In Österreich sind im internationalen Vergleich relativ viele Menschen kaum oder nicht an Wissenschaft interessiert und vertrauen ihr weniger als dem Bauchgefühl. Deshalb planen das zuständige Bildungs- und Wissenschaftsministerium und Forschungseinrichtungen für heuer Gegenmaßnahmen. So sollen künftig mehr Wissenschafterinnen und Wissenschafter Schulen besuchen und den Kindern und Jugendlichen von ihrer Arbeit erzählen.

Wie effizient diese Maßnahme ist, wird sich weisen, zumal sie – im Verhältnis zu erreichten Zahl an Jugendlichen – doch recht zeitintensiv ist. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, wie sich Forschende an Kinder wenden könnten. Eine davon ist ein Online-(Populär-)Wissenschaftsjournal namens "Frontiers for Young Minds", das heuer zehn Jahre alt wird.

"Wissenschaft für Kinder, herausgegeben von Kindern" lautet das Motto von "Frontiers for Young Minds".
Frontiers for Young Minds / Screenshot

Von acht bis 15 Jahren

Das Besondere an der Zeitschrift, die bis jetzt leider nur auf Englisch, Hebräisch und Arabisch erscheint: Jugendliche sind für das Peer-Review zuständig. Konkret begutachten Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 15 Jahren, ob die Texte zu kompliziert und unverständlich geschrieben sind. Da kann es schon einmal vorkommen, dass auch Forscherstars und selbst Nobelpreisträger ihre Texte zur Revision zurückgeschickt bekommen.

Die Geschichte von "Frontiers for Young Minds" begann ein paar Jahre vor 2013. Bei einer Tagung der Society for Neuroscience 2007 wurde einmal mehr heftig über Peer-Review gestritten, also die Fachbegutachtung von wissenschaftlichen Artikeln für Zeitschriften. Robert T. Knight, ein Psychologe und Neurowissenschafter an der University of California in Berkeley, schlug damals eher beiläufig vor, Kinder damit zu beauftragen. Kinder würden eine gute Arbeit machen – "ganz ohne das Drama, das Erwachsene verursachen".

Ein Fachblatt für Kinder

Aus dieser halb ironischen Bemerkung wurde einige Jahre später Ernst, wie er sich für einen Bericht über "Frontiers for Young Minds" in der Zeitung "Washington Post" erinnert: Als Knight vom Wissenschaftsverlag Frontiers angeworben wurde, um das Fachblatt "Frontiers in Human Neuroscience" – eine der mittlerweile 185 kostenlosen Online-Zeitschriften des nicht unumstrittenen Verlags –, herauszugeben, stimmte Knight unter einer Bedingung zu: Frontiers musste auch eine eigene wissenschaftliche Publikation für Kinder und Jugendliche herausbringen.

Knight ist heute mit seinem israelischen Fachkollegen Idan Segev einer der beiden leitenden Mitherausgeber der Zeitschrift, die es bisher auf rund 30 Millionen Seitenaufrufe gebracht hat und in diesem Jahr auch auf Französisch und Mandarin-Chinesisch herauskommen soll. (In deutscher Übersetzung gibt es nur ein paar Texte zur Biodiversität.)

Mehr als 70 Prozent der Leser von "Frontiers for Young Minds" sind unter 18 Jahre alt; die meisten kommen aus den Vereinigten Staaten (4,7 Millionen), Europa (über zwei Millionen), Indien (eine Million) und anderen Teilen Asiens (1,3 Millionen). Weitere 1,4 Millionen Leser leben in Kanada, Australien, Afrika und im Nahen Osten.

Mehr als 5.000 Gutachterinnen und Gutachter

Die jungen Peer-Reviewer werden über ein Netz von Mentorinnen und Mentoren rekrutiert, bei denen es sich in der Regel um promovierte Forschende handelt. Manchmal nimmt eine ganze Klasse an einer Fachbegutachtung teil. Bislang haben nach Schätzungen der Zeitschrift etwa 5.500 Kinder und Jugendliche aus 64 Ländern die von ihr veröffentlichten Arbeiten begutachtet. Da viele der Schülerinnen und Schüler noch minderjährig sind, werden ihre vollständigen Namen bei den Artikeln, die sie begutachten, nicht aufgeführt.

Bei der Zeitschrift haben Kinder und Jugendliche letztlich das Sagen darüber, welche Version des Artikels erscheinen kann.
Frontiers for Young Science

Bislang haben zehn Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger ihre Arbeiten in "Frontiers for Young Minds" veröffentlicht, und bei weiteren zehn werden die Arbeiten derzeit geprüft. Bei ihren Texten funktioniert das Verfahren etwas anders: Sie werden von der "Frontiers"-Wissenschaftsjournalistin Noa Segev, der Tochter von Idan Segev, interviewt. Sie schreibt dann die Artikel und berät sich mit den Laureaten, bevor die Arbeit den jungen Gutachtern vorgelegt wird. Dennoch halten sich die Gutachter bei allen Arbeiten an denselben Grundsatz: Die Wissenschaft muss so erklärt werden, dass junge Menschen sie verstehen können.

Die Kinder und das Verstehen

Die norwegische Neurowissenschafterin May-Britt Moser, die 2014 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für ihre Entdeckungen über das System des Gehirns zur Kartierung unserer Umgebung erhielt, hat einen Artikel für "Frontiers for Young Minds" verfasst und unterstützt die Mission der Zeitschrift, wie sie der "Washington Post" mitteilte: "In unserem Labor sagen wir: 'Wenn du deine Erkenntnisse nicht an Kinder weitergeben kannst, dann hast du sie selbst nicht verstanden.'" (Klaus Taschwer, 15.1.2023)