Am Donnerstag wird ein Stück österreichische Parlamentsgeschichte geschrieben: Das in den vergangenen fünf Jahren aufwendig sanierte Gebäude wird offiziell eröffnet. Das geschieht in Form eines gemeinsamen Festakts von National- und Bundesrat, der sogenannten Bundesversammlung.

Geprobt wurde bereits im neuen Plenarsaal.
Foto: Parlamentsidrektion / WIESER

Die Sanierung ist nötig geworden, nachdem das Parlament fast 130 Jahre ununterbrochen in Betrieb und "am Ende seiner technischen Lebensdauer angelangt" war, heißt es von der Parlamentsdirektion. Um das Bauwerk zu bewahren, wurde 2014 die Sanierung des Gebäudes an der Wiener Ringstraße einstimmig beschlossen. Bis 2017 wurden alle Maßnahmen für den Umzug getroffen: ein Ausweichquartier wurde nicht nur durch die Container auf dem Heldenplatz geschaffen, auch in der Wiener Hofburg wurde ein neuer Saal für die Nationalratssitzungen aufgezogen.

Fünf Jahre lang diente der Große Redoutensaal den Parlamentariern als Sitzungssaal während der Parlamentssanierung. 2017 wurde der komplette parlamentarische Betrieb umgesiedelt, und kurze Zeit später begannen die Bauarbeiten am historischen Parlament. Spätestens als das historische Kupferdach im Sommer 2018 geöffnet wurde, wurde die Sanierung weithin sichtbar.

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Renoviert wurden rund 55.000 Quadratmeter "Nettogeschoßfläche", wie es in der Information der Parlamentsdirektion heißt. Dabei wurde ausgebaut: Die Nutzfläche wurde um rund 10.000 Quadratmeter erweitert. 740 Fenster und 600 historische Türen sowie 500 historische Luster und Leuchten erhielten ebenfalls einen neuen Anstrich. Die wohl auffälligste Neuerung: Eine neue Glaskuppel mit einem Durchmesser von 28 Metern und einer Fläche von 550 Quadratmetern lässt Tageslicht in den Nationalratssaal.

Reserve angezapft

Der Gesamtkostenrahmen wurde im Jahr 2014 per Gesetz festgelegt. Die Kosten für die Sanierung wurden mit 352,2 Millionen Euro, jene für die Interimslokation und die Übersiedlung mit 51,4 Millionen Euro – jeweils mit einer Reserve von 20 Prozent– festgelegt. Doch dabei blieb es nicht: Im November 2020 wurde eine nachträgliche Kostenüberschreitung um 20 Prozent beschlossen und damit die Reserve aktiviert. Die Schlussabrechnung für das Gesamtprojekt erfolgt voraussichtlich mit Ende des Jahres 2023.

Die ersten Arbeitssitzungen in dem aufpolierten Gebäude gehen dann bereits nächste Woche über die Bühne. Am 17. Jänner hält der Nationalrat seine erste Ausschusssitzung ab, exakt zwei Wochen später dann die erste Plenarsitzung. Der Bundesrat feiert seine Sitzungspremiere erst am 16. Februar.

Bevor der parlamentarische Betrieb in dem sanierten Gebäude starten kann, wurde das Haus koordiniert "hochgefahren". In Proben wurde der Sitzungsbetrieb von Nationalrat und Bundesrat simuliert. Als "enorme logistische Herausforderung" bezeichnete die Direktion die Rückübersiedlung von insgesamt 800 Arbeitsplätzen, bis zu 6.400 Umzugskartons und rund 3.000 Klein-und Sonderinventargegenständen. Nach der Rückübersiedlung ins historische Parlament werden die in der Hofburg genutzten Bereiche zurückgegeben. Ab 20. Februar werden die Container am Heldenplatz abgebaut.

Reden zur Neueröffnung

Am Donnerstag startet um 15 Uhr die Wiedereröffnungszeremonie mit einer ganzen Reihe an Reden: Die Eröffnungsansprachen halten Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), Bundesratspräsident Günter Kovacs (SPÖ), die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) und der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ). Die Festrede kommt vom ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bundestages, dem CDU-Politiker Wolfgang Schäuble.

Damit nicht genug: Danach ist ein moderiertes Gespräch mit sämtlichenKlubobleuten der Parlamentsfraktionen, also August Wöginger (ÖVP), Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Sigrid Maurer (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (Neos), angesetzt. Für die musikalische Umrahmung sind die Wiener Philharmoniker, die Wiener Sängerknaben und die Wiener Chormädchen zuständig. ORF 2 überträgt das Geschehen im Rahmen einer Sondersendung.

