Ein Passant zerrt eigenhändig einen Aktivisten von der Straße, einen anderen tritt er sogar mehrfach. Die Stimmung gegenüber den Klimaschützern der Letzten Generation in Österreich ist aufgeheizt, und speziell im Netz häufen sich Drohungen und Kritik an den vor allem jungen Menschen, die in den vergangenen Wochen mit ihren Aktionen immer wieder für Schlagzeilen gesorgt haben.

Wenig Verständnis

"Natürlich ist es ärgerlich", gibt eine Frau zu, die wegen der Aktivistinnen in Wien im Stau steht und auf Twitter gefilmt wird. Sie habe allerdings mittlerweile viel Verständnis für Menschen, die verzweifelt sind und deshalb zu solchen Mitteln greifen. Danach bricht ihre Stimme kurz. Sie habe auch Kinder und mache sich deshalb auch sehr viele Sorgen um deren Zukunft.

Ganz so positiv sehen nicht alle die Dinge rund um die Aktionen der Letzten Generation. Eine laute Gruppe im Netz bezeichnet die Straßenblockaden als illegale Demos und wirft den jungen Menschen vor, sie würden sich nur deshalb auf die Straße legen, weil sie dafür bezahlt würden. Beides verneinen die Aktivisten auf ihrem Twitter-Profil, wo der Gegenwind in den letzten Tagen stark zugenommen hat.

Besonders die aktuell im Rampenlicht diverser TV-Interviews stehende Martha Krumpeck, die zuletzt vor allem durch ihren Auftritt zusammen mit der türkisen Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm für Aufmerksamkeit sorgte, muss sich Spott und persönlichen Angriffen stellen. Wie so oft bei großen Themen der jüngeren Vergangenheit wird auch die Sprache schnell aggressiv. Von "dummen Linksextremen" ist da die Rede, man hätte diese Leute früher in eine "geschlossene Abteilung" geschickt; ein älterer Nutzer schreibt, man selbst habe noch gegen den Vietnamkrieg und Napalmbomben demonstriert. Den Klimawandel und die damit verbundenen Ängste der jungen Menschen sieht der Mann als nicht wert an, auf die Straße zu gehen.

Während wie in diversen Videos die physische Gewalt eskaliert, bleiben sogar relativierende NS-Vergleiche nicht aus: "Fanatisierte Jugend wie 1938. Was früher die freiwillige Meldung an die West- oder Ostfront war, ist heute das Festkleben auf Straßen ..." Gegen solch völlig inakzeptable Postings wird allerdings nicht lautstark protestiert. Im Gegenteil: Es finden sich sogar zustimmende Worte.

Auf der Facebook-Page der Letzten Generation stimmt eine VHS-Lehrerin den Aktionen zu und wird daraufhin mehrfach beleidigt. "Sind sie die Auftraggeberin?", wird da gefragt. Auf wenige positive Postings folgt vor allem aggressive Rhetorik. "Ihr seid das Letzte", heißt es in den Reaktionen. Man solle doch lieber stattdessen eine extra Rundfahrt mit "extra CO2-Ausstoß" machen, versucht eine andere Nutzerin zu provozieren.

Heimische Parteienlandschaft

Auch die heimischen Parteien geben punktuell ihre Meinung zu den Klimaaktivisten auf Social Media bekannt. Die SPÖ etwa greift den Sager des stellvertretenden Klubdirektors der ÖVP, Philipp Hartig, auf. "Klimaaktivist*innen werden von den Rockefellers gesteuert, um Europa zu deindustrialisieren", ist da zusammenfassend zu lesen. Als eigene Meinung zu der Thematik zitiert der Twitter-Account der Wiener Regierungspartei eine Nutzerin, die schreibt: "Ein Teil der Jugend randaliert, der andere klebt sich fest. Irgendwie scheint die Jugend unzufrieden, und es wäre vielleicht an der Zeit, hinzuhören".

Die Position der FPÖ ist hingegen eindeutig und durch Wiens FPÖ-Chef bereits via Pressemitteilung klar formuliert: "Nepp fordert Verwahrungshaft für Klima-Chaoten", ist dort zu lesen. Es gab bereits eine Anzeige der Partei wegen "Mordversuchs", nachdem in Wien mehreren Autos die Luft aus den Reifen gelassen wurde.

Auf dem Twitter-Account der Grünen wird der oberösterreichische Landeschef zitiert. Dieser hinterfragt, ob die Form des Aktionismus der Letzten Generation "ins Schwarze trifft", stellt aber auch klar, dass ziviler Ungehorsam "Teil einer jeden Veränderungsbewegung" in der österreichischen Geschichte ist. Deshalb sei es Zeit, mehr für den Umweltschutz zu tun – aufseiten aller Parteien in Österreich.

Nicht geführte Diskussion

Auf Augenhöhe diskutiert wird auf keiner Plattform. Im Telegram-Kanal der Letzten Generation sind keine Kommentare zugelassen, es wird nur über kommende Aktionen informiert. Auf Instagram finden sich in den Postings vor allem negative Meldungen. Man solle den Zorn nicht an der "allgemeinen Bevölkerung" auslassen. Die Aktionen würden die "ganzen Leute" gegen die Letzte Generation aufbringen, das sei doch wohl kontraproduktiv. "Geht arbeiten und zahlt Steuern", wirft eine Nutzerin ein.

Sind Social-Media-Plattformen dafür bekannt, eher negatives als positives Feedback zu verstärken, zeigt ein Blick auf sämtliche Plattformen ein deutliches Bild: Viel Zustimmung erfährt die Letzte Generation derzeit mit ihren Aktionen nicht. Das mag nicht für die ganze Bevölkerung zutreffen, aber ernst nehmen sollte man diesen Trend für künftige Aktionen beziehungsweise die regelmäßig geplanten Straßensperren dennoch.

Martha Krumpeck sagt, "ziviler Widerstand ist kein Beliebtheitswettbewerb". Ob der aktuelle Weg für den Klimaschutz der richtige war, wird wohl nur die Zeit verraten. (aam, 11.1.2023)