Die Vorwürfe wiegen schwer: Anderson Torres soll nichts Geringeres als die schockierende Stürmung von brasilianischen Regierungsgebäuden "kommandiert" haben. Ricardo Cappelli spricht dabei gar von einer "strukturierten Sabotageoperation". Der stellvertretende Justizminister hat seit den Unruhen Torres’ Aufgabe übernommen, für die Sicherheit der Hauptstadt Brasília zu sorgen.

Ebendiese, so der Vorwurf, habe Torres sträflich vernachlässigt, weshalb der Oberste Gerichtshof nun einen Haftbefehl erlassen hat. "Anderson Torres hat die Sicherheitsagenden für Brasília übernommen, alle Führungskräfte entlassen und ist dann auf Reisen gegangen", sagt Cappelli. "Wenn das nicht Sabotage ist, weiß ich auch nicht, was es sonst sein soll."

Anderson Torres soll die Randale in Brasilien unterstützt haben.
Foto: REUTERS/Adriano Machado

Torres selbst ist sich keiner Schuld bewusst, mit den Ausschreitungen der Bolsonaro-Anhänger will er nichts zu tun haben. "Mein Handeln war immer rechtmäßig und ethisch", twitterte er am Dienstag. Der 47-Jährige kündigte an, von seinem Urlaub in Florida zurückzukehren und sich zu stellen. Die dann zu erwartende Festnahme wäre das vorläufige Ende einer steilen Karriere.

Einst Fingerabdruckspezialist

Nach dem Jus-Abschluss in Brasília mit den Schwerpunkten Polizeiwissenschaften, Kriminologie und strategische Aufklärung bekleidete er nach Anfängen als Fingerabdruckspezialist rasch führende Funktionen im Polizeiapparat, garniert mit Professorenstellen an drei Polizeiakademien.

2019 wurde er zum Staatssekretär für öffentliche Sicherheit im Hauptstadtdistrikt ernannt. Ein Jahr später verschaffte er Ehefrau Flávia Sampaio Torres, mit der er drei Töchter hat, einen lukrativen Job im Parlament. Im März 2021 kürte ihn Präsident Jair Bolsonaro zum Justizminister.

Bolsonaros Freund

Dass die Familien Torres und Bolsonaro bereits seit Jahren befreundet sind, mag dabei durchaus eine Rolle gespielt haben. Und dass die Torres-Familie just in Florida urlaubt, wo sich Bolsonaro gerade aufhält, fällt vermutlich auch nicht in die Kategorie Zufall.

Polizisten verlassen mit Taschen Anderson Torres' Haus in Brasília.
Foto: REUTERS/Amanda Perobelli

Als am 1. Jänner Bolsonaro von Luiz Inácio Lula da Silva als Präsident Brasiliens abgelöst wurde, kehrte Torres in seine einstige Funktion als Staatssekretär für den Hauptstadtdistrikt zurück. Aus diesem Amt wurde er noch am Tag der Randale, dem 8. Jänner, gefeuert.

Doch das dürfte nun sein geringstes Problem sein. Am Dienstag wurden Polizisten in seinem Haus in Brasília gesichtet, wie sie offenbar beschlagnahmtes Material mitnahmen. (Kim Son Hoang, 11.1.2023)