Wilde Tricks im Wintersport: eine Szene aus dem Spiel, die nicht zur Nachahmung empfohlen wird.

Foto: Ubisoft Annecy

Der Winterurlaub 2023 hat in Österreich bisher eigentlich hauptsächlich traurige Menschen hinterlassen. Die einen fuhren weg und ärgerten sich über Schneemangel. Die anderen hatten zumindest Schnee auf der Skipiste und ärgern sich, dass sie nun wieder zu Hause sitzen. Und zur dritten Kategorie gehören schließlich noch jene Menschen, die gar nicht auf Skiurlaub gefahren sind – sei es aus budgetären, organisatorischen oder idealistischen Gründen.

Doch wer sagt eigentlich, dass man eine lange Autofahrt auf sich nehmen, viel Geld ausgeben und sich an der Ticketkassa über ungehobelte Nordländer ärgern muss, um in der Genuss der weißen Pracht zu kommen? Als Alternative zum Skiurlaub in der Kohlenstoffwelt habe ich mich für einen Abend aufs Sofa gelümmelt, mir eine Flasche Wein aufgemacht und das Wintersportspiel "Steep" in die Playstation 5 eingeworfen.

Gefühle der Nostalgie

"Steep" ist alles andere als eine Neuerscheinung. Herausgegeben von Ubisoft, wurde es neben den französischen Studios des Konzerns auch von Entwicklern in der ukrainischen Hauptstadt Kiew co-produziert und erblickte im Dezember 2016 das Licht der Welt. Erinnerungen an Erfahrungen mit dem Game liegen somit gefühlt fast so weit zurück wie jene an verschneite Skiorte in einer Zeit, als Klimawandel noch mehr ein abstraktes theoretisches Konstrukt als brutale Realität war.

Gelobt wurde "Steep" von Kritikern damals unter anderem für seine schöne Grafik. Und auch wenn für die aktuelle Konsolengeneration gar nicht offiziell unterstützt wird, kann getrost geschrieben werden: Auch 2023 sieht das Spiel noch immer wunderschön aus. Das liegt aber vielleicht gar nicht an der Auflösung und den Effekten, sondern mehr an den Gefühlen der Nostalgie, die das raytracing-befreite Game über den 4K-Fernseher in meine Augen zaubert.

Die verschneiten Landschaften wecken Gefühle der Nostalgie.
Foto: Ubisoft Annecy

Denn "Steep" entführt uns auf Knopfdruck in die Berge, konkret gesagt entweder in die französischen Alpen oder nach Alaska. Dort strahlt uns entweder das Weiß im gleißend hellen Tageslicht entgegen, oder das Licht der untergehenden Sonne taucht die Berge in ein träumerisches Gold. Die Gipfel, die Bäume und die Felsen sind mit Schnee bedeckt, durch dessen teils knietiefe Schicht wir uns gekonnt per Ski oder Snowboard bewegen.

Nicht zur Nachahmung

Wobei "gekonnt" eine subjektive Wahrnehmung ist. Gerade am Anfang des Abends kämpfe ich noch mit der Steuerung, ich rutsche mehr den Berg hinunter als dass ich fahre, nicht selten pralle ich gegen einen Felsen oder einen Baum. Aber: Alles halb so wild – es ist ja nur ein Spiel. Und nicht umsonst springt einem schon beim Starten des Games eine Warnung entgegen, dass die hier gezeigten teils extremen Aktionen nicht zur Nachahmung in der echten Welt empfohlen sind.

In "Steep" brettert man die Berge hinunter – ohne ernsthafte Konsequenzen.
Foto: Ubisoft Annecy

So kann man sich – wenn man die richtigen Tasten drückt – sowohl mit den Skiern als auch mit dem Snowboard während eines Sprungs in der Luft drehen, führt mit der Zeit immer mehr verrückte Tricks auf und brettert die Berge in immer höheren Geschwindigkeiten hinunter. Fällt man hin, so steht man gleich wieder auf. Ganz ohne Verletzung. Und über eine Kartenansicht kann die Abfahrt von beliebigen Punkten in wenigen Schritten gestartet werden, ganz ohne anstrengendes Anstehen am Lift.

Aufgaben ohne Story ...

Doch was ist eigentlich das Spielziel von "Steep"? Ski fahren, eh kloa – aber ansonsten herrscht auch viele Jahre nach dem Release jene Ratlosigkeit, die schon damals die Testergebnisse auf ein bescheidenes "Durchschnittlich" drückten, trotz der schönen Grafik, des knalligen Soundtracks und der offenen Welt, in der man sich frei bewegen kann.

Denn zwar gibt es in "Steep" diverse Posten mit Aufgaben, die es zu erledigen gibt. So muss an einigen Stellen ein Rennen gefahren werden, an anderer Stelle geht es darum, mit dem Snowboard möglichst aufregende Tricks zu vollführen. Unterteilt sind diese Aufgaben auch in verschiedene Schwierigkeitsgrade. Irritierend wirkt aber, dass es anscheinend so etwas wie eine Story gibt, in der man sich zum besten Winterathleten der örtlichen Berge mausert – es aber nicht immer klar ist, was man tun muss, um diese Geschichte weiterlaufen zu lassen. Egal, der Schnee macht trotzdem Spaß, vor allem wenn dabei "Freestyler" aus den Boxen dröhnt.

... aber mit Zusatzkosten ...

Beschränkt ist man dabei übrigens nicht auf das Snowboard und die Skier. Auch ist es möglich, mit einem Paraglider durch die Landschaften zu schweben oder mit einem Wingsuit durch enge Schluchten zu flitzen – Aktionen, die man als normaler Wintersporturlauber in der realen Welt nicht mal eben so durchführt. Und auch weitere Sportarten können freigeschaltet werden, allerdings nur gegen Aufpreis, wie etwa beim Raketen-Wingsuit.

Auch Wingsuit und Paraglider können ohne Aufpreis genutzt werden.
Foto: Ubisoft Annecy

Hier offenbart sich auch einer der großen Kritikpunkte an "Steep". Denn wurde das mittlerweile nicht mehr ganz taufrische Basisspiel in den vergangenen Jahren über diverse Services – in meinem Fall Playstation Plus – verschenkt, so muss für weitere Sportarten, Orte oder den "X Games Pass" erneut in die Tasche gegriffen werden. In etwa vergleichbar also mit den Zusatzgebühren für die Nutzung der Sauna im Wellnesshotel oder mit den doch überraschend hohen Kosten für den Häferlkaffee auf der Skihütte.

... und vor allem ohne Gespür

Am Ende des Abends habe ich den Wein ausgetrunken. Es ist Mitternacht, die restliche Familie ist längst im Bett. Ich habe mir ein paar virtuelle Medaillen verdient, ein paar Tricks auf dem Snowboard erlernt – und weil ich am nächsten Tag früh raus muss, drehe ich die Konsole ab und lege mich ebenfalls schlafen.

Nett war's, für einen Abend. Aber was bleibt wirklich? Keine Verletzungen, keine lange Anreise, keine hohe Hotelrechnung, das ist gut so. Aber auch: Die Gewissheit, dass ein Sportspiel nicht das Gefühl ersetzt, tatsächlich selbst auf der Piste zu stehen, den beißend kalten Fahrtwind im Gesicht zu spüren, am nächsten Tag mit Muskelkater aufzuwachen. Gewiss war nicht alles früher besser – aber verschneite Landschaften in der echten Welt, das hatte schon was. (Stefan Mey, 11.1.2023)