Popper räumte ein, Passagen "unreflektiert" übernommen zu haben.

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Weber ist immer wieder mit aufsehenerregenden Plagiatsgutachten aufgefallen.

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Bei mehr als 30 Seiten seiner Diplomarbeit an der Technischen Universität Wien aus dem Jahr 2001 soll der Simulationsforscher Niki Popper aus dem Internet plagiiert haben: Zu diesem Ergebnis kommt der Plagiatsgutachter Stefan Weber nach Sichtung der Arbeit.

Popper, der während der Coronapandemie aufgrund seiner Computermodelle bekannt wurde, beschrieb in der Diplomarbeit eine Simulation der Durchblutung der menschlichen Lunge. Allerdings habe er dabei weitreichend Passagen aus medizinischer Literatur unsauber übernommen. So fänden sich Weber zufolge an bislang 30 Stellen, die teils eins zu eins übernommen wurden, keine Quellenangaben – von Anführungszeichen, die ein Zitat kennzeichnen würden, ganz zu schweigen.

Fast die Hälfte angeblich plagiiert

In der Mathematik sei es gängig, im Fließtext Quellen anhand von eckigen Klammern anzugeben, sagt Weber zum STANDARD. Das habe Popper auf den ersten 30 Seiten seiner Arbeit allerdings verabsäumt. Im Endeffekt betreffe das fast die Hälfte des Fließtextes der Arbeit Poppers, konstatiert der Plagiatsgutachter. Dabei sei wörtlich abgeschrieben worden, auch im Literaturverzeichnis gebe es keinen Hinweis auf die Originalquelle. "Das hätte dem Betreuer auffallen müssen", und er hätte Popper darauf hinweisen müssen, dass die Quellenangaben fehlen, findet Weber.

Popper selbst sieht die Vorwürfe auf Anfrage gelassen: Würden diese stimmen, so müsse man das prüfen, sagt er zum STANDARD. Der erste Teil seiner Arbeit, den Weber kritisiert, sei als Erläuterung von Grundlagen gedacht. Darin habe er den Aufbau und die Funktion der Lunge aus der Literatur zusammengefasst.

Popper für Prüfung offen

Dadurch habe er das Werk für Techniker verständlich machen wollen. Im weiteren Verlauf der Arbeit gehe es dann um mathematische Modelle, um die Durchblutung der Lunge darzustellen. Webers Vorwurf, er habe in diesem ersten Teil nicht korrekt zitiert, könne Popper nicht näher kommentieren, da er noch keine Version seiner damaligen Arbeit vorliegen habe. Popper räumte aber ein, Passagen "unreflektiert" übernommen zu haben. Er stehe für die Aufarbeitung zur Verfügung. Grundsätzlich sei Webers Prozedere "völlig zulässig".

Weber kündigte auf seinem Blog an, auch die Dissertation Poppers kritisch zu überprüfen. Popper selbst unterstütze diese Untersuchung und stehe für eine Kontaktaufnahme mit dem Plagiatsgutachter bereit. Weber gibt an, dass er für seine Nachforschungen auch ältere Versionen der Wikipedia herangezogen habe.

Weber: Kein Auftrag, sondern Eigeninitiative

Weber ist in den vergangenen Jahren immer wieder mit aufsehenerregenden Plagiatsgutachten aufgefallen – darunter etwa gegen die ehemalige ÖVP-Arbeitsministerin Christine Aschbacher, die deswegen ihren Posten räumen musste. Zuletzt war er aber auch in Kritik geraten, weil er einer gefälschten Originalquelle auf den Leim gegangen war. Diese dürfte erstellt worden sein, um einen prominenten deutschen Rechtsmediziner zu diskreditieren, wie die "Zeit" in einer ausführlichen Recherche aufdeckte. Den Auftraggeber für das falsche Gutachten wollten Weber und sein Kollege, der deutsche Plagiatsprüfer Martin Heidingsfelder, gegenüber der Wochenzeitung nicht bekanntgeben.

Auf Anfrage erklärt Weber, dass es sich bei der Prüfung von Niki Poppers Arbeiten um keinen Auftrag handle, sondern er ausschließlich aus Eigeninitiative recherchiert habe. Er würde sich zum Jahrestag von Aschbachers Rücktritt regelmäßig eine Arbeit genauer ansehen. (muz, 9.1.2023)