1921, zwei Jahrzehnte nach seinem Tod, wurde das goldene Denkmal für Johann Strauß Sohn im Wiener Stadtpark enthüllt. Zum 200. Geburtstag wird nicht nur dieses auf Hochglanz poliert.

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Im Jahr 2025, konkret am 25. Oktober, feiert Johann Strauß Sohn, Walzerkönig und oberster Schani der Wienerstadt, seinen 200. Geburtstag. Dass das nicht spurlos an der Donaumetropole vorbeischwimmen darf, ist klar – ein Festjahr Pflicht. Und dass es an dieser von Klischee und Kitsch überlagerten Ausnahmefigur durchaus noch Dinge zu entdecken gäbe, hat beispielsweise das heurige Neujahrskonzert mit der Aufführung unbekannter Werke vorgezeigt.

Die Stadt Wien will es jedenfalls ordentlich krachen lassen, vom Neujahrskonzert bis zum Silvestertanz soll mit Johann Strauß auch die triste Pandemiezeit vergessen werden. Im Juli vergangenen Jahres wurde zum Zweck der Organisation des Jubiläumsjahrs eine eigenständige GmbH unter dem Dach der städtischen Wien Holding gegründet. Sie soll koordinieren, planen, eigene Produktionen aus Musik und anderen Kunstsparten anstoßen und bis 2026 bestehen, um auch Nacharbeiten wie die Dokumentation des Jahres abzuwickeln.

Auch ein Imagevideo gibt es für das Johann-Strauß-Jahr bereits. Der Tourismus soll kräftig angekurbelt werden.
Johann Strauss 2025 Wien

So weit, so harmonisch. Aber in das Vorhaben mischen sich im Vorfeld auch dissonante Töne: Braucht es wirklich 20 Millionen Euro Budget für dieses Jubeljahr? Und fehlen diese Subventionen in dann hoffentlich postpandemischen Zeiten nicht auch an anderer Stelle im Kulturbetrieb? Waren bei der Besetzung der GmbH Wien-spezifische Seilschaften im Spiel? Und braucht man diese GmbH denn überhaupt? Fragen, die nicht nur Kritiker aus der Kulturbranche umtreiben, sondern auch die Wiener Oppositionsparteien.

Kritik von den Grünen

Die grüne Kultursprecherin Ursula Berner etwa findet gleich mehrere Kritikpunkte: 20 Millionen (über vier Jahre verteilt) seien in Zeiten der Kostenexplosion für Kulturbetriebe das falsche Signal. Man hätte laut Berner durchaus darauf vertrauen können, dass die zahlreichen Musik- und Theaterinstitutionen der Stadt das Jubiläumsjahr ohnehin aus eigenem Bestreben heraus ins Programm aufnehmen. An der Einrichtung einer GmbH stört Berner, dass diese nicht dieselben Transparenzpflichten gegenüber dem Gemeinderat als Kontrollorgan habe wie beispielsweise das Kulturamt. Bezüglich des Bestellungsprozesses der GmbH-Leitung sieht Berner Wien-Holding-interne Seilschaften am Werk.

Formal korrekte Ausschreibung

Formal freilich ist die Ausschreibung der Leitungsposition korrekt abgelaufen. Im Mai 2022 wurde eine Doppelspitze ausgeschrieben, es gab Bewerbungen aus dem In- und Ausland. Das Rennen machten Roland Geyer, der sich als langjähriger Direktor des Theaters an der Wien gerade zurückgezogen und zugleich öffentlich für das Strauß-Jahr in Stellung gebracht hatte, und Haus-der-Musik-Direktor Simon Posch, der die kaufmännische Funktion zusätzlich übernahm. Beide sind über ihre Häuser seit vielen Jahren in der Wien Holding verankert und fachlich sicherlich auch geeignet. Die Ausschreibung aber betrachten Kritiker gerade deswegen als Farce.

