Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

PRO: Schön im Takt bleiben

von Markus Rohrhofer

Man bemüht als gelernter Österreicher nur ungern einen positiven Vergleich mit dem deutschen Nachbarn. Doch wenn es um den Schwung der Tanzbeine geht, lohnt durchaus ein Blick nach Deutschland. Der Dresdner Semper-Opernball gilt etwa als Ball der Bälle. Und steht auch als Zeichen einer deutschen Feier-Einheit: Jährlich tänzeln rund 2500 Gäste in und 15.000 Zuschauer vor der berühmten Oper glücklich durch die Ballnacht.

In Österreich wird außerhalb der Staatsoper selten mitgefeiert. Man hat die Wahl zwischen einer Handvoll Demonstranten, die heute nur mehr Mitleid erregen. Und dann wären da noch die Neider und Nörgler, deren Selbstbewusstsein an der Ecke des Wohnzimmertisches endet. Die "Eat the Rich"-Fraktion, der beim Klang der Sektflöten der Tinnitus einfährt und deren wutrote Gesichter mit jedem Red Carpet mithalten.

Man muss nicht schön sein, um auf den Wiener Opernball gehen zu können, reich sein ist bei einem Kartenpreis von 350 Euro – heuer mit "Solidaritätsaufschlag" – und bis zu 13.000 Euro für eine Loge kein Fehler. Ja, der Opernball ist ein elitäres Treffen. Aber auch eine unvergleichliche Traditionsveranstaltung. Ein glamouröses Aushängeschild weit über Österreich hinaus. Und der kulturelle Rahmen für einen Moment der Sorglosigkeit. Und diesen gilt es in einer unruhigen Welt über alle gesellschaftlichen Grenzen hinweg gemeinsam zu genießen. Ob nun in der Oper oder vor dem Fernseher. (Markus Rohrhofer, 9.1.2023)

KONTRA: Zeit für eine neue Tradition

von Guido Gluschitsch

Der Wiener Opernball ist endgültig aus der Zeit gefallen. Dieses Schaulaufen von D-Promis, Stockkonservativen, Industriellen und Politikern passt nicht in eine Periode der Krisen. Schon gar nicht, wenn diese Selbstbeweihräucherung zum guten Teil mit dem Geld von jenen Leuten finanziert wird, die nicht dabei sein sollen, wollen und schon gar nicht können.

Wir zahlen mit Steuergeld Politiker, damit sie uns gut durch die Krise bringen. Stattdessen gießkannen sie mehrere Milliarden Euro Finanzhilfe über die Wirtschaft. Damit am Ende Politiker und Industrielle von geförderten Betrieben doch noch gemeinsam in der Oper Champagner schlürfen können?

Durch unsere GIS-Beiträge machen wir es zudem möglich, dass uns der ORF über mehrere Kanäle auf dem Laufenden hält, wer sich wie am Parkett aktuell blamiert. Der Pöbel soll ja auch was haben von dem Fest, das er mitfinanziert hat. Am besten von zu Hause aus. Das einfache Volk hat aktuell ohnedies andere Probleme – weder dürstet es besonders nach kaltem Schaumwein noch giert es nach Bildungsauftrag.

Corona-bedingt ist der Opernball zwei Jahre lang ausgefallen. Abgegangen ist er kaum jemandem. Das Leben ging weiter, ohne dass sich die Bussi-Bussi-Gesellschaft dort erklärte, wie schön, reich und wichtig sie sei. Eine neue, bessere Tradition wäre endlich der sorgsame Umgang mit unserem Geld. (Guido Gluschitsch, 9.1.2023)