Beim Musikhören kommt es neben der Lautstärke auch auf die Dauer der Beschallung an. Häufig kommt es bereits in jungen Jahren zu irreversiblen Schäden.

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Die laute Musik des Teenagers zu Hause nervt oder das Hörspiel des Kindes läuft gefühlt schon zum hundertsten Mal – das kennen viele Eltern. Dann scheinen Kopfhörer die perfekte Lösung zu sein. Das Kind kann weiterhin hören, was es mag, ohne damit die Eltern oder Geschwister zu stören. An sich ist das auch eine gute Sache – allerdings nur wenn die Lautstärke stimmt. In einer Metaanalyse, die im Fachblatt "BMJ Global Health" erschienen ist, schreiben Fachleute, dass vor allem Teenager viel zu oft viel zu laut Musik hören. Dabei schätzen sie, dass ungefähr eine Milliarde junge Menschen ein hohes Risiko hat, später unter Hörverlust zu leiden.

Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie empfindlich das Gehör ist. Wolfgang Gstöttner, HNO-Arzt von der Med-Uni Wien, erklärt: "Unser Ohr ist grundsätzlich so aufgebaut, dass wir sogar sehr leise Geräusche wahrnehmen. Das war vor allem für unsere Vorfahren wichtig." Sie mussten bereits das leiseste Blätterrascheln hören, um vor drohenden Gefahren gewarnt zu sein. Die Ohren sind also besonders auf leise Töne ausgerichtet. "Bei leisen Geräuschen muss unser Ohr kaum Energie kompensieren. Das ist bei lauten ganz anders. Hier muss eine große Energiemenge verarbeitet werden. Die Folge ist eine Überforderung des Ohres", sagt der Experte.

Schädigungen der Haarzellen häufig irreversibel

Dabei ist nicht nur die Lautstärke ausschlaggebend, sondern auch die Dauer, der man ihr ausgesetzt wird. Denn für kurze Zeit müssen die meisten Ohren immer wieder laute Geräusche aushalten – sei es den Föhn, den Rasenmäher oder auch den vorbeifahrenden Zug. Der HNO-Arzt weiß: "Die normale Lautstärke beim Sprechen etwa beträgt um die 65 Dezibel. Diese Lautstärke können unsere Ohren den ganzen Tag lang konsumieren." Eine kleine Steigerung auf etwa 80 Dezibel – das ist so laut wie ein Motorrad oder ein schreiendes Baby – kann jedoch bereits bei mehreren Stunden pro Tag das Ohr schädigen. Dann werden die Sinneszellen im Innenohr, die sogenannten Haarzellen, angegriffen. Und diese Schädigung ist in den meisten Fällen irreversibel. Gstöttner sagt: "Wenn man also mehrere Stunden pro Tag laute Musik hört, muss man damit rechnen, dass man Haarzellen verliert."

Das Tückische daran: Man bemerkt diesen Verlust zu Beginn kaum. Erst über die Jahre entwickelt sich daraus ein bleibender Hörschaden: "Irgendwann beginnt man dann, in den höheren Tonlagen nicht mehr gut zu hören, in den meisten Fällen wird der Hörverlust dann immer größer."

Wer schlecht hört, zieht sich aus der Gesellschaft zurück

Aber nicht nur schlechter Hören ist die Folge, ein Hörverlust hat häufig noch viel weitreichendere Folgen, wie der HNO-Arzt beschreibt: "Viele Menschen, die nicht mehr so gut hören, ziehen sich immer weiter aus der Gesellschaft zurück und kommunizieren demnach auch weniger. Das kann zu Begleiterkrankungen wie Demenz führen." Der Grund: Das Gehirn benötigt bis ins hohe Alter Hörimpulse. Fehlen diese, gehen wichtige Gehörbahnen im Gehirn verloren. Ein Hörgerät kann dabei helfen, die Gehörbahnen wieder zu aktivieren. "Das funktioniert sogar bis ins hohe Alter. Viele Menschen geben aber nicht gern zu, dass sie schlecht hören, und verweigern ein Hörgerät. Das kann zu vollständiger Isolation führen", ist sich Gstöttner sicher.

Er plädiert dafür, "dass man bereits Kindern begreiflich machen sollte, dass das Ohr ein ganz sensibles und schützenswertes Sinnesorgan ist. Es warnt uns etwa vor einem herannahenden Auto oder anderen Gefahren." Bei Kopfhörern für Kinder und Jugendliche sollte man darauf achten, dass sie eine Lautstärkeregelung besitzen und dass es sich im besten Fall um qualitativ hochwertige Geräte handelt. Die WHO empfiehlt, dass Musik über 100 Dezibel nicht länger als eine Viertelstunde pro Tag gehört werden sollte. Wer gern in Clubs und zu Konzerten geht, sollte zwischendurch immer wieder kurz hinausgehen und im besten Fall Ohrstöpsel tragen. (Jasmin Altrock, 13.1.2023)