Den Vorwurf zum Budget will man in der Stadtregierung nicht gelten lassen: Aus dem Büro von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) heißt es, die Mittel würden keineswegs auf Kosten des Kulturbudgets gehen, sondern als zusätzliches Sonderbudget vom Finanzstadtrat bereitgestellt werden. Dass die "Strauß-Festjahr 2025 GmbH", wie sie mit vollem Namen heißt, auch als Auftraggeber fungiert, werde den Kulturbetrieben und Kunstschaffenden keineswegs schaden, sondern über Kooperationen direkt und indirekt zugutekommen.

Mozart-Jahr als Richtwert

Bezüglich der Höhe des Budgets geben vor allem Vergleiche Aufschluss. Von sich aus zitieren die Stadtverantwortlichen gerne das Mozart-Jahr 2006 (250. Geburtstag), das mit 30 Millionen Euro budgetiert und damit inflationsbereinigt fast doppelt so kostspielig war wie das Strauß-Jahr. Auch damals wurde eine GmbH eingerichtet, die Aufträge vergab. Zum Leiter kürte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) den damaligen VP-Stadtrat Peter Marboe – gelebter Proporz, der heute in dieser Form nicht mehr passiert.

Vom Erfolg des Mozart-Jahrs schwärmen bis heute vor allem die Stadtmarketing-Experten: Jubiläumsjahre sind für Stadtbranding und Tourismus nicht mehr wegzudenken, heuer etwa bewirbt man im Ausland 150 Jahre Wiener Weltausstellung. Die Umwegrentabilität – wonach ein investierter Euro doppelt und dreifach zurückkomme – wird stets als Argument angeführt.

Grüße von Holender

Dass es auch anders geht, zeigt aber das letztlich von der Pandemie verschluckte Beethoven-Jahr 2020, wo man mit Ausgaben "deutlich unter zwei Millionen" (O-Ton Bürgermeister Michael Ludwig, SPÖ) budgetierte. Auch hier gab es Projektverantwortliche, allerdings trat die Stadt kaum selbst als Veranstalter in Erscheinung und baute auf die Eigeninitiative der Häuser.

Dass man für den nur Teilzeit-Wiener Beethoven weniger springen ließ, als man bereit ist, für Strauß als "weltbekanntesten Wiener Komponisten" (O-Ton Roland Geyer) auszugeben, mag verständlich sein. Kritiker aber gibt es auch aus dem konservativen Opernfeld. In einem Gastbeitrag in der Presse etwa machte Ex-Staatsoperndirektor Ioan Holender seinem Unmut Luft, bekrittelte die Vergabe an Geyer und bezweifelte die Sinnhaftigkeit der 20-Millionen-GmbH. Holenders Vorschlag für eine Umsetzung geht mehr in Richtung Beethoven-Jahr.

70 Prozent Kunst

Roland Geyer, der im November bei einem ersten Pressetermin auf dem Wiener Badeschiff Slogan, Logo und Strategie des Projekts "Wake up Johann Strauss 2025" vorstellte, reagiert genervt auf die Kritik. Zu Holender, einer "neidischen Mumie", die ihn seit 25 Jahren verfolge, habe er nichts weiter zu sagen. Die Struktur der GmbH wie auch das Ansinnen, selbst Produktionen umzusetzen, seien politische Entscheidungen, die er, Geyer, freilich für richtig halte. Verteilen werde sich das Budget "zu 70 Prozent für die Kunst und jeweils zu 15 Prozent für Organisation und Marketing". Die Projekte, die erst noch erarbeitet werden, sollen jedenfalls in allen Sparten, von Musik und Theater bis hin zu Tanz und Kunst, stattfinden.

Und dass man Johann Strauß für das Jubiläumsjahr sein scharfes ß entzog, um wegen der besseren internationalen Lesbarkeit auf Doppel-s umzuschwenken? Der Autor dieses Textes, der selbiges Schicksal teilt, kann es nachvollziehen. Als Dauerzustand wünscht man es sich aber nicht. Zum Walzerkönig passt sein gemächliches scharfes ß. Vielleicht sind sich darin dann alle einig. (Stefan Weiss, 12.1.2023)