Bisher ist unklar, ob Biden wusste, dass Dokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe im Kasten seines privaten Büros lagen.

Foto: IMAGO/Cover-Images

Washington – In einem privaten Büro von US-Präsident Joe Biden sind geheime Regierungsdokumente aus dessen Zeit als Vizepräsident entdeckt worden. Die Dokumente seien beim Ausräumen von Bidens Büroräumen im Penn Biden Center for Diplomacy and Global Engagement in der US-Hauptstadt Washington im November gefunden worden, teilte das Weiße Haus am Montagabend mit.

Das Zentrum gehört zur University of Pennsylvania. Biden habe die Büroräume in dem Zentrum nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Vizepräsidenten 2017 bis etwa 2020 genutzt, hieß es weiter.

Der Fund ist für Biden heikel, denn mit einem ähnlich Fall hatte sein Vorgänger Donald Trump im Sommer für einen Skandal gesorgt. Dessen Kritik ließ nun nicht lange auf sich warten.

Zusammenarbeit mit Nationalarchiv und Justizministerium

Dem Weißen Haus zufolge sind die Dokumente in einem verschlossenen Kasten entdeckt worden, als die persönlichen Anwälte Bidens mit der Räumung des Büros begannen. Dort betont man auch, dass es zum aktuell von FBI und Behörden untersuchten Fall rund um die bei Ex-Präsident Donald Trump gefundene Dokumente entscheidende Unterschiede gibt: Die Unterlagen seien nach ihrem Fund umgehend dem Nationalarchiv übergeben worden, währenddessen Trump in seinem Fall nicht selbst auf die ausständigen Dokumente aufmerksam gemacht, sondern diese vielmehr versteckt hatte. "Die Dokumente wurden von den Anwälten des Präsidenten entdeckt", betonte Richard Sauber, Sonderberater Bidens. Die persönlichen Anwälte Bidens würden nun mit Nationalarchiv und dem Justizministerium zusammenarbeiten.

Der Demokrat Biden war von 2009 bis 2017 Vizepräsident unter dem damaligen Präsidenten Barack Obama. Dem Sender CNN zufolge handelt es sich bei den nun gefundenen Unterlagen etwa um ein Dutzend Dokumente, darunter auch Papiere mit höchster Geheimhaltungsstufe. Es blieb offen, welchen Inhalt die Unterlagen hatten und inwieweit Biden wusste, dass diese in dem Kasten lagen.

Unterschied zu Trump

Dass das Weiße Haus nun darauf pocht, die Dokumente selbst gefunden und übergeben zu haben, verwundert nicht. Die Dokumente in Trumps Fall wurden im August letzten Jahres bei einer Hausdurchsuchung auf Trumps Anwesen in Florida entdeckt und hatten eine ganze Reihe von Angriffen der Demokraten auf ihn zur Folge, ebenso wie Ermittlungen unter anderem wegen Justizbehinderung (die bei Biden, dessen Team selbst auf die Papiere aufmerksam machte, wegfallen dürften).

Gegen Trump laufen Untersuchungen wegen der Mitnahme geheimer Regierungsdokumente in sein privates Anwesen nach dem Abschied aus dem Weißen Haus. Trump könnte sich damit strafbar gemacht haben. Die Bundespolizei FBI hatte nach der Razzia diverse Verschlusssachen beschlagnahmt, einige mit höchster Geheimhaltungsstufe. Noch ist offen, ob Trump am Ende angeklagt werden könnte.

Der Fall hatte im Sommer für riesiges Aufsehen in den USA gesorgt – mittlerweile beschäftigt sich ein Sonderermittler damit. Trump tut das Ganze immer wieder als "politische Hexenjagd" ab. Biden ließ es sich nicht nehmen, Trumps Verhalten in dem Fall als "unverantwortlich" zu bezeichnen.

Höchste Geheimhaltungsstufe

Anders als nun bei Biden war in Trumps Fall ein Streit mit dem Nationalarchiv vorausgegangen, das die Unterlagen von Präsidenten verwaltet. Es versuchte monatelang, von Trump Papiere aus dessen Amtszeit zu bekommen. Zwar hatten Trumps Anwälte schließlich Dokumente übergeben. Doch mutmaßten die Beamten, dass Trump oder sein Team weiter Unterlagen zurückhielten, was nicht erlaubt ist. Im Durchsuchungsbefehl waren damals als mögliche Grundlage für etwaige Beschlagnahmungen drei Straftatbestände aufgeführt: Das Sammeln, Übermitteln oder Verlieren von Verteidigungsinformationen, das Entfernen oder Zerstören offizieller Dokumente sowie das Zerstören oder Verändern von Dokumenten, um Ermittlungen zu behindern.

Trump argumentierte später immer wieder, die Geheimhaltung der Dokumente selbst aufgehoben zu haben. Amtierende Präsidenten haben zwar weitreichende Befugnisse, Informationen freizugeben und die Geheimhaltung aufzugeben. Doch so einfach wie Trump es darstellt, dürfte es in diesem Fall nicht sein. Für die Freigabe von Dokumenten gibt es ein formelles Verfahren. Auch Vizepräsidenten haben die Befugnis, Dokumente freizugeben – allerdings in anderem Maße als Präsidenten. In Bidens Fall sind nun noch viele Fragen ungeklärt. CNN berichtete, dass einige bei ihm gefundene Dokumente die höchste Geheimhaltungsstufe gehabt hätten.

Kritik von Kevin McCarthy

Für Trump und die Republikaner ist der Fund in Bidens Büro ein gefundenes Fressen. "Wann wird das FBI eine Razzia in den vielen Wohnungen von Joe Biden durchführen, vielleicht sogar im Weißen Haus?", schrieb Trump am Montagabend auf dem von ihm mitgegründeten Netzwerk Truth Social. Die Republikaner stellten auch den Zeitpunkt des Fundes der Dokumente in Frage. "Oh wirklich? Die haben das erst jetzt nach all den Jahren gefunden?", zitierte der Sender CNN den frisch gewählten Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy. Ähnlich äußerte sich Parteikollege Byron Donalds: "Warum wurden diese Dokumente erst sechs Jahre später gefunden?" (APA, red, 10.1.2023)