Sogar Rettungskräfte wurden in der Silvesternacht in Berlin verletzt.

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Eine 42-Jährige wurde von ihrem Lebensgefährten in Linz niedergestochen. Daraufhin folgt ein Amoklauf des Täters, bei dem Polizist:innen schwer verletzt werden. Wenige Stunden davor, am Wochenende vom 7. auf den 8. Jänner, soll ein 55-Jähriger seine Lebensgefährtin mehrmals mit der Faust geschlagen und am Hals gepackt haben, sie rief den Notruf, die Frau musste ins Spital. Es gab ein Betretungs- und Annäherungsverbot für den Gefährder, ebenso für jenen Mann, der in derselben Nacht eine Polizistin ins Gesicht schlug, nachdem die Beamt:innen zu der Wohnung gerufen worden waren.

Sonntagfrüh hat ein 27-Jähriger seine Freundin geschlagen, weil sie ihm nicht gleich die Türe öffnete. Er hielt sie fest. Schließlich konnte sie ihr Telefon ergreifen, auf die Toilette flüchten und ihre Mutter benachrichtigen, die die Polizei rief. Ein obdachloser Mann tötete, ebenfalls vor wenigen Tagen, einen Mann und eine Frau.

Eine andere Form von Gewalt passierte in der Silvesternacht in Berlin. Junge Männer warfen gezielt Böller auf Polizist:innen, Feuerwehrleute und Rettungskräfte. Und hier passierte, was bei all diesen Fällen von Gewalt durch Männer meistens passiert: Als Erstes wird oft danach gefragt oder gerätselt, welcher Herkunft der Täter ist. Stellt sich raus, es war kein weißer Österreicher oder Deutscher, dann werden hurtig Ad hoc-Analysen zusammengezimmert, in denen es um arg patriarchale Kulturen geht, ganz weit weg von hier. Das eint die Betrachtung der Fälle von häuslicher und öffentlicher Gewalt durch Männer.

Schnelle und falsche Antworten

Wie schnell und wie ungenau bis rassistisch offenbar Antworten auf den Tisch müssen, zeigte die Debatte in Deutschland zu den Berliner Silvesterkrawallen. Diese waren in ihrer Brutalität bemerkenswert. Beamt:innen wurden verletzt und Barrikaden angezündet. Doch die Berichte über das Wo und Wer fokussierten sich schnell vorwiegend auf Neukölln, wo viele Menschen mit Migrationsgeschichte leben, obwohl es ebenso in Lichtenrade Attacken auf Feuerwehrleute – unter anderem mit Pfeffersprays – gab. Und sie fokussieren schwammig auf das Wer.

Boulevard-Zeitungen übertrafen sich mit Ad-hoc-Analysen über das angeblich zentrale dahinterstehende Problem, das da schnell hieß: Migranten. Und die Politik stimmte mit ein. CDU-Politiker Christoph de Vries schrieb etwa von einem bestimmten "Phänotypus".

Nun stellte sich allerdings heraus, dass die Zahlen, die erst herausgegeben wurden, falsch waren. Es wurde von 145 Festgenommenen berichtet, die 18 verschiedenen Nationalitäten angehören würden. Das umfasste allerdings die Festnahmen während dieser Nacht in der ganzen Stadt und wegen diverser Delikte – und nicht, wie erst dargestellt, unmittelbar die Gebiete der geballten Krawalle.

In einem Bericht des "Tagesspiegels" wurde nun richtiggestellt, dass in Bezug auf die Attacken auf Polizist:innen und Feuerwehrleute nur 38 Personen festgenommen wurden – und zwei Drittel davon Deutsche waren. Für manchen spielt das aber keine besonders große Rolle: Der Politiker Frank Balze – wieder von der CDU – will die Vornamen der Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit erfahren. Offen rassistischer geht wohl kaum noch. Wenn der Verhaftete beispielsweise Yılmaz heißt, mag er schon einen deutschen Pass haben – dann ist er trotzdem Ausländer? Oder wie ist das zu verstehen? Im selben "Tagesspiegel"-Bericht wird auch davon geschrieben, dass "nach übereinstimmenden Schilderungen der Einsatzkräfte" und "durch Videos" belegt wurde, dass zahlreiche der Angreifer "einen Migrationshintergrund haben". Demnach wird – neben dem Vornamen – auch noch wegen des Äußeren locker aus der Hüfte geschossen, wer "deutsch" ist und wer nicht.

Rassistischer Blick

Es ist ein gutes, wenn auch erschütterndes Beispiel, wie rassistisch der Blick auf Gewalt von Männern ist. Geht es um Männergewalt, gilt meist das erste Interesse der Frage, welcher Mann das ist. Einer aus einem frauenfeindlichen oder arg patriarchalen Kulturkreis? Oder einer, der diese vermuteten Marker nicht hergibt, dann wird das Thema Herkunft freilich nicht weiter thematisiert. Weil das ja einer "von uns" ist, und für die hiesige patriarchale Kultur interessiert man sich nicht so leidenschaftlich. Die Frage "Woher?" übernimmt vorschnell die Antwort nach dem "Warum?". Eine Frage, für die man sich oft nur interessiert, damit man die Gründe für das Problem so weit wie möglich wegschieben kann. (Beate Hausbichler, 11.1.2023)