In Wien waren Ende November bereits mehr als 90 Ärztestellen in den Gemeindespitälern ausgeschrieben.

Foto: APA / Hans Klaus Techt

Mehrmals in den vergangenen Wochen wies die Wiener Ärztekammer bereits vehement und öffentlich auf drastische Missstände im städtischen Spitalssystem hin. Unterfüttert wird die massive Kritik mit der Präsentation von Ergebnissen einer großangelegten Studie unter Wiener Spitalsärztinnen und Spitalsärzten, die zwischen 21. September und 4. Oktober durchgeführt wurde. Die Kammer entschied sich, die Ergebnisse der Umfrage in mehreren Teilen zu veröffentlichen. Bereits bekannt ist, dass eine überwiegende Mehrheit der befragten knapp 1900 Spitalsärztinnen und Spitalsärzte massive Qualitätsverluste und Engpässe in der Patientenversorgung befürchtet. Drei Viertel der Befragten gaben zudem eine sehr hohe oder hohe Arbeitsbelastung an.

Am Dienstag wurden nun die dritten Teilergebnisse der Umfrage präsentiert. So gaben zwei Drittel der Befragten an, immer wieder über einen Jobwechsel nachzudenken. Stefan Ferenci, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, warnte vor einer "drohenden Personalflucht", die bevorstehe. Diese würde den bestehenden eklatanten Personalmangel weiter verstärken. Immerhin seien auch die Zukunftsaussichten düster: 91 Prozent der befragten Spitalsärzte rechnen damit, dass sich die Arbeitsbelastung in einem Jahr nicht verbessert. Mehr als die Hälfte erwartet eine Erhöhung der Arbeitsbelastung.

Im Rahmen der Umfrage – durchgeführt wurde diese von Peter Hajek Public Opinion Strategies – wurde auch erhoben, wohin die Spitalsärztinnen und Spitalsärzte wechseln wollen, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. 48 Prozent würden am ehesten als niedergelassener Wahlarzt arbeiten wollen. 30 Prozent gaben an, am ehesten die Branche wechseln zu wollen. Für 24 Prozent war der Wechsel in ein anderes Spital eine Option.

Höheres Gehalt als Motivation

"Das öffentliche Gesundheitssystem wird für die Beschäftigten zunehmend unattraktiver", sagte Ferenci, der auch Obmann der Kurie angestellte Ärzte in der Kammer ist. Die Politik in Wien könne nicht nur auf Stehsätze verweisen, wonach der Personalmangel in Spitälern ein weltweites oder europaweites Problem sei. Zur Linderung der Problematik müssten "alle offenen Dienstposten auch besetzt" werden. Kurzfristig könnte ein höheres Gehalt motivieren, wie es Ferenci formulierte. Das Potenzial für das fehlende medizinische Personal in den Spitälern sei jedenfalls "über weite Strecken in Österreich vorhanden".

Als Beispiel führte Ferenci die Kinder- und Jugendheilkunde an: Demnach ist in diesem Bereich die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in der Bundeshauptstadt in den vergangenen zehn Jahren um 36 Prozent gestiegen. Das Bevölkerungswachstum der Stadt betrug rund 12,5 Prozent. Wo aber befinden sich diese zusätzlichen Ärztinnen und Ärzte? Laut Ferenci sei der öffentliche Sektor das Problem, das Personal sei im Wahlarztsystem.

Im Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) geht man davon aus, dass der Personalmangel in den Spitälern zunehmen wird, wie es zum STANDARD heißt. Das sei aber in ganz Europa der Fall. Gegengesteuert werde mit einem "massiven Recruiting auch außerhalb Wiens, in den Bundesländern und im Ausland", mit einer Aufstockung der Pflegeausbildungsplätze sowie mit moderneren Arbeitsplätzen.

Mehr als 90 offene Ärztestellen

Dennoch ist der Personalmangel in Wien evident: Mehr als 90 Ärztestellen waren Ende November im Wigev ausgeschrieben, dazu kamen rund 900 offene Stellen im Bereich Pflege. Laut Ferenci werde zu wenig getan, diese zu besetzen, wobei er Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) direkt adressierte. "Eine Stellenausschreibung in einer Zeitung ist keine adäquate Personalrekrutierung." Laut Ferenci habe sich nun aber Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) eingeschaltet: Am Dienstag fand ein Gespräch zwischen Ludwig und Johannes Steinhart, dem Präsidenten der Ärztekammer Wien, statt.

Betriebsräte beraten über Kampfmaßnahmen bei Privatkrankenanstalten

Bei den Privatkrankenanstalten in Österreich rumort es aktuell rund um die Verhandlungen für den Kollektivvertrag. Vor Weihnachten wurden sie nach der fünften Runde ergebnislos unterbrochen. Bei einer Betriebsrätekonferenz am 18. Jänner soll über Kampfmaßnahmen abgestimmt werden. Die Gewerkschaft Vida fordert ein Gehaltsplus von 500 Euro monatlich, das Angebot der Arbeitgeber belaufe sich auf 175 Euro. (David Krutzler, 10.1.2023)