Künstlern wie Simone De Magistris und Nicola Da Siena auf.

Apropos Naturerbe – San Ginesio wird als "Balkon der Sibillini" bezeichnet: Seine einzigartige Lage in den Sibillini-Bergen ermöglicht einen Blick, der vom Monte Conero über die Adria bis zum Monte Gran Sasso reicht. Die Stadt liegt im Nationalpark der Sibillini, einer Naturlandschaft mit ausgedehnten Wäldern und Schluchten, die ein reiches Erbe an mittelalterlicher Geschichte und Volksmärchen (wie das von Sibilla, der antiken Zauberin, nach der die Berge benannt sind) aufweist.

San Ginesio hat sich an der Erprobung fortschrittlicher Programme zur digitalen Medizin sowie zur Prävention und Bewältigung von Erdbeben und anderen Naturkatastrophen beteiligt. Im Rahmen einer Partnerschaft mit der Stiftung Aristide Merloni beteiligte sich der Ort auch an dem Projekt Rinasco (italienisch für "wiedergeboren"), das eine Reihe von Initiativen zur Förderung des sozialen Zusammenhalts und des Wirtschaftswachstums in erdbebengeschädigten Gebieten Italiens umfasst. (red, 9.1.2023)