Mit der beschaulichen Ruhe ist es im kleinen Dorf Ommeren in der niederländischen Provinz Gelderland vorerst vorbei: Die Veröffentlichung bisher unter Verschluss gehaltener Dokumente hat einen Ansturm von Schatzsuchern und reges Medieninteresse ausgelöst. Denn unter den zahlreichen vergangene Woche vom Niederländischen Nationalarchiv freigegebenen Dokumenten befinden sich Hinweise auf einen angeblichen Millionenschatz, den deutsche Soldaten kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in Ommeren vergraben haben sollen.

Nach Aussage eines deutschen Soldaten wurde in Ommeren 1945 der Inhalt eines Banktresors vergraben. Gefunden wurde bisher nichts.
Foto: Reuters/PIROSCHKA VAN DE WOUW

Vor allem eine Karte mit mehreren Markierungen hat Schatzsucher auf den Plan gerufen. Nach Kriegsende gab der deutsche Soldat Helmut S. an, dass er in Ommeren mit drei Kameraden insgesamt vier Munitionskisten voller Münzen, Uhren, Schmuck und Diamanten aus einem Banktresor vergraben habe. Er übergab den Behörden auch die Karte – wer sie angefertigt hatte, ist unklar. Die niederländischen Behörden suchten allerdings mehrfach vergeblich nach dem Schatz, wie ebenfalls aus den nun veröffentlichten Papieren hervorgeht. Der potenzielle Wert wurde nach dem Krieg auf mindestens zwei bis drei Millionen Gulden geschätzt, was heute in Euro einem zweistelligen Millionenbetrag entsprechen würde.

Gefährliche Relikte

Am Wochenende strömten dutzende Menschen in das Dorf, um sich auf die Suche nach dem Schatz zu machen. Außer Verwarnungen durch die ebenfalls angerückte Polizei, die Grabungen auf Privatgrundstücken und die Verwendung von Metalldetektoren verhinderte, gab es aber keine Ergebnisse. Metalldetektoren dürfen nur mit Genehmigung der Gemeindeverwaltung genutzt werden, wie niederländische Medien berichten. Zu groß scheint den Behörden die Gefahr, dass Abenteuerlustige auf Minen und Blindgänger in dem Gebiet stoßen könnten, das ab Herbst 1944 nahe an der Frontlinie lag.

Die angeblichen Schatzkarten sind den niederländischen Behörden seit Jahrzehnten bekannt, nun sind sie auch öffentlich einsehbar.
Foto: Epa/sEM VAN DER WAL

Nach Angaben des 1925 geborenen Helmut S., dessen vollen Namen das Nationalarchiv nicht nennt, da er noch am Leben sein könnte, sollen die Kostbarkeiten aus einer Bankfiliale im nahe gelegenen Arnheim stammen. Bei der Bombardierung der Stadt im August 1944 sei der Tresor zerstört worden, seine Kameraden hätten die wertvollen Gegenstände von der Straße aufgesammelt.

Historiker bezweifeln diese Version: Im August 1944 fielen keine Bomben auf Arnheim, sagte Joost Rosendaal von der Radboud-Universität Nijmegen zum britischen "Guardian". Die alliierte Offensive begann erst im September. Wahrscheinlicher sei, dass die Deutschen die Bank ausraubten und anschließend selbst zerstörten, um Spuren zu verwischen – wenn an der Geschichte denn überhaupt etwas dran ist.

Protzerei und behördliche Suchaktionen

Helmut S. dürfte nach Kriegsende in Berlin mit dem angeblichen Schatz geprotzt haben und so ins Visier der Besatzungsbehörden geraten sein. Zwei seiner beteiligten Kameraden haben den Krieg nach Angaben des Archivs nicht überlebt, vom dritten fehle jede Spur. Mehrere Suchaktionen der niederländischen Behörden 1946 und 1947 verliefen ergebnislos, sagte die Sprecherin des Niederländischen Nationalarchivs, Anne-Marieke Samson, der Nachrichtenagentur Reuters. Auch eine Grabung im Beisein von Helmut S. brachte nichts.

Behalten dürften potenzielle Schatzfinder nichts: Sie müssten ihren Erfolg umgehend melden.
Foto: Epa/SEM VAN DER WAL

War der Schatz schon zuvor von jemandem gehoben worden, liegt er bis heute unentdeckt in Ommeren, oder hat es ihn nie gegeben? Das ist nicht geklärt. Im April 1945 wurden auch Ommeren und die direkte Umgebung von Bomben der britischen Royal Air Force getroffen, sagt der Historiker Rosendaal. Er hält es für denkbar, dass dabei auch das Schatzversteck zerstört oder freigelegt und dadurch entdeckt worden sein könnte.

"Das alles regt die Fantasie an", sagt Klaas Tammes, ein ehemaliger Bürgermeister von Ommeren. Er habe bereits Schatzsucher aus dem ganzen Land im Dorf getroffen. Dass diese Erfolg haben werden, hält er nicht für wahrscheinlich, aber eines stehe fest: "Jeder, der etwas findet, muss es uns melden." (David Rennert, 10.1.2023)