Bis 2035 soll es 250 neue Windräder in Niederösterreich geben, kündigt die Landesregierung an. Zu wenig, um die Erneuerbarenziele zu erreichen, sagt die IG Windkraft.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Auch nach fast 30 Jahren drehen sich die Rotorblätter von Österreichs erstem Windrad noch im Kreis. Schon seit 1994 speist es in Wagram an der Donau, einem Ort etwa auf halbem Weg zwischen Wien und Bratislava, Strom ins Netz. Nach und nach zogen immer mehr Gemeinden nach, mittlerweile versorgen über 750 Windräder rund 1,2 Millionen Haushalte in Niederösterreich mit Strom.

Die Preise für Strom und Gas sind enorm. Der Aufruf zum Energiesparen wird lauter. Warum und wie das auch dem Klima helfen kann
DER STANDARD

Von dem Niveau an Energieerzeugung, das Niederösterreich mit Windkraft erreichen könnte, ist das Bundesland allerdings noch weit entfernt, kritisiert die Interessengemeinschaft Windkraft Österreich. Niederösterreich verfüge über knapp die Hälfte des Windpotenzials Österreichs.

Trotzdem liegt der Anteil erneuerbarer Energien nur im Durchschnitt: Knapp über 30 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs werden in Niederösterreich laut der Statistik Austria durch erneuerbare Energien gedeckt – sowohl Kärnten als auch Salzburg schaffen bereits über die Hälfte.

Beim Ausbau von Solarstrom schneidet das Bundesland im Österreichvergleich zwar gut ab – vor allem bei der Installation von PV-Anlagen auf Dächern –, doch seien zu wenige Flächen für Sonnenstromanlagen ausgewiesen, um die Ausbauziele zu erreichen, kritisiert der Bundesverband Photovoltaic Austria.

All das spiegelt sich auch in der Treibhausgasbilanz wider: Diese ist heute fast so hoch wie im Jahr 1990. Um nur vier Prozent ist sie gefallen.

Zögerlicher Ausbau

Lange Zeit sperrte sich ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gegen den weiteren Ausbau der Windkraft. Noch im November 2021 erklärte sie: "Ich will keine neuen Windräder mehr in Niederösterreich." Knapp ein Jahr später änderte sie ihren Kurs dann doch: Bis 2035 soll es 250 neue Windräder geben, eine Leistungssteigerung um 200 Prozent. Die Solarstromerzeugung soll schon bis 2030 um 350 Prozent steigen, versprach Mikl-Leitner. Das bedeute: 130.000 zusätzliche PV-Anlagen.

Die Kritik aus der Solar- und Windbranche kam trotzdem prompt: Die Schritte seien wichtig, aber unzureichend. Für den PV-Ausbau seien die Flächen weiterhin zu klein, zudem sei unklar, wie viele der ausgewiesenen Zonen tatsächlich nutzbar sind, so Herbert Paierl, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Photovoltaic Austria.

Als Grund nennt er konkurrierende Flächennutzungen, ausständige naturschutzrechtliche Prüfungen, komplexe Eigentümerstrukturen und fehlende Stromnetzkapazitäten. "So wird das PV-Ziel sicher nicht erreicht", so Paierl.

Priorität Energiesparen

Ähnlich klingt die Reaktion der Windkraftbranche. "Wenn wir die Klimaneutralität bis 2040 erreichen wollen, ist das zu wenig", mahnt Martin Jaksch-Fliegenschnee von der IG Windkraft. Das zeige bereits eine einfache Rechnung: Selbst wenn der Energieverbrauch halbiert wird, müsste die Stromerzeugung verdoppelt werden, um den gesamten Energieverbrauch aus erneuerbaren Quellen decken zu können. So liegt der Gesamtenergieverbrauch in Niederösterreich bei 69 Terawattstunden, während die erneuerbare Stromerzeugung derzeit auf bloße 12,7 Terawattstunden kommt.

"Das E-Auto und die Wärmepumpe werden beim Energieverbrauch zu Effizienzsprüngen führen. Aber mehr als ein Drittel Energie einzusparen wird herausfordernd", sagt Jaksch-Fliegenschnee. Auf jeden Fall brauche es dazu ein Verbrauchsreduktionsziel und Maßnahmen, die dieses Ziel auch im Fokus haben. "Derzeit fehlen auch hier die nötigen gesetzlichen Vorgaben", ergänzt er.

Kaum eine Reduktion der Treibhausgase

Das kritisiert auch die niederösterreichische Fridays-for-Future-Bewegung. "Die Landesregierung kündigt zwar einen weiteren Ausbau von Windkraft und PV an, hat aber keinen Plan, wie Niederösterreich aus fossilen Energieträgern aussteigen kann", sagt Johanna Frühwald von Fridays for Future Niederösterreich. Spätestens bis 2040 brauche es die vollständige erneuerbare Energieversorgung.

Um die Maßnahmen der Landesregierung zu bewerten, brauche es ein Klimaschutzgesetz, ergänzt sie. "Aber während die ÖVP-Landesregierung sagt, sie wartet auf das nationale Klimaschutzgesetz, blockiert die eigene Partei dieses auf Bundesebene."

Aus der niederösterreichischen Partei heißt es dazu: Das Bundesland sei das Erste gewesen, das den Klimaschutz bereits 2007 in die Landesverfassung gehoben habe.

Bei der Reduktion der Treibhausgase habe das allerdings bislang kaum geholfen, kontert Frühwald. Es brauche einen klaren Plan mit einem Gesamtpaket an Maßnahmen, wie die Klimaziele erreicht werden können. Dazu fordere die Bewegung, so schnell wie möglich aus Öl und Gas auszusteigen, die Erneuerbaren schneller auszubauen und allen Menschen die Möglichkeit zu geben, klimafreundlich unterwegs zu sein.

Mehr Straßen, mehr Verkehr

Dabei gehe es in Niederösterreich noch nicht in die richtige Richtung: So sei zwar etwa das Budget für Rad und Bahn erhöht worden, doch gleichzeitig werden nach wie vor fossile Großprojekte vorangetrieben, kritisiert Frühwald. Dazu nennt sie etwa geplante Projekte wie die Traisental-Schnellstraße S34, die Ostumfahrung Wiener Neustadt und den Lobautunnel. Diese Projekte würden nur dem motorisierten Individualverkehr dienen, sagt Frühwald – eine Mobilitätswende sehe anders aus. "Mehr Straßen bedeuten mehr Verkehr. Das ist bei der ÖVP noch nicht angekommen."

Für den 20. Jänner ruft Fridays for Future zu Aktionen in ganz Niederösterreich auf – um Druck auf die Landespolitik zu machen, wie es auf der Website heißt.

"Unser Ziel ist, dass die Forderung nach ehrlicher und wirksamer Klimapolitik in alle Gemeinden getragen wird", erklärt Frühwald. "Die nächste Landesregierung ist die letzte, die den niederösterreichischen Klimakurs noch in Richtung 1,5-Grad-Pfad korrigieren kann." (Alicia Prager, 18.1.2023)