Bevor die Politik das Parlament wieder bestimmt, wird es allerdings noch für die Bevölkerung geöffnet. Am 14. und 15. Jänner kann das Ergebnis der langjährigen Arbeiten bei Tagen der offenen Tür unter die Lupe genommen werden. Besichtigt werden können unter anderem die Sitzungssäle, die Amtsräume der Spitzen von National- und Bundesrat sowie das neue Besucherinnenzentrum. Zu erstehen gibt es ein spezielles Briefmarkenset mit Ersttagsstempel und Fünf-Euro-Demokratiemünzen, gefertigt aus dem alten Kupferdach des Parlaments. (Oona Kroisleitner, Stefanie Rachbauer, 12.1.2023)

Info zu den Tagen der offenen Tür: 14. und 15. Jänner jeweils von 10 bis 17 (letzter Einlass um 16 Uhr)

Der Boden des Nationalratssaals wurde abgeflacht und so barrierefrei gemacht. Die Abgeordneten finden auf ihren Plätzen nun versenkbare Displays vor, über die sie etwa die Tagesordnung und andere Informationen zur Sitzung abrufen können.

Foto: Heribert Corn

Der 650 Kilo schwere Wappenadler war während der Sanierung des Gebäudes ausgeflogen. Für Ab- und Antransport musste er in vier Teile zerlegt werden.

Foto: Heribert Corn

Via Kran segelte er schließlich über einen Balkon in den Nationalratssaal zurück, wo er an seinen alten Platz zurückkehrte.

Foto: Parlamentsdirektion / BUCHNER

Im Zuge der Sanierung wurde das alte Dach des Parlaments entfernt ...

Foto: Heribert Corn

... und durch ein neues ersetzt.

Foto: Parlamentsdirektion / HURNAUS

Über eine 550 Quadratmeter große Kuppel gelangt nun Tageslicht in den Nationalratssaal. Die einzelnen Glaspaneele liegen auf einer Gitternetzschale und bestehen aus elektrochromem Glas. Das heißt: Die Lichtdurchlässigkeit der Elemente kann gesteuert werden.

Foto: Heribert Corn

Direkt unter der Kuppel ist ein verglaster Rundgang für Besucherinnen und Besucher entstanden. Hinauf kommt man im Rahmen einer Führung: Während das Geschehen im Saal beobachtet werden kann, wird dieses auch gleich erklärt. Auch die Demokratiewerkstatt, die mit Workshops das Interesse von Kindern und Jugendlichen an Demokratie und Parlament wecken soll, ist hier untergebracht.

Foto: Eva Manhart

Vor der Sanierung war dieser Blick von ganz oben auf die Abgeordneten noch nicht möglich.

Foto: Parlamentsdirektion / OLAH

Der Budgetsaal wurde in eine neue Unterkunft für den Bundesrat umgebaut.

Foto: Hans Klaus Techt

Auch der Boden wurde komplett erneuert.

Foto: Parlamentsdirektion / HURNAUS

Die beiden Luster im neuen Plenarsaal der Länderkammer wurden von Theophil Hansen entworfen und sind die größten im Haus.

Foto: Heribert Corn

Die Luster des Parlaments wurden während der Umbauarbeiten restauriert.

Foto: Parlamentsdirektion / KNY

Im historischen Sitzungssaal tagte zu Zeiten der Monarchie das Abgeordnetenhaus, heute kommt hier die Bundesversammlung – bestehend aus National- und Bundesrat – zusammen.

Foto: Heribert Corn

Aufpoliert wurden Möblierung, Säulen, Figuren, Wände und die Decke samt Dekorationsmalerei.

Foto: Parlamentsdirektion / HURNAUS

Im Erdgeschoß wurden zwei neue große Räume für Sitzungen von (Untersuchungs-)Ausschüssen eingebaut.

Foto: Heribert Corn

Unter der Säulenhalle ist ein Besucherzentrum mit 1.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche entstanden.

Foto: Heribert Corn

Geschaffen wurde Platz für die nach dem antiken Marktplatz benannte Agora, das Auditorium und das Forum.

Foto: Parlamentsdirektion /HURNAUS

Informiert wird im Besucherzentrum über Demokratie und Parlamentarismus – unter anderem an 27 interaktiven Stationen.

Foto: Heribert Corn

Gegessen und getrunken werden kann künftig in vier neuen Lokalen: im Restaurant, Bistro, Café und in der Kantine. Eröffnet wird die Gastronomie am Montag.

Foto: Kevin Recher

Wolfgang Sobotkas goldverzierter Flügel ist ebenfalls bereits an seinem Platz. Er ist im Empfangssalon des Nationalratspräsidenten untergebracht.

Foto: Hans Klaus Techt

Die monatliche Miete für das Stück aus dem Hause Bösendorfer beträgt 3.000 Euro.

Foto: Hans Klaus Techt

Ausgestattet wurde das Parlamentsgebäude auch mit Kunstobjekten – unter anderem mit Spiegelskulpturen von Eva Schlegel.

Foto: Hans Klaus Techt

Anstelle des Kupferdachs hat das Parlament nun ein Blechdach.

Foto: Heribert Corn

Außerdem wurden die Fassade, der Pallas-Athene-Brunnen zwischen den beiden Rampen und die Attika-Figuren restauriert.

Foto: Heribert Corn

Fünf Jahre lang residierte der Nationalrat in der Wiener Hofburg.

Foto: Matthias Cremer

Davor musste auch der Große Redoutensaal erst umgestaltet werden. Nun wird er an die Burghauptmannschaft zurückgegeben.

Foto: Parlamentsdirektion / BUCHNER